
Am Mittwoch erging am Amtsgericht ein Urteil gegen einen amtsbekannten Lichtenfelser. Der Kopf der hiesigen Anti-Corona-Demonstrationen wurde von Richterin Anne Berlips für schuldig befunden, zu Anfang dieses Jahres übers Internet eine Volksverhetzung begangen zu haben.
Alles begann im Januar mit einem Artikel des Obermain Tagblatts (OT), in welchem das OT Menschen zu Wort kommen ließ, welche sich distanziert-kritisch zu denjenigen äußerten, die sich in ihrem Protest gegen Corona-Maßnahmen zu gemeinsamen Spaziergängen einfanden. Ein Artikel, der nun wiederum dem Angeklagten aufstieß und zu einem Kommentar auf Facebook veranlasste.
Nicht nur, dass er in dem Artikel etwas Antidemokratisches sah, er rückte ihn auch in die Nähe der Judenverfolgung im Dritten Reich. Das maßgebliche und aufs OT gemünzte Zitat dabei: „Das sind die Hexenverbrenner und Judenmörder der 2020er.“ Eine Bemerkung, die ein Redakteur zur Anzeige brachte und die nun von der Staatsanwaltschaft als Volksverhetzung eingeschätzt wurde.
Das, was aus staatsanwaltlicher Sicht an dem Kommentar des Angeklagten, der mit „Lest euch diese Sch.... durch“ eingeleitet wurde, den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, erklärte Anklagevertreterin Regina Bronsch so: „Der Judenmord wird verharmlost, weil er in die Nähe von Spaziergängern gerückt wird.“
Ganz offenbar hatte der Beschuldigte für diese Verhandlung ein mehrseitiges Statement vorbereitet, das er zu verlesen begann und zum Inhalt eine Rechtfertigung seiner damaligen Gedanken hatte. Eine Frage, die dabei für Richterin Anne Berlips und Bronsch auftauchen mochte: Sind seine Ausführungen rhetorisches Blendwerk oder ernst gemeint? Oder andersrum: Entstammen sie einer Taktik oder einer naiv-freundlichen Grundhaltung, aus der man missverständlich eine Volksverhetzung herauslesen kann?
„Mortalität nicht höher als bei einer Grippe“
Denn was der Lichtenfelser Kopf der Querdenker-Demos vorlas, klang mitunter so: „Wie wir alle wissen, waren die Jahre '33 bis '45 die furchtbarsten.“ Auch führte der Mann aus, sich mit Edward Bernays Ansichten zur Meinungsformung befasst zu haben. „Man muss etwas nur oft genug wiederholen, dann wird es schon geglaubt“, so der Angeklagte, der über die Sinnhaftigkeit von PCR-Tests sprach und letztlich damit schloss, dass alles nur gehandhabt würde, „wegen einer Krankheit, die in ihrer Mortalität nicht höher ist als bei einer Grippe“.
Vergleich zur Meinungsfreiheit in China gezogen
Es sei ihm nicht darum gegangen, die einstigen Grausamkeiten zu verharmlosen, sondern vor einem schleichenden Prozess zu warnen, der darin münden könnte, Corona-Gegner zu neuen Opfern zu machen. Oder andersrum: „Wehret den Anfängen, und genau das war mein Ziel.“
Was an den Ausführungen des Mannes historisch und gedanklich inkorrekt blieb, war unter anderem das Faktum, dass der zum Judenmord führende Antisemitismus längst ein in Deutschland eingebettetes, jahrhundertealtes Phänomen war, wohingegen Corona und deren Leugner vorübergehendere Erscheinungen bleiben dürften.
Was den Stein, also das Verfahren, auch ins Rollen brachte, war laut einem im Zeugenstand vernommenen Coburger Kripobeamten eine weitere eigenwillige Parallele, die der amtsbekannte Mann zog. Im Hinblick auf das Obermain-Tagblatt habe er über Facebook auch von „Hexenverbrennern der 2020er“ gesprochen und einen Vergleich zur Meinungsfreiheit in China gezogen.
Schon einmal hatte der Beschuldigte sich über Facebook mindestens ungeschickt verhalten, indem er ein Bild postete, dass einen Vergleich zwischen Hitler und Angela Merkel zog und vom Gericht für unangebracht erachtet wurde.
Nach 25 Minuten Verhandlungsdauer sollte Bronsch plädieren. Den angeklagten Sachverhalt sah sie für „vollumfänglich erwiesen“ an, auch dadurch, weil der Beschuldigte selbst geständig war, auf Facebook von „Judenmördern“ gesprochen zu haben.
Nach einer halben Stunde wird das Urteil gesprochen
Somit ergab sich aus Bronschs Sicht, „dass sich der Angeklagte der Volksverhetzung schuldig gemacht hat“. Exakt 30 Minuten nach Prozessbeginn sollte Richterin Anne Berlips um 9.30 Uhr das Urteil sprechen. Sie verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 2400 Euro. Ihre Urteilsbegründung: „Ich sage Ihnen, warum hier Volksverhetzung im Raum steht: Es geht hier auch ums Verharmlosen und Gleichsetzen von Holocaust und Maske.“
Das Gericht, so Berlips, sei aber auch zu der Ansicht gekommen, dass eine „Geldstrafe ausreichend ist“, wenngleich es sich auch bei der „letzten Verurteilung (Merkel-Hitler-Vergleich) um etwas Deliktnahes handelte“. Kommentarlos und mit leichtem Kopfschütteln nahm der Mann das Urteil entgegen.
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