
Eine herzliche Umarmung, ein kräftiger Händedruck oder auch einmal aufmunternd auf die Schulter klopfen – all das war bei der politischen Schlachtschüssel des Bauernverbandes Coburg-Lichtenfels heuer freilich nicht drin. Ein wenig tröstliches Wir-Gefühl war in der der Pandemie geschuldeten virtuellen Form dann aber doch zu spüren. Tröstlich deshalb, weil die Hürden, die die Landwirte und ihre Fürsprecher momentan zu überwinden haben, beileibe nicht niedriger geworden sind.
Zünftige Brotzeit und a Seidla Bier kam per Post
Damit das Fehlen des persönlichen Miteinanders ein wenig besser verschmerzt werden konnte, hatte sich der Bauernverband eine nette Geste ausgedacht, nämlich den Teilnehmern der Runde aus Politik, Landwirtschaft und Medien eine zünftige Brotzeit mit Dosenfleisch und einem Seidla Bier per Post zukommen lassen.
„Ich hoffe, es mundet euch“, so Martin Florschütz zum Auftakt des lebhaften Austausches an diesem Rosenmontagsmorgen. Der Coburger Kreisobmann übernahm mit dem Geschäftsführer der Geschäftsstelle Lichtenfels-Coburg des Bayerischen Bauernverbandes, Hans Rebelein die Moderation der rund zweieinhalbstündigen virtuellen Veranstaltung.

„Natürlich müssen wir uns laufend verbessern, und das tun wir auch. Doch was uns mittlerweile abverlangt wird, ist aus meiner Überzeugung schlichtweg der falsche Weg. Schließlich sind wir, die Berufsgruppe der Bauern, diejenigen, die dafür sorgen, dass wir in Deutschland eine gesicherte Nahrungsmittelversorgung haben“, legte Florschütz nach der Begrüßung der Ehrengäste schon in der Einleitung ordentlich los. Er erwarte von den politischen Entscheidern Rückgrat dahingehend, dass sie sich auch mal vor die Landwirte stellen und sich dafür einsetzen, „diese von ideologisierten Träumern verursachte sogenannte Landwirtschafts- und Umweltpolitik wieder in vernünftige Bahnen zu lenken“.
Verständnis für Nöte und Belange, aber der Vorwurf gehe zu weit
Wie alle politischen Vertreter der virtuellen Schlachtschüssel, darunter unter anderem die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier, äußerte auch CSU-Landtagsabgeordneter Martin Mittag aus Seßlach Verständnis für die Nöte und Belange der Bauern, betonte aber zugleich: „Klar muss und darf man am politischen Rosenmontag Gas geben, doch fehlendes Rückgrat möchte ich von mir weisen. Wir haben die Standpunkte der Landwirte schon klargemacht.“

Eine ganze Litanei an aus der Sicht der Landwirte nennenswerten Punkten stand auf der Agenda der Veranstaltung mit teils sehr aktueller Note: Erst Mitte vergangener Woche beschloss das Bundeskabinett nämlich das sogenannte Insektenschutzpaket in Gestalt einer Änderung des Bundsnaturschutzgesetzes und einer Überarbeitung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung. Die damit verknüpften Auflagen von Randstreifen an Gewässern erster/zweiter Ordnung von je nach Einzelfall kritisieren die Landwirte schon jetzt scharf, wenngleich es noch Beratungen in Bundestag und Bundesrat hierzu gibt und das Gesetz voraussichtlich frühestens im Sommer in „trockenen Tüchern“ sein dürfte.
Bei der Einstufung der Einzelfälle an den Gewässern nimmt in Zweifelsfällen das Wasserwirtschaftsamt eine wichtige Rolle ein. Rebelein plädierte in seiner Wortmeldung dafür, dies am besten sogar auf Gemeindeebene herunterzubrechen.
„Wenn das Gesetz kommt, werden wir genau
hinschauen. Ich für meinen Teil bin jedenfalls nicht bereit, einer Fassung zuzustimmen, die sich gegen die
Landwirtschaft richtet.“
Bundestagsabgeordneter Dr. Hans Michelbach versprach hierzu: „Wenn das Gesetz kommt, werden wir genau hinschauen. Ich für meinen Teil bin jedenfalls nicht bereit, einer Fassung zuzustimmen, die sich gegen die Landwirtschaft richtet“. Er hält es – und das war auch der Tenor in der Runde – für enorm wichtig, die im verabschiedeten Gesetzesentwurf vorgesehene Länderöffnungsklausel festzuschreiben, um landesrechtliche Regelung im Freistaat einfließen zu lassen.
Maßnahmen wie das Insektenschutzpaket förderten nur die Intensivierung von Flächenbewirtschaftung und Tierhaltung in anderen Teilen der Welt und würde die Gefahr der zunehmenden Abhängigkeit von Nahrungsmittelexporten beinhalten, gab Florschütz zu bedenken – und setzte in Angriffslaune noch eines drauf: „Und wenn ein Cowboy wie Trump mit seinem Geld einmal die Weltweizenernte aufkaufen würde, könnten wir unsere Naturschutzbemühungen dann sonst wohin stecken.“
Neue Düngeverordnung für manche Bauern eine Katastrophe
Zu Jahresbeginn wurden mit der Novellierung der Düngeverordnung sogenannte „rote“ und „gelbe“ Gebiete ausgewiesen, was mit betreffend der Stickstoff- und Phosphatdüngung zusätzlichen Auflagen verbunden ist. Gerade die Eigentümer von als „rot“ eingestuften Flächen treffe die Neuerung hart. „Für diese Landwirte ist es eine Katastrophe“, findet Florschütz drastische Worte.
Zwar machten diese „roten“ Gebiete beispielsweise im Landkreis Lichtenfels nur drei bis vier Prozent aus, wie Rebelein erläuterte, doch das Attribut „nur“ kam dem BBV-Geschäftsführer dabei nicht über die Lippen. „Wenn sie dazu zählen, hilft das den betroffenen Landwirten herzlich wenig“, so Rebelein.
Während die Vertreter der Landwirtschaft die Gelegenheit nutzen, ihre Sicht der Dinge schonungslos aufs Tableau zu bringen, versuchte die politischen Vertreter die Wogen zu glätten, so auch CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner: „Die Landwirte sind uns nicht egal. Es ist keineswegs so, dass wir nicht an Ihrer Seite stehen“. Sie sehe derzeit nicht die Gefahr, dass man sich von Lebensmittelimporten abhängig mache. Zugleich räumte sie ein, dass in Sachen Insektenschutzpaket „noch einiges nachgebessert werden muss“.
Bundestagsabgeordneter Dr. Hans Michelbach ergänzte, die Entscheidungsträger dürften sich hier „nicht in rote Gebiete verlieben“, sondern müsste vielmehr Lösungen schaffen.

Insektenschutz: Emmi Zeulner sieht Nachbesserungsbedarf
EU-Abgeordnete Hohlmeier schob den Schwarzen Peter von sich. Sie habe die Sachlage für die EU-Kommission in Brüssel dargelegt, die Fachargumente vertreten. Es sei „geackert“ worden, aber es nehme eben bei diesen Themen auch die ideologische Linie zu. „Und das Bundesumweltministerium war hier nicht unbedingt hilfreich“, wurde sie überraschend deutlich.
„Das ist Bürokratie pur.
Die Landwirte müssten fast zentimetergenau arbeiten,
mit der heutigen technischen Ausstattung ist das
gar nicht umsetzbar.“
Hans Rebelein, BBV-Geschäftsführer
zur Flächentoleranzregel
Doch den genannten Aspekten folgten in der „virtuellen Schlachtschüssel“ noch eine Reihe weiterer Themen, die den Landwirten nicht minder stark auf den Nägeln brennen, wie sich offenbarte, etwa die sogenannte Flächentoleranzregel. Über die Agrarpolitik erhalten Landwirte Flächenzahlungen. Bei der Prüfung der Größe gab es bislang noch eine gewisse Messtoleranz. Doch nun wurde, wie Rebelein ausführte, eine „absolut praxisfremde Regelung“ eingeführt, wonach nur noch eine Abweichung von 100 Quadratmetern toleriert wird. „Das ist Bürokratie pur. Die Landwirte müssten fast zentimetergenau arbeiten, mit der heutigen technischen Ausstattung ist das gar nicht umsetzbar“, echauffierte er sich.
Beim Thema Photovoltaik-Freiflächenanlagen waren sich die Beteiligten zwar einerseits einig, dass die Nutzung regenerativer Energie grundsätzlich zu begrüßen sei. Doch angesichts der Tatsache, dass bereits nicht wenige Freiflächenanlagen in der Region existieren und neue Projekte den Raum für landwirtschaftliche Nutzung weiter verringerten, hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Gar als „beinahe schizophren“ bezeichnete der Bürgermeister der Gemeinde Untersiemau, Rolf Rosenbauer, die Situation und meinte weiter: „Wir haben keine Bodenschätze wie Erdöl. Wir sollten den Boden nutzen, um Lebensmittel zu produzieren und nicht noch mehr Strom“.
Dem Biber geht es verbal an den Pelz
Als finalem Schlussakkord ging es verbal dem Biber gehörig an den Pelz. Florschütz machte aus seiner Meinung keinen Hehl, wenngleich er sich den Fans des Nagetiers verscherzt haben dürfte: „Ich bin ein Bewunderer seiner Baukünste, keine Frage.. Und will wohlgemerkt auch nicht den Biber ausrotten. Aber wir müssen dem Kerl endlich zeigen, wer der Chef ist und müssen die Landwirte vor ihm schützen“. Eine Regulierung sei, wo nötig, daher unabdingbar. Florschützs Meinung an schloss sich Rebelein: „Wir brauchen einen Managementplan, ähnlich wie beim Rehwild“.

Noch keine endgültige Entscheidung gefallen ist dahingehend, ob eine neue Bundesanlagenverordnung in Kraft tritt und bei manchen Landwirten eine Investition zur dann notwendigen Abdeckung der Güllebehälter nötig macht. „Eine Abdeckung auf eine Baugrube kostet rund 45 000 Euro, das ist ohne Förderung nahezu unmöglich zu stemmen“, so das Statement des Landwirts Tobias Schneider hierzu.
Butter bei die Fische – getreu diesem Motto wird auch bei der virtuellen Schlachtschüssel des Bauernverbandes verbal ausgeteilt, um den Belangen der Landwirte Gehör zu verschaffen. Das war selbst in der virtuellen Veranstaltung, der neben Landrat Christian Meißner sowie die beiden Kreisbäuerinnen Marion Warmuth (Lichtenfels) und Heidi Bauersachs (Coburg) beiwohnten, keinen Deut anders.
„Landwirtschaft hat
schon immer Zukunft
gehabt und wird auch
immer Zukunft haben.“
Resignieren ist keine Option, auch nicht für Martin Florschütz. Als Kreisobmann sei es zwar seine Aufgabe, den Mitgliedern Mut zu machen. Wenngleich er meinte, dass dies momentan schwer falle und durch politische Entscheidung noch erschwert werde, waren seine Ausführungen als Moderator auch von Zuversicht und Entschlossenheit geprägt: „Landwirtschaft hat schon immer Zukunft gehabt und wird auch immer Zukunft haben“.
In diesem Sinne endete die etwas andere Schlachtschüssel des Bauernverbandes. 2022 können sich Kreisobmann, Landrat und Kreisbäuerin dann hoffentlich wieder die Hand reichen und bäuerliche Gaumenkitzler aus der Region gemeinsam genießen.
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