
Frage: Darf der Mensch vor Gott das Leben als Spiel betrachten? Antwort von Peter Lachner: „Ja, und im Zweifelsfall wär' s ihm wurscht.“ Wer so redet, ist freier, vielleicht sogar befreit. Der Pastoralreferent, der dieser Tage in den Ruhestand verabschiedet wird, spricht über Prägendes und Träume. „Keinen Nachruf bitte“, sagt er. Denn er hat noch was vor: Leben.
Neben der Löwen Arena kann man Seele baumeln lassen.
Es ist schön hier im Garten. Es gibt einen kleinen Teich, ein Handballtor in verkleinertem Format und einen Ort, der „Münchner Löwen Arena“ heißt. Aus ihm scheint Gemüse zu wachsen. Hier kann man Seele baumeln lassen. Unter einer Markise sitzt Lachner (64) und schenkt sich ein Radler ein. Das Glas platziert er dabei auf einem Plastikbierdeckel, der Bob Dylan zeigt und nach LP aussieht.
Auf Dylan stößt man in Lachners Wohnung immer wieder, in Lachners Leben ohnehin. Doch als der Mann am 20. Oktober 1955 zur Welt kommt, da ist es noch ein paar Jahre hin bis „Blowing in the Wind“. In den Hitparaden tummeln sich Bruce Low und „Das alte Haus von Rocky Docky“ oder Caterina Valente. Es ist Wirtschaftswunder: Und Josef und Gabi Lachner haben ihren Erstgeborenen.
„Haben mir beigebracht,
mit Optimismus
durchs Leben zu gehen“
„Die haben mir beigebracht, mit Optimismus durchs Leben zu gehen“, sagt ihr Sohn und lächelt. Eine schöne Kindheit habe er gehabt und Lichtenfels bot ihm „Freunde und Freude“. Er gerät ans Gymnasium und somit an eine Begegnung mit einem Leonhard Schielein, Religionslehrer für die Katholiken unter den Pennälern. Ein Mann des Aufbruchs, des Konzils. „Dass die Sache mit Jesus nicht ist wie mit dem Nikolaus, sondern wahr und unheimlich wichtig fürs Leben“, habe der Mann vermittelt. „Der hat mich auf die Spur vom lieben Jesus gebracht“, so Lachner mit vollem Augenaufschlag.

„Vom lieben Jesus“ - wie er das so sagt, klingt es aus vollem Herzen und doch frei von Pathos. Doch wer sich traut, das Leben als Spiel zu betrachten, hat sich auch Kindliches bewahrt. Lachner geht auch musizierend als Clown durchs Klinikum. 2019, aus Ermangelung von Sternsingern als Teil eines Trios, das den Dreikönigssegen singend auf die Krankenstationen brachte. Und 15 Jahre lang auf zweitägige Faschingstour durch alle Stationen.
Denn die Antwort, mein Freund, kennt nur allein der Wind
Es ist das Jahr '63, Lachner ist Ministrant. Aber jetzt kommt aus dem Radio ein Lied, das nur Fragen stellt und keine Antworten bietet. Denn die Antwort, mein Freund, kennt nur allein der Wind, wird es bald aus dem Amerikanischen übersetzt heißen. Bob Dylan ist da, die Stimme einer Generation, ein Titan unter den Song-Poeten. Er rührt etwas in dem Jungen an, das sich bis heute erhielt. Fragen zu stellen und zu zweifeln ist nicht verwerflich, sondern menschlich und erlaubt. „Manchmal ist es gut zu zweifeln, wer nie gezweifelt hat, kann auch nicht glauben.“ Doch für Zweifler hat er auch einen Rock'n-Roll-Rat oder besser einen Wunsch: „Keep on searching (Such weiter).“ Zu suchen brauchte Lachner nach bestandenem Abitur 1975 nicht, denn die Bundeswehr fand ihn schon. Dienst am Vaterland und dann Studium von Religion und Latein auf Lehramt Gymnasium. Doch noch vor der Zwischenprüfung sattelte er aufs Theologie-Diplom um. Nun kam als Konzilsfolge die Berufung Pastoralreferent auf. Ein Jahr Pastoralassistenz in Rehau sollte folgen. Geheiratet wird auch. Mit 24. Daraus entstehen drei Kinder und fünf Enkel.
Jesus hat gewiss bewusst eine einfache Sprache gesprochen
Sprache wünscht sich Lachner einfach. Das ist Grundhaltung. Jesus, so argumentiert Lachner, habe gewiss bewusst eine einfache Sprache gesprochen und er hätte uns dazu aufgefordert, einfach zu sein. In den Jahren, in denen er selbst Religionsunterricht gab, habe er versucht, die einfache Sprache zu sprechen. Auf dem E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium in Bamberg ebenso wie in St. Gangolf oder bei den Behinderten der St.-Katharina-Schule. An dieser Stelle macht sich im Gespräch mit Lachner eine Klammer auf und in sie hinein erinnert er sich daran, dass man sich „mit den schwierigsten Kindern am längsten abgeben muss“. Aber: „Die danken es einem am besten.“
„Drückt' s dich wo, sing dich froh.“
Es sind jetzt die letzten Tage, an denen er noch Behindertenseelsorger (Regens Wagner) ist. Bald gibt er dieses Amt ab, so wie auch den Schlüssel zur Krankenhaus-Sakristei. Jetzt fällt das Gespräch wieder auf Sprache, aber diesmal auf die „des Himmels“. Das genau hält der Pastoralreferent von Musik, denn „hier geht das Herz auf, der Verstand weitet sich“ Oder andersrum: „Drückt' s dich wo, sing dich froh.“
Immer dann, wenn er im Krankenhaus Seelsorgedienst versieht, hat er eine Mundharmonika dabei. „Falls einer Geburtstag hat, kriegt er a Ständerla.“ Eine Folge eines solchen Ständerlas aber bleibt Lachner unvergessen. An einem Heiligabend spielte er auf Intensivstation einer im Koma liegenden Frau „Stille Nacht, heilige Nacht“ vor. Sie sollte in den kommenden Tagen wieder erwachen „und eine Woche später hat sie mich gefragt, ob ich das war“.
Das Klinikum ist dem Mann ein Ort anzutreffender Wunder. Seit über 30 Jahren erlebt er das dort, begegnet der Gesundung von Menschen, zu denen Ärzte gesagt haben, dass keine Hoffnung mehr bestünde. „Die Wahrscheinlichkeit, dass im Krankenhaus ein Wunder geschieht, ist ums Vielfache höher als ein Lotto-Gewinn.“
Nein, von Unordnung kann man dort, wo sein Büro und theologischer Bücherschrank ist, nicht reden. „Ich find mei Zeuch“, sagt Lachner seelenruhig, während er jetzt vor seinem PC und unterhalb einer Gitarre sitzt. Einer von wohl insgesamt zehn in diesem Haus. Den Beatles begegnet man hier auch, den Rolling Stones auf dem Flur vor dem Zimmer ohnehin. Lachner bewundert Mick Jaggers Mundharmonika-Künste. Doch hier, neben dem Bücherschrank, findet sich Weltliches zu Dylan. So wie das Plakat, das zu dessen Nobelpreis für Literatur gedruckt wurde.
Nimmt man hier das Wort „Devotionalien“ in den Mund, nimmt Lachner einem das nicht krumm. Doch, ja, es sind fast Andachtsobjekte, denn Bob hat viel zu sagen, zu fragen, anzuzweifeln und zu besingen.

Bob Dylan ist überall im Hause Lachner
An dieser Stelle kommt einem wieder der Optimismus in den Sinn, den Lachner von seinen Eltern übernommen hat. Denn so sehr Bob auch in Liedern zweifelt, so sehr sieht der Lichtenfelser doch das Licht am Ende von selbst noch dem schwärzesten Tunnel des großen Künstlers. Immerhin tut sich doch die Chance auf, dass jeder wahrhaft Suchende über den Zweifel an mehr Glauben gerät. Das gehört zum Spiel, und auch hier habe der liebe Jesus gewiss eine Spur dazu ausgelegt.
Peter Lachner strahlt diese Überzeugung auch dann aus, wenn er nicht weiter darauf eingeht. Ob er schon mal jemanden bekehrt hat? „Mir langt' s schon, wenn niemand wegen mir vom Glauben abfällt.“
Der Tod schreckt ihn wenig, das Sterben schon
20 oder 30. So vielen Menschen hielt er Beistand leistend die Hand als sie ausatmeten, ihre Seele aufgaben und hinüber gingen. Auch das Stationen eines seelsorgerischen Berufslebens. Der Tod schreckt ihn wenig, das Sterben schon. Er hat Menschen erlebt, die herzhaft lachend und scherzend starben. Einer sagte noch: „Ade und schönen Gruß daham. Und wenn kaaner daham ist, brauchst a kanna Grüß ausrichten.“
Aber es gab eben auch die anderen, bei denen das Sterben reichlich witzlos war. Auch sie senken sich ins Gemüt. Wie gut, dass man an jedem neuen Morgen Mut fassen und beten kann. Zu Lachners Morgengebet gehört es auch, Gott selbst einen schönen Tag zu wünschen.
Das Kind im Beter - mit Abitur und Studium und Lebenserfahrung. Von 1986 bis 2005 ein Leben in Trieb, auch ein Auflaufen für den 1. FC. Lachner interessiert sich auch für Handball, sympathisiert gar mit dem Coburger HSC. Jetzt im Garten aber spielt er mit den Enkeln Handball. Fit ist der einstige Berlin-Marathon-Läufer ja.
Sonntag ist der Tag des Herren. Aber es läuft am Abend auch Tatort. Eine Tradition unter den Eheleuten. Dass ihm im Ruhestand langweilig werden könnte, fürchtet Lachner nicht. Er wird Ehe führen, Opa sein, mit Dylan-Songs auftreten, sein geliebtes Flussbad besuchen und mit 1860 München herzhaft leiden.

Humor hat der Mann: ein Traum und eine Gewissheit
Und einen Traum gäbe es ja noch: „Vielleicht schaffe ich es ja mal aufs Cover vom Rolling Stone (Magazin), aber bestimmt schaffe ich es irgendwann immerhin auf die letzte Seite des OT.“ Bis dahin wird er dem Leben lauschen. Obwohl oder gerade weil es mehr Fragen als Antworten bietet.
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