
„Egal, ob Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV oder Autofahrer: Wir wollen, dass alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.“ Das, was Dietmar Weiß als Leiter der Arbeitsgruppe Mobilität der Vision 2030 da im Stadtrat voller Überzeugung sagte, war fast ein wenig revolutionär. Es ging um die Frage, welche Schwerpunkte in der kommunalen Verkehrspolitik gelegt werden sollten. Und wie die Bürger der Stadt und Stadtteile in naher Zukunft besser verbunden und angebunden werden könnten.
„Mobilität à la carte – wie bestellt und abgeholt“ will die Stadt laut der Leitziele bis spätestens 2023 bieten. Vorausgegangen waren etliche Treffen im Rahmen der Zukunftswerkstatt. Was den Räten präsentiert wurde, waren letztlich die ungefilterten Ideen, Anregungen und Kritik der Bürger. Und die waren durchaus breit gefächert.
Carsharing: gemeinsam ein Auto teilen – und nutzen
„Die Mobilität steckt in Lichtenfels teils in den Kinderschuhen“, sagte Dietmar Weiß. Regenerativ und umweltfreundlich sollte er sein, der (Nah-)Verkehr der Zukunft. Freilich, ganz ohne Automobil wird das nicht gehen, doch auch in diesem Bereich hatte die Arbeitsgruppe durchaus Vorschläge zu unterbreiten. Ein Car-Sharing-Modell beispielsweise, das bereits in Kürze im Werkausschuss beraten werden soll.

Ab 2025 übernimmt der Landkreis Lichtenfels die Stadtbuslinien. Das aber heiße nicht, so Weiß, dass man nicht versuchen werde, die Leitlinien der Vision 2030 auch hier umsetzen zu lassen. Die Stärkung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs ist eine solche. Rufbusse als Ergänzung zu den regulären Buslinien könnten auch für Dörfer wie beispielsweise Köttel, Eichig und Rothmannsthal attraktiv sein. Verbessert werden sollen auch die Informationssysteme in den Bussen und an den Haltestellen.
Gefährdungen für Radfahrer beseitigen
Sehr am Herzen liegen dem Mobilitäts-Team um Dietmar Weiß die Radfahrer. Die große Frage: Wie leitet man Radfahrer durch die Stadt, ohne dass diese behindert oder gefährdet werden? Genau das sind nämlich akute Probleme, beispielsweise in der Kronacher Straße. Darüber hinaus brauchen E-Biker Lademöglichkeiten. Die Innenstadt soll fußgängerfreundlicher werden, der Autoverkehr sich tunlichst auf die Hauptachsen beschränken und aus den Wohngebieten möglichst herausgehalten werden. Ebenso soll Durchgangs- und Parksuchverkehr in der Innenstadt und Wohngebieten vermieden werden. Und natürlich steht auch Barrierefreiheit steht ganz weit oben auf der Agenda der Vision 2030.

Bürgermeister Andreas Hügerich nannte die vorgestellten Ideen einen „bunten Strauß“. Er dankte den Bürgerinnen und Bürgern, die sich im Vorfeld eingebracht hatten. Nun müsse die Stadt schauen, was alles stemmbar sei. Es gelte, die Leitlinien Stück für Stück zu bearbeiten.
„Der Radverkehr ist ein sehr großes Thema“, betonte Dr. Arnt-Uwe Schille (SPD), der Mobilitäts-Pate im Stadtrat. „Das ist schon in der Lichtenfelser Innenstadt schwierig, der äußere Bereich des Stadtgebiets ist damit aber gar nicht zu erschließen.“ Deswegen müsse man versuchen, den Radverkehr mit dem ÖPNV zu verquicken.

„Die Flughöhe ist noch recht hoch“, sagte Frank Rubner (CSU) und meinte damit, dass es noch keine Schwerpunktsetzung speziell für das Stadtgebiet Lichtenfels gebe. Es gelte, die Leitlinien auf die Kreisstadt nebst Stadtteilen zuzuspitzen. Monika Faber (SPD) forderte, die Interessen der Menschen mit Sehbehindererung nicht zu vernachlässigen, die Orientierungshilfen im Straßenverkehr bräuchten. Dem pflichtete Emmi Zeulner (CSU) bei und forderte, über das Städtebauliche Entwicklungskonzept „Lebensoasen“ zu schaffen, also attraktive Bereiche in der Stadt, vor allem für Fußgänger.
Ferner richtete Zeulner ihren Blick auf die Möglichkeit, Fahrräder am Bahnhof abzustellen: Gerade Besitzer teurer E-Bikes hätten Bedenken, ihre Räder dort abzustellen. Da gelte es, sich mit der Bahn zusammenzuschließen, um adäquate Absperrmöglichkeiten zu schaffen. Für diese gebe es bis zu 70 Prozent Förderung. Seit vielen Jahren ein Thema ist ein möglicher Kreisel in Höhe der OMV-Tankstelle. Zeulner informierte, dass am 11. April der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter nach Lichtenfels komme. Roland Lowig (WLJ) würde mit ihm auch gerne den fehlenden Radweg zwischen Roth und Klosterlangheim entlang der Staatsstraße 2203 besprechen. Dem Vorschlag Car-Sharing konnte er nur wenig bis gar nichts abgewinnen.
Der finanzielle Aspekt könnte zum Problem werden
Als „sehr gut und zukunftsorientiert“ bewertete Dr. Christopher Bogdahn (Freie Wähler) die vorgestellten Leitlinien, wenngleich man nun über die Einzelpunkte reden müsse. „Damit lässt sich gut arbeiten“, fand auch Dr. Susann Freiburg (Grüne). Christian Barth (Junge Bürger) sagte, dass das alles sehr viel Geld kosten würde. Bürgermeister Hügerich antwortete, das dabei natürlich immer die Finanzen im Blick behalten werden müssten. Robert Gack (CSU) warnte, sich aufgrund der großen Bandbreite nicht zu verzetteln. In puncto Radwegenetz müsse es das Ziel sein, die Nutzer in Richtung Marktplatz zu leiten. insgesamt hatte er Zweifel, inwieweit das Geld reichen werde, um die Ortsteile vernünftig an den ÖPNV anzubinden.
Johannes Oppel (WLJ) möchte (auch weiterhin) die Bürgerinnen und Bürger vor Ort beteiligen. Der Fokus in den Dörfern sei oft anders als in der Kernstadt. „Vieles ist wünschenswert, aber finanziell nicht stemmbar“, meinte er.
Mit zwei Gegenstimmen (Roland Lowig und Sabine Rießner) beschloss der Stadtrat, die Leitziele als Grundlage für das Mobilitätskonzept zu nehmen. Gegen Ende der Sitzung wollte Heike Kunzelmann (AfD) unter „Sonstiges“ ihre Zustimmung wieder entziehen, weil sie noch einmal darüber nachgedacht habe. Dies aber sei nicht möglich, so Hügerich. Die Abstimmung sei vorbei.
Im Stadtrat kurz notiert
* Christian Bauer ist auf Antrag der JB-Fraktion ab 1. März Mitglied des Hauptausschusses, Christian Barth ist sein erster und Philipp Molendo sein zweiter Vertreter. Ab dem gleichen Zeitpunkt gehört Philipp Molendo dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Tourismus und Wirtschaft an. Bauer ist sein erster Stellvertreter, Barth bleibt zweiter Stellvertreter.
* Für die Sanierung des historischen Altbaus Marktplatz 19 (künftig Stadtbücherei) sind die Zimmererarbeiten beauftragt worden (777.476 Euro).
* Auftrag vergeben: Auf den Dächern des städtischen Bauhofs und der Freiwilligen Feuerwehr Lichtenfels werden Photovoltaikanlagen montiert (Kosten: 204.756 Euro).
* Die verkaufsoffenen Sonntage in den Jahren 2023 bis 2025 sind festgelegt. Neu ist, dass die Läden von 12 bis 17 Uhr geöffnet haben (bisher 13 bis 18 Uhr). Die verkaufsoffenen Tage in diesem Jahr sind am 12. März (Street-Food-Festival und Mobilitätsmeile), 17. September (Korbmarkt) und 5. November (Fischmarkt und Mobilitätsmeile). In puncto Mobilitätsmeile möchte Dr. Christine Schmidt (Grüne) auch verstärkt Fahrradanbieter eingebunden sehen.
* In Köttel könnten wohl in absehbarer Zeit gegenüber des Feuerwehrhauses Wohnhäuser entstehen. Dafür wurde die Aufstellung einer Einbeziehungssatzung für das Gebiet „Am Gehring“ beschlossen.
* In Rothmannsthal wurde nach der Behandlung der Stellungnahmen im Rahmen der frühzeitigen Beteiligung die Einbeziehungssatzung „Kieswinkel“ mit eingearbeiteten, beschlossenen Änderungen gebilligt. Nun erfolgt die Beteiligung der Behörden sowie der Öffentlichkeit und sonstigen Trägern öffentlicher Belange.
* Die örtliche Prüfung der Jahresrechnung der Stadt und der Wohltätigkeitsstiftung für 2021 ist erfolgt. Es gab keine Beanstandungen, so Ausschussvorsitzender Robert Gack (CSU). Er sagte, dass die Verschuldung der Stadt von 14,3 Millionen Euro in 2018 auf 11,8 Millionen in 2021 zurückgegangen sei. Der Stadtrat entlastete einstimmig den Bürgermeister als Leiter der Verwaltung.
* Die Stadt Lichtenfels hat in 2021 über- und außerplanmäßigen Ausgaben in Höhe von 531.546 Euro im Verwaltungshaushalt und 2,22 Millionen Euro im Vermögenshaushalt (ohne Zuführung an
allgemeine Rücklagen) gehabt. Mit 1,32 Millionen Euro der größte Batzen waren Mehrkosten beim Kanalbau.
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