KULMBACH/LICHTENFELS/KRONACH

Oberfranken: Energiewende in Bürgerhände

KINA - Weniger klimaschädliches Gas produzieren
Um den Klimawandel aufzuhalten, müsste in den kommenden Jahren mehr Energie aus Wind, Sonne und Wasser gewonnen werden. Dazu braucht es mehr regionale Intitiativen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine Chance für Bürger und Kommunen. Dies zeigten alle Akteure bei einer Veranstaltung des Energiewende-Bündnisses Kulmbach einhellig auf. Die Energiewende soll in kommunale und Bürgerhand, meinte der Mainrother Reinhard Englert (ÖDP Kulmbach-Lichtenfels).

Die Übernahme des Kulmbacher Stromnetzes durch die Stadtwerke im Jahr 2016 zeigten der Leiter der Stadtwerke Kulmbach Stefan Pröschold und Bezirkstagsvizepräsidentin Dagmar Keis-Lechner (Grüne) als Erfolgsgeschichte auf. Im Landkreis Lichtenfels laufen derzeit intensive Bemühungen, mit allen Kommunen und dem Landkreis Regionalwerke Obermain zu gründen, berichtete Dr. Susann Freiburg (Grüne). Im letzten Dezember hatte dort der Kreistag dafür einen Beschluss gefasst. Im Landkreis Kronach gibt es Überlegungen, aber derzeit ist dies kein Thema

„Es ist ein Drive quer durch die politische Landschaft entstanden“, sieht Markus Ruckdeschel von der Energieagentur Nordbayern die „Erneuerbaren“ ganz stark im Kommen. „Bei der Fotovoltaik waren wir vor zehn Jahren schon einmal auf einem guten Weg. Das wurde dann unattraktiv gemacht.“ Jetzt sehen auch die meisten Kommunen und Bürgerinnen und Bürger Windkraft und Fotovoltaik als notwendig.

Der Ausbau muss schneller und umfangreicher werden. Beim Wind muss noch viel passieren. „Manche sagen, das ist völlig illusorisch.“ Markus Ruckdeschel ist zuversichtlich, wenn er darauf blickt, was hier im Raum Kulmbach, Kronach und Lichtenfels bereits geschaffen wurde oder auf den Weg gebracht ist. Die Ausbaupläne hier kommen schon in die vorgegebene Richtung, ist er optimistisch. „Jede klimaneutral erzeugte Kilowattstunde nutzt dem Klima.“

Welche Risiken drohen?

Angesichts der insgesamt sehr erfreulichen Entwicklung stellt sich Ruckdeschel die Frage: „Wie schaffen wir es, die Wertschöpfung in der Region zu behalten?“ Investitionen in erneuerbare Energien sind keine Lizenz zum Gelddrucken. Es ist immer ein Risiko dabei. „Bei der Windkraft haben wir tatsächlich die Zeitenwende. Nur wir sehen sie noch nicht.“ Bei Planungs- und Genehmigungsprozess sind viele Knoten gelöst, die in den nächsten Jahren die erforderlichen Windvorranggebiete ermöglichen. „Bayern ist ein Windland, es gibt genügend Potential. Wir haben sehr viele sehr gute Lagen.“

Dabei erklärte Ruckdeschel, es müssen nicht immer nur die höchsten Lagen sein. Musterbeispiel ist die Kirchleuser Platte. Anlagen neuerer Bauart erzielen hier sehr gute Erträge. Solche Standorte diese Güte gibt es viele in der Region.

Der Bund erteilt den Erneuerbaren beim Ausbau Vorfahrt, ohne die Interessen der Anwohner aus den Augen zu verlieren. Erneuerbarer Ausbau ist von überragendem öffentlichen Interesse. In den Planungsregionen Bayerns wird geplant, überall. Gerade in Ober- und Unterfranken passiert eine Menge. Wir werden vermutlich schon in wenigen Jahren drei Prozent der Flächen haben.

Es kommt zunehmend die Nachfrage aus den Kommunen, die Windenergie wollen. Landschaftsschutzgebiete können für den Bau von Windkraftanlagen genutzt werden, ohne dass diese Flächen herausgenommen werden müssen. Windkraft steht bei den meisten Schutzgebieten dem eigentlichen Schutzgedanken nicht entgegen – aber nur, wenn es Flächen dort gibt die sich besonders eignen. Der Windpark am Rennsteig im Kreis Kronach wäre ohne diese Ausnahmegenehmigung nicht möglich gewesen. Wenn diese Flächenziele 1,8 Prozent bundesweit erreicht sind fallen diese Landschaftsschutzgebiete wieder heraus. Sie dienen auf Dauer nur für den Übergang.

Bei den Fotovoltaikanlagen fürchten viele Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion. Der Einwand ist ernst zu nehmen, erklärte Markus Ruckdeschel. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche wird für Erzeugung von Tierfutter hergenommen, 22 Prozent für menschliche Nahrung. „Tierfutter gehört dazu“, wandte eine Frau ein. Ruckdeschel zeigte auf, die Nahrungsmittelproduktion wird nicht gefährdet. Der Flächenbedarf für die Erneuerbaren liegt zwischen ein und 1,5 Prozent – je nachdem was auf den Dächern passiert. So viele Flächen werden wir nicht brauchen, dass die Nahrungsmittelproduktion gefährdet wird.

Wertschöpfung vor Ort das Ziel

0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde können an Kommunen abgeführt werden. Bei einem Windrad neuerer Bauart mit 20 Millionen Kilowattstunden sind dies 40 000 Euro jährlich. Vielleicht beteiligt sich die Kommune selbst. Kulmbach ist in glücklicher Lage, eigene Stadtwerke zu haben. Der Freistaat denkt über Möglichkeiten für finanziell klamme Kommunen nach, dass auch diese sich beteiligen können. Wichtig ist Bürgerbeteiligung, die vor Ort passt. Bis Ende des Jahres gibt es ein kommunales Förderprogramm, in Oberfranken noch wenig nachgefragt.

In Kulmbach wurde das Fachwissen des Bayernwerks mit eingebracht. Die Stadtwerke haben 51 Prozent und das Bayernwerk 49 Prozent einer Gesellschaft. Kompetenz blieb da. Der Kulmbacher Stadtrat ging mit dieser Lösung mit. Nach weiteren zehn Jahren sind 75 Prozent für die Stadtwerke und 25 Prozent für das Bayernwerk Option. Die Gewinne aus Stromverkauf und Netz fließen in die Stadtwerke, die damit Freizeiteinrichtungen subventioniert.

Die Stadtwerke legten ein Programm für private Dachflächen auf. In Grafendobrach wurde in Absprache mit Landwirten und Bürgerschaft eine Flächen-Fotovoltaikanlage gebaut. Kulmbach hat einen Jahresstromverbrauch von etwa 170 Millionen Kilowattstunden. In Grafendobrach werden 20 Millionen Kilowattstunden erzeugt, in der künftigen Freiflächenanlage Eggenreuth wird mit 30 Millionen Kilowattstunden gerechnet. Dort soll das Gelände zusätzlich zur Schweinezucht landwirtschaftlich verwendet werden. Gerne sind die Kulmbacher bereit für Zusammenarbeit mit benachbarten Bereichen.

„Es ist vorbildlich was Kulmbach macht“, betonte Susann Freiburg. „Wir wollen Wertschöpfung vor Ort und müssen auf erneuerbare Energien setzen. Wir werden es im Landkreis Lichtenfels hinbekommen.“ „Es geht um eine möglichst gerechte Verteilung der Gewinne“, meinte Reinhard Englert. Interessiert war auch die stellvertretende Lichtenfelser Landrätin Monika Faber dabei.

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