
Es waren rund 80 interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer, die sich in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels versammelt hatten, um mehr über das historische Missverhältnis der beiden Städte zu erfahren. Helge Jost Kienel führte auf äußerst amüsante Art durch die Jahrhunderte.
Man könne, so Kienel, viele Städtepaare vergleichen und so die Wurzeln der historischen Missverhältnisse erkunden. Doch kaum eine Städtepaarung sei so groß im Vergleich wie Coburg und Lichtenfels. So solle Coburg bereits 1056 in historischen Aufzeichnungen genannt worden sein und 1256 die Stadtrechte bekommen haben. Nur fehlten dafür jegliche Nachweise. Dagegen sei belegt, dass Lichtenfels unter Herzog Otto I. von Andechs-Meranier 1231 diese besaß.
Durch unterschiedliche Zugehörigkeiten der Herrschaftsbereiche geprägt
Überhaupt, so der Referent weiter, seien die Verhältnisse zwischen Coburg und Lichtenfels durch die unterschiedlichen Zugehörigkeiten der Herrschaftsbereiche geprägt gewesen. Beide gehörten zwar zum Herzogtum Franken, allerdings hätten in Lichtenfels die Andechs-Meranier und in Coburg die Wittelsbacher herrscht.
Diese beiden Familien lagen laut Kienel ständig im Streit. Als Otto II. 1253 starb, sei die Stadt an das Herzogtum der Henneberger gefallen. Lichtenfels hingegen sei an das Bistum Bamberg gefallen. Deshalb die Lage in Lichtenfels stabil geblieben, während man in Coburg immer wieder mit wechselnder Herrschaft zu tun gehabt habe.
In Lichtenfels habe man sich in Richtung Süden, sprich nach München, in Coburg dagegen nördlich orientiert. Schließlich habe die Grafschaft Henneberg unter anderem Sonneberg, Hildburghausen und Meiningen umfasst. Während der Reformation habe sich das Verhältnis etwas gebessert. Coburg sei schon sehr früh reformiert gewesen, während Lichtenfels weiterhin katholisch geblieben sei, schilderte der Redner. Doch bereits 1526 habe der Schneyer Pfarrer Friedrich Schwalb im Sinne des Protestantismus gepredigt. Allerdings habe die katholische Kirche immensen Druck ausgeübt, um die „Abtrünnigen“ wieder zurück in den Schoss der Kirche zu bringen. So seien Eheschließungen zwischen Katholiken und Protestanten verboten worden. Andersgläubige seien sogar ausgewiesen worden – in Richtung Coburg! Erst 1648 habe sich die Lage beruhigt, als sich die Glaubensrichtungen homogenisiert hatten.
Nach Tod von Johann Casimir gab es um Coburg einen 13-jährigen Erbstreit
Unter Johann Casimir (1564 bis 1633) fiel Coburg unter die Herrschaft der Wettiner, berichtete Kienel. Als Johann Casimir starb, sei ein Erbstreit ausgebrochen, der 13 Jahre gewährt habe. Dies habe die Folge gehabt, dass Coburg verarmt sei.
Während die Verhältnisse in Lichtenfels weitgehend stabil geblieben seien, hätten in dieser Zeit in Coburg die Herrschenden des Öfteren gewechselt. Dramatisch sei es für beide Städte geworden, als Napoleon Bonaparte seinen Herrschaftsbereich ausgeweitet habe. Um die Fürsten, welche große Teile ihrer Ländereien verloren hätten, zu entschädigen, habe Maximilian I. erlaubt, dass man sich doch einfach bei den kleinen Fürstentümern bedienen könne. Lichtenfels sei im Königreich Bayern geblieben, Coburg sei zu Coburg-Sachsen geworden. Für Lichtenfels habe hiermit auch die Zugehörigkeit zum Hochstift Bamberg geendet.
Tausende Männer fielen in den Kriegen Napoleons
Beide Städt hätten jedoch für die Kriege Napoleons Soldaten stellen müssen. Bei diesen Kriegen seien tausende Männer gefallen, doch durch diese Kriege die Städte auch wieder etwas zusammengewachsen. Das habe sich jedoch wieder 1815 mit der Entstehung des „Deutschen Bundes geändert. Das Reich sei in 39 Einzelstaaten zerfallen, zwischen Coburg und Lichtenfels eine bewachte Grenze entstanden.
Endgültig verfahren sei die Lage unter Bismarck gewesen, der ein Preußisches Reich habe errichten wollen und mit den Österreichern im Krieg gewesen sei. Lichtenfels habe dabei an der Seite Bayerns, respektive Österreichs, gestanden, während Coburg zu Preußen hielt. Daraufhin habe Bayern kurzerhand Coburg besetzt. „Das fanden die Coburger allerdings weniger lustig“, sagte Kienel lachend. Der Krieg habe mit dem Sieg der Preußen geendet, was in der Folge zum Deutsch-Französischen Krieg geführt habe. Dabei hätten Lichtenfelser und Coburger wieder Seite an Seite gekämpft. Das Verhältnis der beiden Städte habe sich wieder gebessert, seien beide doch wieder Nachbarn in einem Staat gewesen.
Die Frage lautete für Coburg: Thüringen oder Bayern?
1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Nach dessen Ende, in der Weimarer Republik, wurde Coburg Freistaat. Allerdings sei Coburg wieder arm gewesen und habe dringend nach Unterstützern gesucht, erklärte der Referent. Die Frage war: Thüringen oder Bayern? Thüringen habe jedoch kein Interesse daran gehabt, die Coburger finanziell zu unterstützen, hätten diese doch ihre teuren Prestigeobjekte dadurch weiter finanzieren wollen.
Traditionell jedoch habe man in Coburg zu Thüringen tendiert. „Allerdings gab es ein weiteres Problem“, so Helge Kienel. „Thüringen war rot! Und auch Thüringen war arm.“ Und so sei es zu einer Volksabstimmung gekommen. Dass diese für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg einmal entscheidend für Coburg sein würde, hätte damals keiner geahnt. Mit 88 Prozent stimmten die Coburger 1920 für den Anschluss an Bayern.
Nach Zweiten Weltkrieg entpuppte sich die Abstimmung als Glücksfall
Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Besatzungszonen festgelegt wurden, sei das Ergebnis für Coburg ein Glücksfall gewesen, denn so sei die Stadt nicht in die Sowjetische Herrschaftszone gefallen und so von der Residenz- zur Grenzstadt geworden, von drei Seiten von der Grenze umschlossen. Damit sei dann eine weitere Tradition beendet: worden: Hätten die Coburger sich immer in Richtung Norden, sprich Erfurt, Leipzig oder Dresden orientiert, hätten sie sich jetzt zwangsläufig in Richtung Süden bewegen müssen. Und da habe der Weg über Lichtenfels geführt. „Es heißt: Die meiste Zeit der Reise verbringt der Coburger auf dem Bahnhof in Lichtenfels“, gab Kienel zum Besten.
Unterschiede an Klößen und Aufschneiden der Semmeln festgemacht
Doch auch diese Etappe gehört mittlerweile der Vergangenheit an. „Allerdings sind die Unterschiede in einigen Bereichen doch sehr extrem“, erläuterte der Vortragende zum Schluss. „Vor allem wenn man sich die Klöße und die Art ansieht, wie man in Coburg die Semmeln für die Bratwurst aufschneidet.“ Das heutige Verhältnis sei besser als früher, so Kienel. „Es ist immer noch schwierig, aber es gibt Hoffnung.“
Das Publikum und der Bezirksgruppenleiter des CHW für Lichtenfels, Ulrich Sünkel, bedankten sich herzlich bei Helge Kienel für den kurzweiligen und interessanten Vortrag.
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