
Am Sonntag, 20. November, beginnt in Katar die wohl umstrittenste Fußball-Weltmeisterschaft der Herren aller Zeiten. Das Emirat steht vor allem wegen des Umgangs mit Gastarbeitern massiv in der Kritik. Tausende sollen beim Bau der Stadien und der Infrastruktur gestorben sein. Außerdem ist es laut Recherchen von Medienschaffenden wahrscheinlich, dass die WM mit viel Geld erkauft wurde. Deshalb hat sich der Lichtenfelser Professor Dr. Stefan Voll, Leiter des Universitätssportzentrums und des Transferzentrums für Angewandte Sportwissenschaften an der Universität Bamberg, Gedanken gemacht über Katar und das Spielfeld der Doppelmoral.
„Sie ist schon prekär, die allgemeine Gemengelage: Corona, stündliche Klimakatastrophen, Verteuerungen aller Orten, ausverkaufte Winterpullover und im Osten sitzt einer, der droht auf den roten Knopf zu drücken …
Und dann eine Fußball-WM in der Wüste, in einem Land, mit dem man in erster Linie Sand, Wolkenkratzer und Backofentemperaturen verbindet und dessen Sportaktivitäten sich vorzugsweise auf Falkenjagd und Sandburgenbauen erstrecken.
Also viele zum Teil provokante Fragezeichen, deren Beantwortung wohl nicht mit einem weißen Kaninchen, das dem Zauberhut entsteigt, erfolgen kann. Aber jeder WM-Konsument ist angesichts der additiv hinzukommenden katarischen Menschenrechtsfragwürdigkeiten fast zwingend angehalten sich meinungstechnisch zu verorten beziehungsweise Stellung zu beziehen …
Und das ist nicht einfach: freilich könnte man sagen, dass angesichts der düsteren Großwetterlage eine Abwechslung wie eine völkerverbindende Fußball-WM durchaus willkommen und deshalb moralisch gerechtfertigt ist. Deshalb müsste es doch erlaubt sein, nach Vogel-Strauß-Manier den Kopf trotz der bei den Stadionneubauten zahlreich gestorbenen Leiharbeiter und der nachweisbaren Menschenrechtsverletzungen sprichwörtlich in den katarischen Sand zu stecken.
Einfach den Kopf in den katarischen Sand stecken?
Doch ist das schon die ganze Wahrheit oder nur eine von vielen? Vermutlich gibt es keine Antwort, kann es auch keine geben. Vielmehr ist eine individualethische Rechtfertigung angeraten, wobei die Schlüsselfrage lautet: Darf man sich angesichts von Kollateraltoten bei den Baumaßnahmen in Katar oder auch vor unserer (ukrainischen) Haustür ungebremst auf ein konstruiertes Fußballfest einlassen? Es gibt für die Entscheidungsfindung keinen obersten Gerichtshof, sondern jeder ist aufgefordert, sein eigenes Wertesystem zu strapazieren. Sich moralisierend mit erhobenem Zeigefinger hinzustellen, ist angesichts der völkerverbindenden Funktion des Fußballs, der wie wenig andere Ereignisse in der Lage ist, Menschen in einem zwanglosen Fahrwasser nicht nur zu unterhalten, sondern auch zusammenzuführen, durchaus fragwürdig, vermutlich sogar deplatziert.
Heiligt also der Zweck die Mittel? Und gibt es eine Möglichkeit mit einer identifizierten Doppelmoral umzugehen, die zwischen schroffer Ablehnung und verordneter Vorfreude oszilliert? Es geht vermutlich nur, wenn man sich die örtlichen Umstände beziehungsweise Unebenheiten ebenso bewusst macht wie die prosozialen und bisweilen lebensbereichernde Wirkung einer Fußball-WM.
Es wird niemand ohne moralische Verstrickungen aus dieser Nummer herauskommen. Insofern bleibt das weiße Kaninchen im Zauberhut und jedem ist selbst überantwortet, die Fahnen zu schwenken oder den Bildschirm schwarz zu lassen. Aber der im Vorfeld dieser Entscheidung erfolgte innere Dialog kann zu einer spannenden Auseinandersetzung mit dem eigenen Wertesystem führen, aus dem heraus sich individualethisch vertretbare Maximen generieren können. Ein durchaus lohnender Kollateraleffekt … Und wenn es am Ende zu einem entspannten Zurücklehnen bei den Nationalhymnen oder zu schwarz-rot-gold bemalten Wangen kommt, verliert man vermutlich auch nicht zwingend den Heiligenstatus.
Die Sache mit der GEneralantwort
Wahrscheinlich aber werden erst die die Folgejahre den Nachweis liefern, ob sich die in Aussicht gestellte Nachhaltigkeit in Bezug auf die Stadiennutzung und die erhoffte ideologische Erneuerung einstellt. Insofern ist Franz Beckenbauers bewährte Generalantwort mindestens zweideutig zu verstehen: „Schau mer mal!“
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