
LICHTENFELS
Braucht's das noch - ein Wort zur Besinnung?
Wort zur Besinnung
Nach einer aktuellen Studie würde diese Rubrik gerade noch ein Zehntel interessierte christliche Leser und Leserinnen finden. Eine im letzten Jahr durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass in Deutschland rund 50 Prozent der Befragten einer christlichen Religion angehören, fast annähernd zu gleichen Teilen katholisch und evangelisch. Doch weit weniger fühlen sich ihrer Kirche verbunden, nehmen am Glaubensleben teil, wären oder sind bereit sich aktiv einzubringen.
Natürlich dürfen wir jetzt in unserer christlich geprägten Heimat etwas ruhiger aus den Fenstern schauen und durch die Landstriche gehen. All überall gepflegte Wegkreuze und liebevoll geschmückte Kapellchen und noch immer aufgesuchte Kirchorte, vom Gottesgarten, über den Obermain und bis zu den Höhen des Jura. Die Zeitungsberichte sprechen für sich: Zu unserem Lebensgefühl gehört der christliche Glaube, das kirchliche Leben im Ort. Religiöse Familienfeste wollen doch auch trotz Coronaauflagen gefeiert werden, von der Taufe zur Erstkommunion, Konfirmation oder Firmung, Trauung und auch die Trauernden suchen christliche Trauerbegleitung und Trauerfeiern.
Dennoch: wer sich auch bei uns in seiner/ihrer katholischen und evangelischen Ortsgemeinde umhört und umsieht, der/die wird doch deutlich erkennen, welche große Lücken die Corona-Zeit und die allgemeine Kirchenkrise reißen, nicht nur in den Sonntagsgottesdiensten, in den Reihen lang verdienter Ehrenamtlicher, in der Kinder – und Jugendarbeit, bei der Besetzung von kirchlichen Diensten. Herbstlich trübe Stimmung befällt Haupt – und Ehrenamtliche auch hier in unseren Gemeinden, wenn sie daran denken, was in Zukunft wohl an Gottesdienst – und Pfarrleben nicht mehr zu leisten ist und man sich vor Ort nicht mehr leisten kann.
Diese oben genannte Studie aus dem letzten Corona Jahr macht allerdings auch deutlich, dass sich weit über 70 Prozent der Deutschen ein spirituelles Leben wünschen, dass sie im Glauben an irgendwas oder irgendwen Sicherheit, Trost und Kraft suchen. Tatsächlich sind gerade in der Corona-Zeit neuartige spirituelle Angebote entstanden wie christliche Netzgemeinde, Online Glaubensseminare, Meditation-Apps oder Print-Magazine mit spirituellen Anregungen. Ungebrochen ist da eine spirituelle Sehnsucht und Offenheit für Glaubenserfahrung und Begleitung. Doch es scheint so als ob vertraute christliche Orte und Worte nicht mehr so Recht ihren Weg zu den Menschen finden und umgekehrt. Und für viele sind die Gründe offensichtlich.
In letzter Zeit haben in unseren Gemeinden wie in den großen Kirchen Prozesse des Umdenkens und Neustrukturierens begonnen. Bis in die Ortsgemeinde hinein stellen wir uns die Frage: Was ist das Wesen, das Wesentliche, des christlichen Glaubens? Wozu ist Kirche, die Gemeinde, vor Ort da? Was muss bleiben und was muss werden, damit die befreiende und Kraft spendende Botschaft Jesu bei uns einen Ort hat und zu Wort kommt. Und so viele bemühen sich auch gerade jetzt und trotz allem, dass Kirche dies ermöglicht: Damit Menschen einen Ort der Besinnung finden und ein Wort der Besinnung hören und erfahren.
Ja, das braucht?s: Einen Ort und ein Wort zur Besinnung.
Birgit Janson,
Pastoralreferentin
Seelsorgebereich Lichtenfels - Obermain