
Lichtenfels In den vergangenen zwei Jahren war sie unser steter Begleiter beim Einkaufen – die Maske. Am Sonntag, 3. April, ist im Freistaat Bayern damit Schluss. Das neue Infektionsschutzgesetz des Bundes macht es möglich. Die Einzelhändler vor Ort müssen sich nun entscheiden: Wollen sie die Lockerung mittragen oder von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und ihren Kunden weiterhin einen Mund-Nasen-Schutz vorschreiben?

Darüber unterhielt sich diese Redaktion mit Christian Werner aus Weismain, dem Kreisvorsitzenden des Handelsverbandes Bayern, der im Landkreis Lichtenfels mehrere Edeka-Supermärkte in Bad Staffelstein, Lichtenfels und Burgkunstadt betreibt. Die Gedanken des 42-jährigen schweiften aber auch zurück in jene Zeit, als die Maske noch zum vorgeschriebenen Einkaufsutensil gehörte und ein paar Kunden eine ganz besondere Duftwolke verströmten.
Frage: In vielen Unternehmen fallen derzeit Mitarbeiter wegen Corona aus. Wie sieht es in ihren Filialen aus?
Christian Werner: In unserem Unternehmen sieht es leider wie überall aus –wir hatten noch nie so viele Ausfälle wie zur jetzigen Zeit. Obwohl wir einen Impfanteil von über 95 Prozent haben, fallen viele Mitarbeiter quarantänebedingt aus. Oftmals ohne Symptome. Viele andere sind wegen ihrer Sprösslinge zu Hause, da in der Schule oder Kita der Pooltest bei den Kleinen positiv war. Und manchem ist ganz einfach die Belastung der letzten beiden Jahre zu viel.
Vor welche Herausforderungen stellen Sie die Ausfälle?
Werner: Aktuell haben wir, wie viele Unternehmer im Landkreis Lichtenfels, Probleme, unsere Filialen adäquat zu besetzen. Zeitweise fahren wir mit absoluter Notbesetzung, um überhaupt öffnen zu können. Bisher sind wir allerdings in der glücklichen Lage, jeweils mit Personal aus anderen Filialen aushelfen zu können.
„Mit Maske kommt kein Shopping-Gefühl auf. Masken sind ein Hindernis für das Geschäft“, sagte Bernd Ohlmann, Sprecher des Handeslverbandes Bayern im Gespräch mit der Tageszeitung „Münchner Merkur“. Teilen Sie die Ansicht angesichts von aktuell über 4000 Infizierten im Landkreis Lichtenfels?
Werner: Aus geschäftlicher Sicht hat er recht, als Mensch bin ich da natürlich anderer Meinung. Allerdings geht es aktuell für viele Händler auch ums Überleben. Vor allem für die so genannten Innenstadthändler stellt sich die Problematik, dass die Pandemie viele Kunden ins Internet getrieben hat. Die Innenstadt lebt vom Einkaufsbummel und dem Shopping-Gefühl.
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine solche Lockerung?
Werner: Wenn ich das wüsste, wäre ich wahrscheinlich Hellseher oder Gesundheitsminister. Natürlich sehe ich mit Sorge die steigenden Infektionszahlen. Andererseits gibt es aber auch die Mischung aus Rechtslage und Selbstverantwortung. Wir müssen in Deutschland aufpassen, den Absprung nicht zu verpassen. Irgendwann müssen wir Covid-19 als Krankheit akzeptieren, letztlich auch mit allen Konsequenzen.
Von Supermarktketten erhofft sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eigenverantwortliches Handeln. Werden Sie von Ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Ihren Kunden vorschreiben, auch weiterhin Maske zu tragen?
Werner: Wir werden unsere Kunden offensiv, beispielsweise mit Plakaten oder über die sozialen Medien, darauf hinweisen, dass wir das Tragen von Masken für sinnvoll halten, jedoch nicht über das Hausrecht einfordern. Von Beginn der Pandemie an war unser größtes Problem, dass es entweder keine oder nicht einheitliche Regeln gab. Der Handel soll einmal mehr die Probleme lösen, welche die Politik geschaffen hat. Die Regierung hat die Maskenpflicht abgeschafft, und wir Händler sollen sie über das Hausrecht wieder einfordern? Das ist ein bisschen so, wie mit dem Türsteher an der Disko, der nach dem Aussehen entscheidet, wer rein darf. Der Kunde geht letztendlich dorthin, wo er hineingelassen wird.
Was hören Sie von Ihren Einzelhandelskollegen im Landkreis Lichtenfels? Geht der Trend hin zum Hausrecht? Oder wollen sie die Lockerung mittragen?
Werner: Die meisten Händler, mit denen ich in letzter Zeit Kontakt hatte, wünschen sich, wie wir alle, endlich wieder Normalität. Viele sind noch immer damit beschäftigt, die Verluste der letzten Jahre zu kompensieren. Selbstverständlich ist jeder Kunde entscheidend. Ich habe noch von niemandem gehört, dass er sich auf sein Hausrecht berufen möchte.
Werden Sie Ihren Mitarbeitern weiterhin das Tragen einer Maske vorschreiben?
Werner: Hierfür ist nicht die Infektionsschutzverordnung, sondern die SARS-Cov-2-Arbeitsschutzverordnung zuständig. Diese gilt in ihrer letzten Ausfertigung vom 22. März weiterhin bis zum 25. Mai und besagt, dass jeder Arbeitgeber für sein Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen muss. Kommt diese, wie in unserem Fall, zu dem Ergebnis, dass medizinische Masken getragen werden müssen, dann gilt dies auch weiterhin. Danach werden wir das Tragen einer Maske nicht mehr vorschreiben, es aber empfehlen und diese auch weiterhin kostenfrei zur Verfügung stellen. Wie Sie sehen, ist dies ein typischer Fall, wo nicht zu Ende gedacht worden ist.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Maskenverweigerern gemacht?
Werner: Sie waren in unseren Filialen nie das große Thema. Wahrscheinlich auch, da wir von Anfang an von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht haben und diese der Filiale verwiesen haben. Dennoch sind mir einige Supermarktbesucher in Erinnerung geblieben. Ein Maskenverweigerer hatte aus lauter Frust seine Bananen quer durch den Laden geworfen, ein anderer kam nach kurzer Zeit mit mehreren Gleichgesinnten zurück, um uns unter Druck zu setzen. Natürlich alle ohne Maske. Das andere Extrem waren einige Kunden, die mit Asbest-Vollschutzanzügen aus dem Baumarkt kamen, eingehüllt in eine Wolke Desinfektionsmittel.
Der Fall eines Tankstellenmitarbeiters, der von einem Maskenverweigerer erschossen wurde, schockierte ganz Deutschland. Gab es Situationen, in denen Sie oder Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Angst hatten?
Werner: Die zuvor genannte Begegnung mit einer Gruppe von Maskenverweigerern war tatsächlich eine unschöne Situation. Hier war die Stimmung sehr aufgeheizt. Es wurde mehr geschrien als geredet. Generell durften wir uns gerade in der Anfangszeit viele Beleidigungen anhören.
Was glauben Sie: Wird die Maskenpflicht aus dem Handel für immer verbannt bleiben oder wird sie wieder eingeführt?

Werner: Ich glaube, dass sich dies tatsächlich selbst klären wird, da wir bereits jetzt von einigen Kunden mitbekommen, dass sie auch in Zukunft weiterhin situationsbedingt Masken tragen wollen. Natürlich lässt das Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit offen, dass wir wieder in eine solche Situation kommen können, was ich allerdings nicht hoffe. Letztendlich können wir aus unserer Erfahrung der vergangenen zwei Jahre sagen, dass die Menschen in der Anfangszeit ohne Masken mehr Rücksicht aufeinander genommen und Abstand gehalten haben, als seit Einführung der Maskenpflicht. Vielleicht ist es jetzt einfach wieder an der Zeit für die „S-A-R-S Regel“: Solidarität – Anstand – Rücksicht – Selbstverantwortung.
Wo muss noch eine FFP2-Maske getragen werden?
Eine FFP2-Maskenpflicht gilt künftig nur noch im öffentlichen Nahverkehr, in Fernverkehrszügen und Flugzeugen sowie in Heimen und Gesundheitseinrichtungen, wie Arztpraxen oder Kliniken. Quelle: Bundesgesundheitsministerium.
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