
Eine Maus, ein Seehund, ein Pinguin: Mika und seine ganz besonderen Haustiere machen jede Menge Unfug. Papa hat aber gesagt, er könne sich tierische Gesellschaft besorgen. Dieser steckt über beide Ohren in Arbeit. Während Bianca Röber-Suchetzki in der ehemaligen Synagoge in Lichtenfels aus dem beliebten Kinderbuch „Seepferdchen sind aus“ vorliest, werden aus Erwachsenen wieder Kinder. Gespannt lauschen die Teilnehmenden der ansprechenden Darbietung aus der Fortbildung „Lesefreude für alle“.
Die Aktiven Bürger organisieren regelmäßig solche Veranstaltungen, um den mittlerweile über 100 Ehrenamtlichen dieser Sparte, die in Kindergärten, Grund- und Mittelschulen sowie Seniorenheimen regelmäßig vorlesen und beim Lesen begleiten, neue Anregungen und die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch zu geben.
Wie man anschaulich vorliest
Die Frauen und Männer erleben die Vorfreude der Hauptfigur Mika auf neue Spielgefährten hautnah mit: In verschiedenen Stimmlagen imitiert die Lese- und Literaturpädagogin Bianca Röber-Suchetzki die verschiedenen Rollen, ergänzt durch genau das richtige Verhältnis an Mimik und Gestik: ein verwunderter Blick, ein Schulterzucken, ein freches Grinsen.
Immer wieder geht sie dabei auch auf die Illustrationen des Buches ein und schafft so ein ganzheitliches Erleben der Geschichte. Ihr Applaus zeigt: Wenn zuhören schon so große Freude macht, dann sicherlich das eigene Vorlesen der Lesepatinnen und -paten und die Begleitung der Leselernhelferinnen und -helfer ebenso sehr.
Erstmals seit zwei Jahren war eine solche Fortbildung wieder möglich. In dieser Zeit war auch die Arbeit der Ehrenamtlichen pandemiebedingt nur eingeschränkt möglich. Dabei werden sie heute mehr gebraucht denn je: Eine Studie der TU Dortmund verweist auf die geringe Lesekompetenz der 4. Klassen nach den vergangenen coronabedingten Einschränkungen.
„Die Pandemie hinterlässt nicht nur bei den kleinen Kindern Spuren“, betont deshalb Jutta Vogel, Organisatorin der Leseförderung an Schulen bei den Aktiven Bürgern. „Das geht hin bis zu den Lehrlingen in Betrieben und Studenten an den Universitäten.“ Lesen bedeute dabei auch Teilhabe in der Gesellschaft: „Vom Mietvertrag über ein Sachbuch und das Berufsleben. Es geht um Wissen, Kreativität und Phantasie. Wie sollen sie, ohne Lesen zu können, unsere Gesellschaft positiv beeinflussen?“
Bewegende Themen für Kinder
Unter dem Stichwort „Lesefreude für alle“ stellte die Referentin daher aktuelle Kinder- und Jugendliteratur vor. Dabei erhielten auch aktuelle Themen wie Krieg, Flucht, Migration und Transgender einen Fokus. Die Lesemotivation sei eng mit der Textauswahl verknüpft. Die Bücher sollten an die Interessen des Kindes angelehnt sein, daher finden auch Fantastisches oder Gruseliges ihren Platz.
Ebenso können auch Titel mit Illustrationen oder Comicromane sowie Sachbücher hilfreich sein. Stets sei die Maxime: Herausforderung ohne Überforderung. Das gelte für Kindergartenkinder ebenso wie für Schulkinder.
Neben dem Spracherwerb bietet Vorlesen nämlich noch weitere Vorteile: Es beinhaltet Zuwendung und Gesprächsanlässe, Entspannung und Lernen. Ebenso werden die Zuhörfähigkeit und Aufmerksamkeit sowie die Empathie- und Konfliktfähigkeit geschult. Stets neue Wörter und das Kennenlernen erster Buchstaben entwickle Lust auf deren Entschlüsselung und den Schuleintritt. Wissen gebe es obendrein dazu, die Fantasie lässt das Gehörte lebendig werden.
Anschaulich stellte die Referentin auch den Weg zum eigenen Lesen der Kinder vor: Vom „Als-ob-Vorlesen“ und einem naiv-ganzheitlichen Lesen erraten Kinder erste Anfangslaute von Wörtern, die schließlich gefestigt und in ihrer Kombination gelesen werden.

Erzählschienen und Apps begleiten das Lesen
Zur Vertiefung dienen Materialien wie Erzählschienen oder Papierfiguren, mit denen die Geschichten nachgespielt oder neu entwickelt werden können. „Lesekisten“ mit konkreten, im Text angesprochenen Gegenständen gefüllt, machen die Lektüre erfahrbar.
Während der Pause und nach der Veranstaltung nutzen die Lesepatinnen und -paten sowie Leselernhelferinnen und -helfer der Aktiven Bürger die Gelegenheit, die ausgestellten Materialien der Referentin kennenzulernen. In ihrer Sammlung befanden sich auch allerlei Leselernspiele und Wimmelbücher. Nicht vernachlässigt, sondern je nach Interesse der Kinder zur Leseförderung wertvoll können auch digitale Apps sein. Bianca Röber-Suchetzki stellte im Rahmen der Fortbildung einige vor.
Mit viel Wissen und Inspirationen versorgt, endete die Veranstaltung mit einem lockeren Erfahrungsaustausch der Teilnehmenden rund um Jutta Vogel, Edith Güthlein, die die Leseförderung an Kindergärten koordiniert, und Gertraud Dorsch, die unter anderem an der Grundschule Hochstadt erfolgreich engagiert ist. „Jeder findet seinen eigenen Stil beim Vorlesen – und das ist auch gut so“, betont Josef Breunlein, Mitglied des Organisationsteams der Aktiven Bürger, mit Stolz auf so viele aktive Lesepatinnen und -paten, Leselernhelferinnen und -helfer.
Eine von ihnen ist Elvira Ludwig: Sie hat schon während ihrer Schulzeit schwächeren Kindern beim Lesen geholfen und war sich sicher: „Wenn ich im Ruhestand bin, möchte ich das wieder machen!“ Gerd Göhring dagegen ist ein „Neuling“ und fiebert seinem ersten Einsatz in einer Schule oder einem Kindergarten entgegen: „Ich bin gespannt auf die glücklichen Kinderaugen.“
Alle scheinen die gleiche Motivation zu verfolgen, wie sie einst schon Astrid Lindgren formulierte: „Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade lesen lernen.“
Die Lesepatinnen und -paten sowie Leselernhelferinnen und -helfer suchen stets neue Ehrenamtliche für ihr engagiertes Team! Weitere Informationen unter www.aktive-buerger-lichtenfels.de.
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