LICHTENFELS

Warum Krieg: Buchtipps rund um ein schwieriges Thema

Iris Birger und Stefanie Fischer sind Kinderbuch–Bloggerinnen. Vom Netz in die Tageszeitung geht es mit ihren Buchtipps mindestens ein Mal im Monat auf OTverbindet. Die heutigen Empfehlungen sollen helfen, das schwere Thema Krieg zu verarbeiten und darüber ins Gespräch zu kommen. Foto: Iris Birger

Warum gibt es Krieg? Eine Frage, die uns seit Ende Februar generationenübergreifend nun täglich und näher denn je begleitet. Zurückblickend auf die Vergangenheit in einem zerstörten Deutschland, das unsere Großeltern wieder aufbauten, und nach vorne blickend mit der Angst vor einem Dritten Weltkrieg.

Auch in den Kindernachrichten werden die Themen Politik, Krieg und Flucht immer wieder erklärt und mit neuen Informationen gefüllt. Aber nicht immer sind es Häppchen über den Krieg, die alle Kinder problemlos aufschnappen. Kinder hören ernste Nachrichten mit, sie lauschen Gesprächen, sehen hier ein Bild in der Zeitung oder erhaschen dort ein paar Gesprächsfetzen aus dem Radio.

„Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Alles über Konflikte“ von Louise Spilsbury, illustriert von Hanane Kai und übersetzt vo... Foto: Thienemann Esslinger

Krieg ist allgegenwärtig. Es ist ein Trugschluss zu glauben, der Krieg fände nur in der Ukraine statt. Er findet in Europa statt, in unserem Zuhause – unserem Sinnbild für Freiheit und Demokratie. Mit den heutigen Büchern möchten wir Ihnen daher ausgewählte Empfehlungen an die Hand geben, um unter Erwachsenen sowie im Gespräch mit Kindern Worte zu finden, die uns trösten und die uns trotz des Leids Hoffnung spenden, indem wir beim Lesen und Vorlesen darüber gemeinsam sprechen, uns öffnen und einander zuhören.

Gehen Sie ins Gespräch und trauen Sie sich, auch schwere Themen zuzulassen. Schnell lässt sich erkennen, dass Kinder durchaus in der Lage sind, in ihren eigenen Worten und Bildern zu begreifen, dass Streiten, Kämpfen und Bestimmer über alle sein zu wollen keine lohnenswerte Ziele zu sein scheinen.

Für Kindergartenkinder: „Warum?“ von Nikolai Popov

Hallo Schule!
Wo ist das ABC? Die Kinderbuchstabensuppe klärt auf.

„Warum?“ fragen Kindergartenkinder. Diese Frage stellen sie gerne und am Tag gefühlt tausend Mal. Und das ist gut so. Genau aus diesem Grund ist das in mehreren Sprachen erschienene Bilderbuch „Warum?“ von Nikolai Popov ein sehr wertvolles Bilderbuch, um den Krieg anhand weniger Elemente sehr einfach zu erklären. Ein Frosch, eine Blume, eine Maus. Maus stiehlt Blume von Frosch. Frösche schlagen zurück. Mäuse fahren schwere Geschütze auf. Frösche fahren noch schwerer Geschütze auf, und am Ende gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer. Vom Streit zum Krieg. Vom Krieg zu Gewalt und Zerstörung. „Sie kämpfen, bis alles verwüstet ist. Und keiner weiß mehr … warum?“.

Nikolai Popov schuf ein Bilderbuch, dessen Eindruck lange nachwirkt und viel Gesprächsstoff bietet. Aufgrund der präzisen, ausdrucksstarken, dunkel illustrierten Schlachtfeldszenen kommt dieses Buch sehr gut mit wenigen Textstellen aus. Die Geschichte zeigt uns: Krieg kann durch schlechte Gefühle entstehen, und Krieg macht ab diesem Zeitpunkt alles schlimmer. Warum? Eine mögliche Antwort könnte sein: Weil bei Frosch und Maus die Bereitschaft fehlte, zu reden und fair zu bleiben. Auf der Website des Verlags minedition finden Sie weiterführendes Material als Lern- und Unterrichtsimpulse für den Einsatz in Kindergärten oder Schulen.

Für Schulkinder: „Wie es ist, wenn es Krieg gibt“ von Spilsbury und Kai

„Wie es ist, wenn es Krieg gibt?“ fragen Schulkinder. In der Ukraine, in Russland, in Europa und weltweit haben Kinder das Bedürfnis, sich mit dem Thema „Krieg“ und „Konflikte“ auseinanderzusetzen. Das Sachbilderbuch von Louise Spilsbury und Hanane Kai bietet dafür eine gute, kindgerechte Grundlage. Beginnend mit den Ursachen von Krieg und Konflikten wird im Anschluss darauf eingegangen, was Krieg, Terrorismus und Gewalt bedeuten und welche Folgen diese haben können. Mit den Ausführungen über mögliche Lösungen von gewaltsamen Konflikten, wie man helfen und sich für den Frieden einsetzen kann, endet das Buch und gibt dieser bedrückenden Thematik eine doch noch hoffnungsvolle Note.

Mit dieser übersichtlichen Gliederung und den großflächigen, ansprechenden Illustrationen wird die Annäherung an das doch so sensible Thema etwas einfacher. Ehrlich ist dieses Buch, denn auch Zerstörungen, die Möglichkeit, sein Zuhause verlassen zu müssen, im Krieg verletzt oder getötet zu werden, werden offen angesprochen. Allerdings nicht, ohne die Gefühle auszuklammern: „Wenn wir Nachrichten über die Konflikte in der Welt hören, kann uns das sehr traurig, wütend oder ängstlich machen“ (Seite 5), schreibt die Autorin und drückt damit aus, was viele Kinder und Erwachsene gerade erleben.

Daneben wird aber auch darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es ist neben Wut und Traurigkeit, nicht alle Menschen einer Gruppe für ihre Handlungen und Entscheidungen im Krieg oder in Konflikten verantwortlich zu machen. Mit einfühlsamen und altersgerechten Worten wird Kindern ab fünf Jahren hier erklärt, wobei es Erwachsenen, gerade angesichts der aktuellen Ereignisse in der Ukraine, oftmals die Sprache verschlägt. Und die dann mit Hilfe dieses Buches wieder ins Sprechen kommen – denn das ist nicht nur für Kinder wichtig, sondern birgt auch für die Erwachsenen die Chance, sich mit den eigenen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen.

Für Jugendliche: „Heul doch nicht, du lebst ja noch“ von Kirsten Boie

Als Kirsten Boie im vergangenen Jahr ihren neuen Jugendroman schrieb und diesen im Januar veröffentlichte, wussten wir nicht, dass wir bald schon ein Stück Zeitgeschichte in den Händen halten, das eine traurige und erschütternde Verbindung zur Gegenwart aufzeigt. Mit „Heul doch nicht, du lebst ja noch“ gelingt es Boie erneut, den Blick auf die Gräueltaten des Kriegs und die Schrecken der Naziherrschaft zu lenken. Die Autorin erzählt darin die Geschichte dreier Jugendlicher im zerbombten Hamburg unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Durch die verschiedenen Perspektiven und Erzählsprünge zwischen den Protagonisten gelingt es Kirsten Boie, uns in das bisher Erlebte und die Gefühlswelt dieser drei Jugendlichen eintauchen zu lassen.

Jakob: Er ist Jude und nennt sich Friedrich, um nicht aufzufallen. Traute: Sie vermisst den Alltag mit ihren Freundinnen und die gemeinsame Zeit an der Schule. Und Hermann: Er muss sich um seinen kriegsversehrten Vater kümmern. Haben diese drei jungen Menschen eine Zukunft, und wenn ja, was gibt ihnen Hoffnung?

Mit diesem Roman möchte Kirsten Boie viele Jugendliche erreichen und gerade denen, die den Nationalsozialismus bewundern, aufzeigen, wie furchtbar die Nazi-Herrschaft für alle Verfolgten und Opfer war und darüber hinaus jede Deutsche und jeden Deutschen mit ins Verderben riss. Kürzlich durften wir mit großer Ehre Kirsten Boie in unserem Podcast begrüßen. Im Interview gab sie uns viele Einblicke in diesen Roman und nahm uns mit in ihre Kindheit im Nachkriegsdeutschland. Hier gelangen Sie zu unserem Interview mit Kirsten Boie: kinderbuchstabensuppe.de

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Zu den Büchern

„Warum?“ von Nikolai Popov, ab fünf Jahren, 32 Seiten, erschienen 1995 im Verlag minedition

„Wie ist es, wenn es Krieg gibt? Alles über Konflikte“ von Louise Spilsbury, illustriert von Hanane Kai und übersetzt von Jonas Bedford-Strohm, ab fünf Jahren, 32 Seiten, erschienen 2019 im Verlag Gabriel (Thienemann Esslinger). Weitere Bücher aus dieser Reihe, die ebenfalls sensible Themen behandeln und aktuell wichtig sind: „Wie ist es, wenn man arm ist? Alles über Armut und Hunger“, „Wie ist es, wenn man kein Zuhause hat? Alles über Flucht und Migration“ und „Wie ist es, wenn man anders ist? Alles über kleine und große Ungerechtigkeiten“.

„Heul doch nicht, du lebst ja noch“ von Kirsten Boie, ab 14 Jahren, 176 Seiten, erschienen 2022 im Oetinger Verlag.

Versteigerung

Bei der Versteigerung handsignierter Kinderbücher (OT berichtete) konnten Stefanie Fischer und Iris Birger kürzlich 2.446,71 Euro sammeln. Diesen Betrag runden die beiden Buchbloggerinnen auf 2.600 Euro auf und übergeben diese Summe wie angekündigt an „Save the Children“, um ukrainischen Kindern zu helfen. Ein großes Dankeschön senden die beiden hiermit nochmals an alle, die an der Aktion teilgenommen haben. Alle, die ein oder mehrere Bücher ersteigert haben, erhalten in den nächsten Tagen eine Email vom Blog Kinderbuchstabensuppe.

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