
Geht es nach der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat, wurde die Deutsche Korbstadt über ihre Stadtwerke besser heute als morgen intensivst in die Produktion von regenerativen Energien einsteigen. In der jüngsten Ratssitzung ging es um einen Antrag, der sich genau mit diesem Thema beschäftigte. Letztlich war es ein Wort, an dem sich die Geister schieden – und das den Antrag zu Fall brachte.
Wenn künftig Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen errichtet werden auf dem Gebiet der Stadt Lichtenfels, dann aber bitte mit mehrheitlicher Beteiligung der Stadt, ihrer Stadtwerke, einer ihrer Gesellschaften oder einer im Landkreis ansässigen Gesellschaft: Das war das, was die Grünen vorgeschlagen hatten. Außerdem sollten die Stadtwerke Lichtenfels ihr Tätigkeitsfeld in Sachen „Strom aus erneuerbaren Energien“ auf den Landkreis ausweiten und sich zukünftig auch hier mehrheitlich beteiligen. Doch genau an diesem „mehrheitlich“ entspann sich eine harsche Diskussion.
Im Werkausschuss beraten
Noch ehe die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Susann Freiburg, ihren Antrag erläutern konnte, informierte Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD), dass über den Antrag im Werkausschuss vorberaten worden sei – und erteilte Dietmar Weiß, dem Leiter der Stadtwerke, das Wort. Bernd Ackermann vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband habe habe Gesellschaftsformen vorgestellt, die es ermöglich, die Bürger zu beteiligen. „Das geht nur, wenn wir eine GmbH gründen, den regenerativen Teil der Stadtwerke ausgliedern“, so Weiß. Er machte keinen Hehl daraus, was er davon hält: „Wer sich beteiligen will, kann das beispielsweise über die Raiffeisenbank Mitwitz-Stockheim tun oder über die NEO.“ Allerdings, so erfuhr der Werkleiter sogleich: Die Energiegenossenschaft Neue Energie Obermain nimmt schon lange niemanden mehr auf.
„Stellen sie sich vor, wir würden eine Anlage für 20 Millionen Euro bauen, das würde unsere finanziellen Möglichkeiten über viele Jahre hinweg einschränken“, argumentierte er weiter. Außerdem würden die Stadtwerke ja in Photovoltaik investierten: in 2024 beispielsweise in das Projekt Kösten III. Kösten II sei seit 2020 in Betrieb.
Dann durfte Dr. Freiburg ihr Ansinnen erklären: „Es geht um einen Grundsatzbeschluss, wie wir weitermachen wollen mit Freiflächen-Photovoltaikanlagen“, warb sie. „Die Wertschöpfung sollte in der Region bleiben, wir sollten weg von fossilen Energien, denn die Energiewende biete riesige Chancen.“ Derzeit sind die Stadtwerke als Energielieferanten vor allem im Bereich Gas aktiv.
Beste Art der Bürgerbeteiligung
„Wenn die Stadtwerke die Anlagen selbst betreiben würden, wäre das die beste Art der Bürgerbeteiligung“, kämpfte die Juristin für ihre Vision. „Mittelfristig können sich die Stadtwerke damit gesundstoßen“, sagte sie mit Blick auf deren millionenschweren Schuldenberg. „Der Strommarkt ist ein Markt, in dem ganz viel Potenzial steckt. Der Gasmarkt gibt solches nicht her. Es ist eine sichere, nachhaltige Form der Energieerzeugung.“ Alternativ zur alleinigen Umsetzung, so Dr. Freiburg, könnten sich die Stadtwerke auch Projektierer mit an Bord holen, so wie die Stadtwerke in Kulmbach, die stets 51 Prozent der Anteile an Freiflächen-PV-Anlagen halten.
„Wenn der Stadtrat diesen Antrag ablehnt, kommen Investoren und setzen die Anlagen um, einzig bedacht auf Gewinnoptimierung, ohne Beteiligung regionaler Unternehmen.“ Diese Investoren stünden schon Schlange.
„Wenn wir vorschreiben, Photovoltaikanlagen nur noch mehrheitlich von den Stadtwerken zu betreiben, konterkarieren wir das Ansinnen, regenerative Energien zu forcieren“, hielt Bürgermeister Hügerich dagegen. „Das hier ist ein Verhinderungsantrag“, sprang ihm Sven Eisele (SPD) bei. „Der bewirkt genau das Gegenteil, ist im Endeffekt eine Art Ökosozialismus.“ Stattdessen brauche man möglichst schnell die Freiflächen-PV-Anlagen, um von Atom- und Kohlestrom loszukommen. „Der Antrag dagegen bedeutet letztlich das Zum-Erliegen-Kommen des Ausbaus von PV-Anlagen.“ Jeder, der eine Anlage bauen wolle, sei zu begrüßen – egal, woher, so Eisele.
„Sie möchten gerne die Fleischereifachverkäuferin zwangsweise an die regenerativen Energien anbinden“, kam Heike Kunzelmann (AfD) mit einem seltsamen Beispiel an und machte deutlich, was sie von regenerativen Energien hält: nichts. Diese seien kein Gewinn, sondern eine Verlustrechnung. Das brachte Philip Bogdahn (SPD) auf die Palme: „Ich möchte gerne mal den Stromvertrag von Frau Kunzelmann stehen. Da seht sicher etwas von Atomstrom, auf Büttenpapier, handgeschöpft 1933, in Frakturschrift.“ Er solle nicht zu weit gehen, entgegnete diese harsch.
Dr. Schille: Antrag ist ein Hilferuf
Dr. Arnt-Uwe Schille (SPD) versuchte zu moderieren: „Dass wir in die Richtung gehen wollen, da sind wir uns wohl alle einig. So ein Antrag ist auch ein Hilferuf!“ Hügerich brachte seinerseits das Landkreis-Projekt Regionalwerke ins Spiel, in dem für die Stadt Dietmar Weiß und er seien: „Auch da ist Bürgerbeteiligung ein Aspekt.“
Noch ehe Christian Barth (JB) seine Meinung äußern durfte, nahm die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag zurück, um ihn in der Folge noch einmal mit den anderen Fraktionen zu beraten. Christian Barth wollte dennoch noch etwas sagen, tat es dann unter dem Punkt Sonstiges: „Ich finde es sehr schade, wie wir hier diskutiert haben. Es ging um ein Wort. Früher hätten wir den Antrag kurz modifiziert und beschlossen.“ So würden wieder Wochen und Monate ins Land gehen.
Standpunkt:
Zeit verloren
Das letzte Atomkraftwerk ist vom Netz, Gas und Öl sind zum Spielball von Diktatoren und Konzernen geworden, der Strompreis ist in schwindelerregende Höhen geklettert: Wer kann sich da noch leisten, nicht auf regenerative Energien zu setzen und so viel wie möglich Strom und Wärme selbst zu produzieren? Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen war folgerichtig, wurde in den Grundzügen von der Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte mitgetragen.
Und doch scheiterte alles an einem kleinen Wörtchen. Wäre es denn wirklich nicht möglich gewesen, diesen Antrag noch in der Sitzung zu modifizieren und sofort Nägel mit Köpfen zu machen? Dass die AfD aus Prinzip gegen erneuerbare Energien ist: geschenkt – das ist für die Mehrheitsfindung eher irrelevant. Aber die anderen Stadträtinnen und Stadträte? Sie hätten gut daran getan, sich zusammenzuraufen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Taten sie aber nicht. So jedenfalls haben Stadt und Stadtwerke wertvolle Zeit verloren. Und letztlich bares Geld, das einer finanzschwachen Stadt vielleicht geholfen hätte, ein wenig besser durch die prognostizierten schwierigen Jahre zu kommen. Markus Drossel
Großbaustelle, Großprojekt und Kleinsiedlung: Im Stadtrat kurz notiert
Marktplatz 10: Der Stadtrat hat in seiner nichtöffentlichen Sitzung im März die Dachdecker- und Klempnerarbeiten (Schieferabdeckung) für den Neubau der Stadtbücherei an die Firma Jakuba Bedachung aus Saalfeld zum für rund 215.110 Euro vergeben.

FADZ: Die Bundesregierung fördert das Forschungs- und Anwendungszentrum mit elf Millionen Euro, das in die dann umgebaute Kirschbaummühle einziehen soll. War bislang die Stadt der Zuwendungsempfänger, so hat der Stadtrat nun beschlossen, dass die Mittel an den Zweckverband FADZ gehen sollen. Dies war schon im Vorfeld vereinbart worden.
Solarpark Klosterlangheim: Die Stadträte haben gebilligt, dass der Vertragspartner IBC Solar den Solarpark an die Raiffeisenbank Mitwitz-Stockheim verkauft hat. Damit ist die Bank nun der Vorhabensträger. Heike Kunzelmann (AfD) stimmte dagegen.
Am Klentsch: Die historische Siedlung „Am Klentsch“ ist 1935 als „Kleinsiedlung“ errichtet worden, mit vielen restriktiven, oft nicht mehr zeitgemäßen Vorhaben. „Das ist eine der ersten Bauleitplanungen, die wir im Stadtgebiet hatten“, so Stadtbaumeister Gerhard Pülz. Seit Jahrzehnten wird mit jeder geplanten Baumaßnahme dort die Frage aufgeworfen, wie weit man eine Veränderung zulassen möchte oder auch nicht. Ein einfacher, zeitgemäßen Bedürfnissen angepasster Bebauungsplan soll nun Abhilfe schaffen. „Wir wollen Grundzüge festlegen, keine Details“, so Pülz. „Modernes Bauen im Einklang mit historischen Strukturen.“ Johannes Oppel (WLJ) und Robert Gack (CSU) sahen trotz allem zu viel reglementiert, Philip Bogdahn sah dort nichts Erhaltenswertes. Die Aufstellung des einfachen Bebauungsplans erhielt acht Gegenstimmen.
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