
Der Pinguin bewegte sich schon lange auf dünnem Eis. Bereits am Anfang der Ermittlungen zu dubiosen Masken-Geschäften in der Corona-Krise war ein Unternehmen mit dem hübschen Namen „Little Penguin“ ins Visier der Justiz geraten. Drei Jahre später, sind die beiden Gründer der Firma mit Sitz im noblen Münchner Vorort Grünwald am Dienstag überraschend verhaftet worden. Eine Hiobsbotschaft für die CSU zum Auftakt des Landtagswahljahres. Denn eine der Personen, die nun in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim hinter Gittern sitzen, ist Andrea Tandler – Tochter des einst sehr einflussreichen CSU-Mannes Gerold Tandler und Freundin von Monika Hohlmeier, deren Vater Franz Josef Strauß bis heute einer Art Nationalheiliger der CSU ist. Justizkreise bestätigten der Redaktion Redaktion die Verhaftung.
Einer der größten Politskandale der vergangenen Jahrzehnte
Neben Tandler standen die beiden damaligen schwäbischen CSU-Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein im Zentrum der Maskenaffäre, einem der größten Politskandale der vergangenen Jahrzehnte. Im brisanten Fall der Politiker-Tochter geht es aber längst nicht mehr nur um Mondpreise für Corona-Masken aus der Schweiz oder persönliche Gier, sondern um einen weiteren schwerwiegenden Verdacht.
Dass Tandler, 39, für die Schweizer Firma Emix Geschäfte anbahnte, mit denen der deutsche Staat ganz offenkundig abgezockt wurde, gilt längst als unstrittig. Masken für bis zu 8,90 Euro pro Stück waren selbst in den turbulenten Anfangstagen der Pandemie absurd überteuert. Ebenfalls klar ist, dass die CSU-Politikerin und langjährige Tandler-Freundin Monika Hohlmeier ihr mit guten Kontakten Türen in die Ministerien geöffnet hat.
Die Deals, die Tandler gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Darius N. einfädelte, der nun ebenfalls hinter Gittern sitzt, mögen moralisch verwerflich gewesen sein, strafbar waren sie nach bisherigem Stand der Dinge aber wohl nicht. Doch es gibt noch eine zweite Spur, die nun zur Verhaftung der beiden geführt haben dürfte: Nach Informationen dieser Redaktion vermuten die Ermittler, dass die Firma mit dem kleinen Pinguin im Namen vor allem mit dem Zweck gegründet wurde, Steuern in Millionenhöhe zu hinterziehen. Die beiden Verdächtigen weisen alle Vorwürfe zurück. Im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Maskenaffäre hatte Tandler im Juli – bizarr vermummt mit Baseballmütze, Corona-Maske und Sonnenbrille – einen aufsehenerregenden Auftritt hingelegt, aber keinerlei Angaben gemacht.
Schon früh hatte es Spekulationen gegeben, dass ihr am Ende nicht Korruptionsvorwürfe zum Verhängnis werden könnten, sondern der Umgang mit den mehr als 48 Millionen Euro, die sie für die Masken-Geschäfte kassiert haben soll.
Die Politiker-Tochter soll die ersten Aufträge über ihre eigene Marketing-Agentur Pfennigturm mit Sitz in München angestoßen haben. Bis dahin war diese Firma nicht gerade mit einer Expertise für medizinische Schutzausrüstung bekannt geworden, sondern hatte sich um ein paar bayerische Mittelständler gekümmert. Doch als Corona das Land überrollte, machte Tandler im Schlepptau von zwei Schweizer Jungunternehmern der Firma Emix das Geschäft ihres Lebens. Es ging um Masken im Wert von bis zu 700 Millionen Euro, die an den Mann beziehungsweise an den Staat gebracht werden wollten. In dieser Zeit wickelte Tandler praktisch ihren gesamten E-Mail-Verkehr über ihre Pfennigturm-Mailadresse ab.
Die Einnahmen ließ sie aber offenbar nicht an Pfennigturm fließen, sondern an die erst Mitte April 2020 neu gegründete „Little Penguin“. Dass diese in Grünwald sitzt, dürfte kaum dem Zufall geschuldet sein: Der Münchner Prominenten-Vorort gehört zu den Gemeinden mit den niedrigsten Gewerbesteuersätzen der Republik.
Mutmaßlicher Steuerschaden von bis zu 15 Millionen Euro
Doch warum griff die Justiz ausgerechnet jetzt zu, obwohl doch schon seit mehr als einem Jahr ermittelt wird? Für eine Untersuchungshaft kommen im Wesentlichen zwei Gründe infrage: Da ist zum einen die Sorge, dass Verdächtige Beweise zur Seite schaffen könnten. Nachdem die möglichen Taten aber fast drei Jahre zurückliegen, scheint eine solche Verdunklungsgefahr inzwischen eher überschaubar zu sein. Schlüssiger wäre da schon ein zweiter potenzieller Grund, jemanden festzunehmen: Fluchtgefahr.
Nach Informationen dieser Redaktion hat der ganz aktuell vorgelegte Abschlussbericht der Steuerbehörden die Staatsanwaltschaft zu dem scharfen Eingreifen bewogen. Zählt man den mutmaßlichen Steuerschaden aus Gewerbesteuer und Schenkungssteuer, der dem Fiskus durch die Aktivitäten von Tandler und ihrem Kompagnon entstanden ist, zusammen, kommt man auf eine beträchtliche Summe von 14 bis 15 Millionen Euro.
Den vertraulichen Erkenntnissen der Steuerfahndung zufolge hat Tandler über die Firma „Little Penguin“ rund vier Millionen Gewerbesteuer an die Gemeinde Grünwald entrichtet. In München wäre ungefähr das Doppelte fällig geworden. Zudem gehen die Steuerbehörden offenbar davon aus, dass Tandler und N. den immensen Gewinn aus der Vermittlung der Maskendeals privat hätten versteuern müssen. Stattdessen wurden aber über die GmbH „Little Penguin“ Steuern bezahlt. Steuerersparnis wiederum rund vier Millionen Euro. Darüber hinaus sind die Steuerexperten der Ansicht, dass durch das Konstrukt der GmbH und das Einbringen hoher Beträge Schenkungssteuer in Millionenhöhe hätte entrichtet werden müssen.
Von ihren Masken-Millionen hatten sich Tandler und N. kiloweise Gold und Villen in Grünwald gekauft. Ob sie ihren neuen Reichtum genießen können, ist nach derzeitigem Stand der Ermittlungen mehr als fraglich. Bis zu 15 Millionen Steuerschaden – im Falle einer Verurteilung würden Andrea Tandler und Darius N. damit hohe Haftstrafen drohen. Diese Erkenntnis zusammen mit den guten Kontakten Tandlers in die Schweiz haben in der Justiz die Sorge ausgelöst, dass sich die beiden Verdächtigen absetzen könnten.
Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht München hielt diese Sorge am Dienstagnachmittag für begründet und setzte den Haftbefehl in Vollzug.
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