
Sie ereignete sich im Landkreis Kronach, war aber kurze Zeit später auch im Landkreis Lichtenfels zu spüren. Die Rede ist von der Gewässerverunreinigung der Rodach bei Erlabrück im Markt Steinweisen. Sie zieht nicht nur verheerende Folgen für das Ökosystem Fluss nach sich, sondern wirft auch viele Fragen auf: Handelte der Verursacher fahrlässig oder gar vorsätzlich? Welche Stoffe wurden in welcher Menge und Zusammensetzung freigesetzt? Und welche Auswirkungen haben diese auf die hiesige Tier- und Pflanzwelt? Antworten darauf lassen sich derzeit nur ansatzweise finden.
Wie mittlerweile bekannt wurde, handelt es sich bei der freigesetzten Flüssigkeit unter anderem um Teeröl – ein hochgiftiger und krebserregender Stoff, dessen Verwendung bereits seit 1991 weitestgehend verboten ist. Ebenfalls von offizieller Seite wird bestätigt, dass für den Vorfall der Besitzer des ortsansässigen Sägewerks verantwortlich ist. Er lagerte den Gefahrenstoff unsachgemäß in einem rostigen Tank in der Nähe des Gewässers und wollte diesen offenbar versetzen, nachdem er von örtlichen Behörden aufgefordert worden war, diesen professionell durch ein Fachunternehmen entsorgen zu lassen. Die Polizei Kronach ermittelt nun strafrechtlich wegen des Verdachts auf Gewässerverunreinigung gegen den 83-Jährigen.
Aufmerksamer Bürger wandte sich an Polizei
Dass die Polizei und Feuerwehr überhaupt auf die Katastrophe aufmerksam wurden, ist nicht etwa auf die Meldung durch den Verursacher zurückzuführen. Denn eine solche erfolgte schlichtweg nicht. Stattdessen sei einem aufmerksamen Bürger am Montagnachmittag ein übler Geruch am Fluss sowie eine Person aufgefallen, die mit ihrem Auto am Gewässer stand und dieses verdächtig beobachtet habe, wie der Pressesprecher der Polizeiinspektion Kronach, Gerhard Anders, erläutert. Anhand des Kfz-Kennzeichens konnte die Polizei den Besitzer ermitteln und letztlich feststellen, dass auf dem Gelände des Sägewerks bei Erlabrück eine offenbar giftige Flüssigkeit in die Rodach gelangt war.
Fatal erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Schadensverursacher keine Aussage darüber treffen konnte oder wollte, was in dem ausgelaufenen Tank überhaupt enthalten war. So richteten die örtlichen Feuerwehren aus Wallenfels, Zeyern, Marktrodach und Kronach zwar mehrere Ölsperren als Sofortmaßnahmen ein, doch diese konnten nicht viel gegen Chemikalien-Mix ausrichten, dessen Zusammensetzung den beteiligten Rettungsorganisationen zu jenem Zeitpunkt unbekannt war. Die giftige Mischung verbreitete sich somit zügig flussabwärts und war bereits einen Tag später auch im Landkreis Lichtenfels präsent.
Auswirkungen auch im Landkreis Lichtenfels sichtbar
Die deutlichen Zeichen der Kontamination ließen nicht lange auf sich warten: Rund 23 Flusskilometer südlich von der Unglücksstelle, genauer gesagt in Unterlangenstadt, machte sich das ölige Gemisch am Dienstagnachmittag bemerkbar, wie Thomas Leimeister, Vorsitzender des ortsansässigen Angelsportvereins berichtet: „Es lag ein beißender Gestank in der Luft, der teilweise so extrem war, dass meine Tochter ihr Asthmaspray gebraucht hat. Ich habe sogar noch Schwimmer aus der Badestelle an der Rodach gelotst und dabei selbst Kopfschmerzen vom Geruch bekommen. Auch Hunde wurden von ihren Besitzern noch im Fluss baden gelassen und ich nehme an, dass ein Großteil der hiesigen Bevölkerung nicht über die aktuellen Ereignisse informiert war.“
Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch Zeugen im Landkreis Kronach. Marcel Zottmann und Jürgen Jakob haben die verheerenden Ereignisse jeweils in Zeyern und Hummendorf hautnah miterlebt. Beide berichten, dass „ein unvorstellbarer, beißender Geruch wie frisch gestrichener Gartenzaun“ in der Luft lag und Fischkadaver im Wasser sichtbar waren. Marcel Zottmann, der selbst Angler ist, befürchtet einen Totalschaden für die Fischereivereine: „Es ist eine Naturkatastrophe, die sich noch sehr lange verheerend auf die Gewässerqualität und Artenvielfalt auswirken wird.“

Dem pflichtet Thomas Leimeister vom Anglerverein Unterlangenstadt bei und erläutert dabei das eigentliche Problem: „Da das Teeröl schwerer ist als Wasser setzt es sich am Gewässergrund ab, wird aber zum Beispiel bei Regenereignissen hochgewirbelt und es kommt immer wieder zu Vergiftungswellen. Selbst jetzt, über eine Woche nach dem Schadensfall ist dort, wo an der Rodach Wasserverwirblungen sind, immer noch der chemische Geruch bemerkbar.“
Verunreinigung ist kein Kavaliersdelikt
Von den Auswirkungen der Umweltkatastrophe ebenfalls betroffen ist auch die Mainfischereigemeinschaft Lichtenfels, wie Geschäftsführer Dr. Oliver Freiburg bestätigt: „Wir haben derzeit zwar noch keine detaillierten Informationen, wurden aber vergangene Woche vom Landratsamt entsprechend gewarnt und haben deshalb seit Donnerstag keine Angelscheine mehr ausgegeben. Aktuell empfehlen wir, auf das Angeln zu verzichten.“
Als Rechtsanwalt kennt er zudem die juristischen Begleitumstände eines solchen Schadensereignisses nur zu gut: „Unabhängig davon, was die Ermittlungen ergeben, ist es an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass Gewässerverunreinigung kein Kavaliersdelikt ist, sondern im Falle von Vorsatz mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden kann. Auch die fahrlässige Verunreinigung ist nach §23 StGB strafbar.“ Es mache ihn traurig und fassungslos, dass so etwas immer wieder passiert. „Die Vorfälle sollten von allen Beteiligten insbesondere den Behörden sehr ernst genommen werden“, so Dr. Oliver Freiburg, und fügt ergänzend hinzu: „Wir dürften nicht vergessen, dass nicht nur die Natur zugrunde geht, sondern auch unsere Grundwasserversorgung damit zusammenhängt. Eine solche Umweltkatastrophe muss umfassend aufgearbeitet werden“.
Der Aufklärungsbedarf ist groß
Aufzuarbeiten gibt es in der Tat noch sehr viel, insbesondere von Seiten des Wasserwirtschaftsamts und des Landratsamtes Kronach. Wer mit Betroffenen spricht oder den Dialog in den sozialen Medien verfolgt, merkt schnell, dass sich die Bevölkerung nicht zügig und ausreichend genug informiert gefühlt hat. Unverständnis herrscht auch darüber, warum der Inhalt des rostigen Behältnisses auf dem Sägewerk nicht unmittelbar von den Behörden untersucht oder gar beschlagnahmt worden ist. Das alles sind Aspekte, die es in den kommenden Tagen und Wochen zu klären gilt.

Was zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits feststeht, ist die Tatsache, dass die Rodach über weite Strecken kontaminiert ist. Dies hat zu einem Artensterben geführt, welches sich nicht nur auf die Fische und Krebse, sondern auch auf die dort lebenden Fischotter, Biber, Fischreiher und Kormorane auswirkt. Ebenso klar ist, dass nur durch das Hinsehen und Agieren aufmerksamer Bürger überhaupt Alarm ausgelöst und gehandelt wurde. Jetzt heißt es zunächst auf die noch ausstehenden, detaillierten Laborergebnisse zu warten und die richtigen Entscheidungen hinsichtlich Schadensbekämpfung, Gewässersanierung und Prävention zu treffen. Letzteres dürfte auch die Frage miteinschließen, wie sich die Meldekette bei derartigen Ereignissen noch optimieren lässt.
Schlagworte