LICHTENFELS

Prävention hilft bei Gewalt gegen Lehrkräfte

Prävention hilft bei Gewalt gegen Lehrkräfte
Auch, wenn im Landkreis Lichtenfels Lehrkräfte nur vereinzelt Opfer von Gewalt werden, ist Prävention notwendig. Foto: Bernd Schick/HOS

„Noch nie gab es mehr Fälle von Gewalt gegen Lehrkräfte“, so das Ergebnis einer Studie des Verbands Bildung und Erziehung VBE aus dem Jahr 2022. Dabei berichteten 32 Prozent der befragten Schulleiter von körperlichen Angriffen gegen Lehrerinnen und Lehrer an ihrer Schule in den vergangenen fünf Jahren. Im Landkreis Lichtenfels stellt sich die Situation anders dar – zum Glück.

Während es an der Herzog-Otto-Mittelschule Lichtenfels und der Berufsschule Lichtenfels etwa keine Gewaltvorfälle gegenüber Lehrkräften gab, berichtet Monika Geiger, Rektorin an der Realschule Burgkunstadt etwa davon, dass „am Motorrad eines Kollegen etwas verstellt“ worden war, was aber mehr als „dummer Jungenstreich“ zu deklarieren war. Die betroffenen Schüler wurden mit schulischen Ordnungsmaßnahmen bestraft. Ist das schon „Gewalt“?

Wo beginnt Gewalt?

Fälle verbaler Gewalt dagegen treten zwar immer noch selten, aber gelegentlich im Landkreis auf: Monika Geiger wurde beispielsweise zwei Mal auf Aufnahmen ohne Kommentare von Lehrkräften in den sozialen Medien aufmerksam gemacht. Beleidigungen und Drohungen kamen in diesem Schuljahr einmal vor: Ein Schüler äußerte eine Tötungsliste zu führen, die Namen mit Schülern und Lehrkräften enthielten. Dieser Schüler hat die Schule verlassen, so die Rektorin.

„Eine weitere Aussage, die mir eine Kollegin erst vor den Ferien zugetragen hat, ist die eines Abschlussschülers, dass er nach den Prüfungen erst einmal jedem Lehrer vor die Tür „pissen würde“ oder so ähnlich.“ Inwieweit das Team hier tätig werde, sei noch nicht diskutiert worden. „Das ist immer eine Gratwanderung, weil – wie gesagt – dann oft das Elternhaus zum Problem wird und solche Aussagen bagatellisiert.“

Von anderen Fällen berichtet Rektor Peter Gerhardt von der Viktor-von-Scheffel-Schule Realschule Bad Staffelstein: Während seiner Amtszeit habe es lediglich einen Fall gegeben, in dem sich eine Lehrkraft von einem Schüler verbal aggressiv behandelt fühlte. „Diese Situation wurde mit der Lehrkraft entsprechend aufgearbeitet und der Schüler mit einer geeigneten erzieherischen beziehungsweise Ordnungsmaßnahme belegt.“

Keine Meldungen erhalten

Auch das Staatliche Schulamt Lichtenfels betont, im betreffenden Meldeportal, in dem immer eine „Statistische Erhebung von Gewaltvorfällen gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst“ durchgeführt werde, noch nie eine Meldung erhalten zu haben. Die Basis für diese wenigen Vorkommnisse bilden wohl unter anderem die Arbeit der beiden Schulpsychologen samt Anti-Mobbing-Präventionsprogrammen und auch Supervisionsmaßnahmen für Lehrkräfte.

So setzt die Realschule Bad Staffelstein als präventive Maßnahmen „recht wirkungsvoll“ das Streitschlichterprogramm, bei dem die Schüler selbstständig ihre Konflikte lösen, und „Gemeinsam Klasse sein“, ein Schulprojekt gegen Mobbing und Cybermobbing, ein. „Mit beiden Ansätzen haben wir bislang gute Erfahrungen gemacht“, so Peter Gerhardt.

Auch am Meranier-Gymnasium arbeitet man vorausschauend: Lernen durch Engagement, nennt Schulleiter Thomas Carl zum Beispiel mit Blick auf die Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, die Tutorinnen und Tutoren für die fünften Klassen, die SMV-Arbeit, Medienerziehung, Projekte wie „Gemeinsam Klasse sein“ für die Unterstufe oder die Konflikthelferausbildung für Peer-Mediation.

Daei findet die Vermittlung bei Konflikten mit und unter etwa gleichaltrigen Jugendlichen statt. „Präventionsmaßnahmen in Form von Projekten können freilich nur nachhaltig wirken, wenn sie durch die alltägliche Erfahrung im Umgang miteinander gestützt werden“, betont der Schulleiter.

Projekte rund um Werte

Auch an der Herzog-Otto-Mittelschule Lichtenfels hat Prävention einen wichtigen Stellenwert: Die Lehrkräfte wurden von der Schulleitung dafür sensibilisiert, Gewaltvorfälle jeglicher Art zu melden. „Trotz der großen Schule sind bei uns die Wege kurz zwischen allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir pflegen das „Prinzip der offenen Tür“, das heißt jede Lehrkraft und jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter kann bei Fragen, Problemen, etc. sich immer direkt an uns wenden“, so Rektor Bernd Schick. Die monatlichen Schwerpunkte des elf-gliedrigen Wertekonzepts, bei dem Schüler, Eltern, Mitarbeiter und Lehrkräfte eingebunden sind, erinnern und vertieften zudem altersgerecht Themen wie Respekt, Höflichkeit und Toleranz.

Niederschwellige Angebote

In den unteren Jahrgangsstufen seien es vor allem niederschwellige Angebote wie die Streitschlichter, die durch Perspektivwechsel den Lösungsprozess begleiten. Auch die Jugendsozialarbeiter können als Vermittler auftreten. Ab der siebten Jahrgangsstufe finden etwa Unterrichtseinheiten mit den Jugendkontaktbeamten der Polizei statt, um beispielsweise das Thema Strafmündigkeit gemeinsam zu erarbeiten. Auch in den höheren Jahrgangsstufen werden eigene Projekte, etwa zur demokratischen Gesprächskultur, durchgeführt, aber auch externe Experten und Fachleute eingeladen. So findet in diesem Schuljahr etwa noch eine Unterrichtseinheit in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus statt. Geplant ist außerdem, die Ausstellung „SACKGASSE EXTREMISMUS„ auszuleihen und mit den Schülern über Links- und Rechtsradikalismus ins Gespräch zu kommen. „Der Bereich ,Erziehung und Werte‘ innerhalb unseres Schulentwicklungsprogramms war im laufenden Schuljahr unser Schwerpunkt, wird uns aber natürlich auch zukünftig weiter beschäftigen.“, resümiert Herr Schick.

Woher kommt der Werteverlust?

Nicht nur an der Herzog-Otto-Mittelschule scheint das Sozialziel „Respekt“, das dort alle Gruppen der Schule, das heißt Schüler, Lehrkräfte, Mitarbeitende und Eltern, als wichtigsten Wert bei der Schulbefragung gekürt haben, die Basis für ein gewaltfreies Miteinander in der Schule zu sein. Auch an der Realschule Burgkunstadt geht es um die Vermittlung von Werten. „Und im Mangel dieser und der fehlenden Konsequenz in der häuslichen Erziehung sehe ich die Gründe für eine generelle Zunahme“, betont Monika Geiger mit Verweis auf das statistische Wachstum der Gewaltvorfälle gegenüber Lehrkräften.

Dabei könnten auch die Qualität der sozialen Kontakte der Kinder und Jugendlichen eine Rolle spielen, so Peter Gerhardt: Diese bestehen demnach für viele Kinder und Jugendliche in erster Linie über die sozialen Medien und weniger, als es früher der Fall war, im täglichen Miteinander. Die größere Distanz, die ihnen die sozialen Medien vermitteln, senke die Hemmschwelle für gewaltsames Handeln, vor allem verbaler Art. „Zudem erleben Sie in diesem Bereich genügend „Vorbilder“, die dasselbe Verhalten zeigen. Die langen Lock-down-Phasen während der Pandemie haben diese Entwicklung bei manchen Jugendlichen verstärkt.“ Auch die zunehmende Spaltung innerhalb der Bevölkerung und der damit verbundene rauhere Umgangston unter den Mitbürgerinnen und Mitbürgern trägt zu einer prinzipiell größeren Gewaltbereitschaft bei, so Gerhardt.

Thomas Carl: „Wenn Kinder wenig oder keine Werte haben sollten, dann liege das nicht an ihnen, sondern an ihrem Umfeld.“

Werte verändern sich

Prävention hilft bei Gewalt gegen Lehrkräfte
An der Herzog-Otto-Mittelschule finden vielfältige präventive Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen sowie Wertevermittlung a... Foto: pexels.com/ Karolina Grabowska

Im größeren Zusammenhang sieht das Thema um die Werte auch der Schulleiter des Meranier-Gymnasiums: „Werteverlust wird beklagt, seit es Schulen und Schüler gibt. Wenn, dann handelt es sich um einen gesellschaftlichen Wandel, der dazu führt, dass sich der Stellenwert traditioneller Werte innerhalb einer Gesellschaft verändert, „neue Werte“ wichtig oder wichtiger werden, was sich dann natürlich auch auf die Heranwachsenden entsprechend auswirkt.“ Wenn Kinder wenig oder keine Werte haben sollten, dann liege das nicht an ihnen, sondern an ihrem Umfeld, wobei die Wirkung der Schule abhängig sei von der Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den Eltern, eingebettet in das jeweilige Umfeld und die Gesellschaft. Auch die Rolle der Medien, insbesondere Internet und „Social Media“, die gerade auf Heranwachsende in ihrem Entwicklungsprozess wirken, haben Einfluss.

Vor Gewalt schützen

Auch, wenn es im Landkreis Lichtenfels vergleichsweise wenig Fälle von Gewalt gegenüber Lehrkräften gab, so unterstützt eine neue Handreichung nun Schulen präventiv, um Lehrkräfte vor Gewaltvorfällen zu schützen. Kultusminister Michael Piazolo bekräftigt: „Lehrkräfte bestmöglich vor Gewalt zu schützen, das ist mir persönlich ein ganz wichtiges Anliegen. Denn unsere Lehrerinnen und Lehrer in Bayern leisten jeden Tag hervorragende Arbeit, die eine hohe gesellschaftliche Bedeutung hat. Sie verdienen Wertschätzung und Anerkennung. Gerade als Dienstherr haben wir gegenüber unseren Lehrkräften eine Fürsorgepflicht, der wir aktiv und verantwortungsvoll nachkommen. Der neue Leitfaden ist eine wertvolle Unterstützungshilfe für unser schulisches Personal.“

 

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