
Unter Trauer und Entsetzen mischt sich große Sorge: Selten war der Nährboden für Hass, Hetze und Halbwahrheiten so gut bestellt wie dieser Tage im Landkreis. Bei der jüngsten Sitzung von „Lichtenfels ist bunt“ standen die Begebenheiten der vergangenen Tage im Mittelpunkt. Und die begründete Befürchtung, dass rechtspolemische Rattenfänger die Situation für sich genüsslich ausschlachten werden.
Dabei ging es den Bündnismitgliedern definitiv nicht ums Schönreden der traurigen Fakten, sondern um die nüchterne Analyse, um Konsequenzen und Konfliktmanagement. Längst kursieren in den vermeintlich sozialen Netzwerken nicht mehr nur Beileidsbekundungen und Äußerungen des Entsetzens und der Verunsicherung, sondern auch Posts mit eindeutig ausländerfeindlichem Inhalt und offengelegtem Hass. So wurde aus einem von der Polizei gesuchten Zeugen mit eventuellem Migrationshintergrund schnell im Netz der Täter, auch durch unsauber recherchierte oder gar tendenziöse Berichterstattung in manchem Medium. Fake-News von weiteren vermeintlichen Vorfällen wurden bei Facebook und Co. gestreut.
„Die braune Sippschaft formiert sich, ebenso die blaue, die nicht sympathischer ist“, brachte es Tanja Vincent auf den Punkt. „Es wird massiv Stimmung gemacht.“ Vor allem gegen die Unterbringung von Geflüchteten in Wohncontainern, wie sie in Schney oder auch Zapfendorf angedacht ist. Heinz Gärtner fasste die Stimmung in Schney zusammen: „Viele wünschen sich vom Landkreis, dass dieser das Geld nicht in Container, sondern in leerstehende Gebäude wie das ehemalige Krankenhaus, das Diakoniegebäude in Michelau oder das Gebäude der Maiacher Stiftung steckt, um dort dann Geflüchtete unterzubringen. Dann habe man dauerhaft etwas davon.“ Auch das alte Bettenhaus der Franken-Akademie stünde zur Verfügung.
Arnt-Uwe Schille: Wohncontainer sind die kostengünstigste Alternative
Genau diese Gebäude, so Arnt- Uwe Schille, habe der Landkreis ja geprüft. Mit dem Ergebnis, dass die kostengünstigere Lösung die Container seien. Wie Tanja Vincent informierte, sei es klares Ziel der Dekanin Ott-Frühwald, das derzeit vakante Gebäude in Michelau wieder zum Standort für Pflege zu machen.
„Wohncontainer sind, anders als in 2015, derzeit auf dem Markt zu haben, deswegen will die Landkreisverwaltung diese kaufen, um vorbereitet zu sein und einen Puffer für Eventualitäten zu haben“, erklärte Beate Ehl, die hauptamtlich und federführend in der Flüchtlingsarbeit der Caritas tätig ist. „Container sind die weit bessere Möglichkeit, als wieder Sporthallen zu nutzen“, so Schille. Zumal dort Privatsphäre Fehlanzeige ist, Konflikte somit nur eine Frage der Zeit sind.
Weil Sprachkenntnisse der Schlüssel zur erfolgreichen Integration sind
Darüber hinaus werde laut Ehl aber selbstverständlich auch jede Wohnung und jedes Haus geprüft, das dem Kreis angeboten werde. Doch mit der Unterbringung der Geflüchteten sie es längst nicht getan: „Wir brauchen jeden Ehrenamtlichen, den wir kriegen können.“ Kontakte herstellen und Kontakte pflegen, das seien die wichtigsten Aufgaben der Helfer. „Man hat verstanden, dass die Sprache der Schlüssel ist, deswegen müssen die Asylbewerber auch mittlerweile intensiv Deutsch lernen“, so die Fachfrau. Von Profis.
Intensiviert werden die Kenntnisse der neuen Sprache dann durch den Kontakt mit den Ehrenamtlichen. Beruflich könnten die Schutzsuchenden noch so gut sein, doch ohne Kenntnis der Sprache sei die Integration zum Scheitern verurteilt. Die Verteilung der Geflüchteten in Europa und Deutschland sei klar über den „Königssteiner Schlüssel“ geregelt: Da könne sich auch der Landkreis Lichtenfels nicht entziehen, wie manch „besorgter Bürger“ meine.

Derzeit kämen vor allem junge Männer aus Syrien nach Deutschland und beantragten dort Asyl. Wohingegen Ukrainer oft willkommen oder zumindest akzeptiert seien, so Ehl, hätten einige Angst vor diesen. Wer den Kontakt suche, der erhalte nicht selten ein anderes Bild von ihnen. Heinz Gärtner berichtete von der Betreuung von Ukrainern in Schney in den vergangenen zehn Monaten: Über 700 Stunden hätten Ehrenamtliche geleistet. „Die Stimmung war gut im Ort“, bilanzierte er. Mittlerweile sei das deutlich anders.
Beate Ehl: „Der persönliche Kontakt ist superwichtig!“
„Der persönliche Kontakt ist superwichtig!“, pointierte Ehl ihre Aussagen. „Asylbewerber aus Syrien sind übrigens in der Regel schnell anerkannt und bleiben deswegen auch nicht lange in Wohncontainern.“ Wer einen positiven Bescheid habe, brauche eine „normale“ Wohnung. Geradezu sinnfrei sei es laut Ehl, Schutzsuchende in Orte ohne vernünftige Anbindung und Infrastruktur zu bringen, da die Asylbewerber ja kein Auto hätten. Ebenso klar aber sei auch, dass nicht jeder in Lichtenfels untergebracht werden könnte.
Matthias Voelckel legte den Finger in die Wunde: „Es fehlt den Bürgern an Informationen. Sie wissen nicht, was sie erwartet. Es ist wichtig, alle an einen Tisch zu bringen und von Leuten, die Ahnung haben, zu hören, was die Bürger erwartet.“ Ein vernünftiges Krisenmanagement sei zwingend erforderlich. „Die Bürger müssen mitgenommen werden“, lautete der Tenor aller.
Gemeinsam mit den „Omas gegen Rechts“ ist für Mitte des Jahres ein Informationsstand in der Lichtenfelser Innenstadt geplant. Der Termin befindet sich noch in der Abstimmung. Bis dahin auf jeden Fall fertig sein soll das neue Banner von „Lichtenfels ist bunt“. Das Design von Ben Apel erntete große Zustimmung. Das Bündnis wird weiterhin bei Demos und Mahnwachen für Mitmenschlichkeit, Toleranz und gegen rechte Hetze auftreten. An Gelegenheiten mangelt es derzeit wahrlich nicht. Dadurch konnten in den vergangenen Monaten ein engmaschiges Netzwerk geknüpft und Kontakte intensiviert werden.
„Demokratie leben!“ läuft an
Tanja Vincent verlässt Schney
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