
13 Seiten Verbote, eine Beschränkung der persönlichen Freiheit, die Quelle für Hohn und Spott! Oder gleiche Vorgaben für alle Bauwilligen, Regeln zur Unterstützung von Klima- und Hochwasserschutz sowie Rechtsklarheit. Die neue Gestaltungssatzung der Stadt Lichtenfels sorgte in der Stadtratssitzung am Montagabend in der Stadthalle für eine leidenschaftliche Diskussion. Letztlich votierte das Gremium mit 17 zu zehn Stimmen für das Regelwerk, das die Satzung aus dem Jahr 1995 ablöst.
Um was geht es in dieser Satzung, die die „baukulturellen Leistungen der Vergangenheit“ sichern und die „architektonische Qualität“ fördern soll, genau? In der Präambel heißt es, dass sie die fränkische Kulturlandschaft bewahren und den Gottesgarten schützen solle. „Dabei stehen insbesondere die Aspekte der Nachhaltigkeit, der regionalen Baukultur, des Klimawandels (z.B. Stauhitze, Sturzfluten, Resilienz), der Freiflächengestaltung und Erhaltung des Ortsbildes im Vordergrund.“ Grundsätzlich solle das Ortsbild bei Neubauten berücksichtigt werden, sie „dürfen denkmal- und landschaftspflegerischen Gesichtspunkten, sowie dem Hochwasserschutz nicht entgegenstehen“.
Kritik am Regelwerk, in dem Kies-Schottergärten mit mehr als fünf Quadratmetern Gesamtfläche nicht erlaubt sind oder heimische Pflanzen „empfohlen“ werden, gab es von Robert Gack (CSU). Ihm werde zu vieles zu kleinlich geregelt, und er verstehe den Bauausschuss nicht, dass dieser in seiner jüngsten Sitzung für den Erlass votiert habe.
Ähnlich sah es Johannes Oppel (WLJ), der das Regelwerk im Bauausschuss als einziger abgelehnt hatte. „Je mehr wir den Leuten im Detail etwas vorschreiben, desto stärker beschränken wir sie in ihrer Freiheit.“ Sein Fraktionssprecher Roland Lowig befürchtete gar, dass die Gestaltungssatzung keinen Frieden bringen werde, sondern „Hohn und Spott für diejenigen, die diese Satzung auf den Weg gebracht haben“. Der Islinger kritisierte, dass vor allem die Bürgerinnen und Bürger aus den Ortsteilen benachteiligt würden. „Ich würde außerdem gerne einmal wissen, wer diese Satzung ausgearbeitet hat!“, schloss Lowig seine Kritik.
„Jeder Bürger hätte mitarbeiten können“
„Da haben sehr viele daran mitgearbeitet, und es hätte auch jeder Bürger daran mitarbeiten können“, antwortete Stadtbaumeister Gerhard Pülz, der vehement für den Beschluss des Regelwerks argumentierte. Die Satzung sei im Rahmen der Vision 2030 in den vergangenen eineinhalb Jahren entstanden, bisher fehle nämlich für das Stadtgebiet eine einheitliche Regelung. Zwar gebe es etwa 90 Bebauungspläne, doch diese würden für nur rund 30 Prozent der Fläche gelten. Im Übrigen würden in vielen Bebauungsplänen – „beispielsweise im Islinger Neubaugebiet“ – härtere Regeln gelten als in den zur Abstimmung stehenden 13 Seiten. Pülz: „Diese bilden lediglich den kleinsten gemeinsamen Nenner aller bisherigen Bebauungspläne.“ Letztere sollten im Übrigen sukzessive durch die neue Satzung ersetzt werden.

Der Stadtbaumeister weiter: „In den vergangenen drei Jahren sind im Stadtgebiet Steingärten mit einer Fläche von einem Hektar entstanden – wollen wir das? Oder der Nachbar setzt seine neue Wärmepumpe direkt an die Grundstücksgrenze und damit vor das eigene Schlafzimmerfenster. Das ist bis jetzt in 70 Prozent der Stadt erlaubt. Die neue Satzung verbietet das.“
Lowig und Oppel konnte er nicht überzeugen. Auch Philipp Molendo (Junge Bürger) blieb skeptisch: „Prinzipiell sage ich ja zur Satzung. Die Art, wie sie beschlossen werden soll, geht aber nicht. Man muss den Bürgern erklären, was man tut, beispielsweise bei einer Bürgerversammlung.“ Ebenfalls kritisch äußerten sich Mathias Söllner (Grüne) und Dr. Christopher Bogdahn (FW).

Dagegen hielt Philip Bogdahn (SPD) ein flammendes Plädoyer für die Satzung: „Ich finde es wenig positiv, dass ein öffentlicher Prozess so dargestellt wird, als ob er hinter verschlossenen Türen stattgefunden hat.“ Jeder habe sich beteiligen können. Und weiter: „Was würde Roland Lowig sagen, wenn im Ortszentrum von Isling ein blaues Haus gebaut würde?“ Dies sei ohne Satzung nämlich möglich. Im Übrigen erlaube die Satzung einen Gestaltungsspielraum, der Ausnahmen ermögliche.
Diesen Punkt hob auch Frank Rubner (CSU) hervor und verwies auf einen Paragrafen, nach welchem der Bauausschuss sich mit Änderungswünschen beschäftigen könne. Dass manche Stadträte überrascht seien, verstehe er nicht: „Die Satzung geistert seit Mitte Juli im Rathausinformationssystem herum, die sollte jeder Stadtrat kennen.“
„Mit Freiwilligkeit kommen wir nicht weiter“
Dr. Susann Freiburg (Grüne) brachte folgenden Aspekt ein: „Sicherlich ist sie ein Eingriff in das Eigentum, aber es heißt im Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet. Wir brauchen eine Richtschnur, denn mit Freiwilligkeit kommen wir nicht weiter.“ Den gleichen Punkt hob Dr. Arnt-Uwe Schille (SPD) hervor, und Uwe Held (CSU) sah in der Satzung ein wichtiges Instrument gegen Nachbarschaftsstreit.
Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) sagte, dass die Satzung Leitplanken beim Bauen setze, aber Ausnahmen erlaube.
Aus dem Stadtrat
• Die Stadträtinnen und -räte votierten für die Anschaffung eines Gerätewagens I für die Freiwillige Feuerwehr Wallenstadt. Das neue Fahrzeug soll den Mannschaftstransportwagen (Baujahr: 1991) ab dem kommenden Jahr ersetzen. Die Kosten liegen bei etwa 173 000 Euro, davon gibt es zirka 33 000 Euro als Zuschuss. Des Weiteren soll das Löschgruppenfahrzeug der Wallenstadter Feuerwehr aus dem Jahr 1989 in den Jahren 2025/26 durch ein Tragkraftspritzenfahrzeug ersetzt werden, heißt es in dem Beschluss weiter.
• Nicht an der Sitzung teilnehmen wollte Heike Kunzelmann von der AfD. Sie hatte sich geweigert, der vom Stadtrat beschlossenen 3G-Regel nachzukommen und lehnte einen möglichen Corona-Schnelltest ab. Bürgermeister Andreas Hügerich verwehrte ihr darauf den Zutritt in die Stadthalle.
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