
Was für ein Paukenschlag für den Industriestandort Lichtenfels: Der 3D-Druck-Pionier GE Additive Concept Laser, der derzeit im Seubelsdorfer Gewergebiet seinen 3D-Campus und damit den neuen Stammsitz errichtet, wird gut ein Fünftel seiner Mitarbeiter entlassen. Wie ein Unternehmenssprecher dieser Redaktion bestätigte, erhalten gut 90 von den 420 Angestellten die Kündigung.
„Angesichts der beispiellosen Auswirkungen von Covid-19 auf die Fertigungsindustrie, insbesondere auf die kommerzielle Luftfahrtindustrie, unternehmen wir Schritte, um unser Geschäft zu rationalisieren und die langfristige Stärke von GE Additive sicherzustellen“, heißt es auf Nachfrage des Obermain-Tagblatts.
Unternehmensleitung: müssen unsere Reaktionsfähigkeit bewahren
„Wir schätzen das Engagement aller unserer Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit und bedauern, dass wir diese Maßnahmen ergreifen müssen. Wir konzentrieren uns weiterhin darauf, unseren Kunden zu dienen und unsere Reaktionsfähigkeit zu bewahren, wenn sich die Branche erholt.“ Und: „Die Entscheidungen, die wir hier treffen mussten, sind uns allen sehr schwergefallen.“
So hatte am 10. November eine Betriebsversammlung stattgefunden, bei der die Mitarbeiter informiert wurden. Ihnen wurde Stillschweigen auferlegt. Dennoch heißt es aus gut informierten Kreisen: Bei dieser Mitarbeiterinformation sei noch von bis zu 110 Mitarbeitern die Rede gewesen, die GE Additive Concept Laser verlassen müssen.
„Wir haben allen betroffenen Personen angeboten, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Diese wurde vorab gemeinsam mit dem Betriebsrat ausgewählt“, erläutert die Unternehmensleitung. „Ziel ist, den Mitarbeitern möglichst gut zu helfen, zeitnah eine neue Beschäftigung zu finden.

Aus Gewerkschaftskreisen heißt es, dass GE Additive Concept Laser gar keinen regulären Betriebsrat habe. „Im November 2019 gab es Bestrebungen, einen zu gründen, doch baute das Unternehmen dann Druck auf die Mitarbeiter auf. Diese haben nun furchtbare Angst, einen Betriebsrat zu gründen“, sagt ein Gewerkschaftler (Name der Redaktion bekannt.
Gewerkschaft rät: besser nicht in die Transfergesellschaft wechseln
So habe die Firma weiterhin nur Betriebssprecher, was aber faktisch nicht das gleiche sei. Zuständig für GE Additive Concept Laser ist die IG Metall, auch wenn die Firma, die Teil des weltweiten Kozernkomplexes General Electric ist, nicht als Industriebetrieb, sondern – wie auch bei Hofmann Werkzeugbau – bei der Handwerkskammer als Metall verarbeitendes Handwerksunternehmen geführt wird. „Für die Mitarbeiter hat das unmittelbare Auswirkungen: Sie verdienen durchschnittlich sechs Euro weniger pro Stunde, als sie es in einem Industriebetrieb würden“, so der Gewerkschaftler.
Mutterkonzern GE Aviation fordert, 25 Prozent der Arbeiter zu entlassen
Rechtsexperten von Gewerkschaften raten ab, in die Transfergesdegesellschaft zu wechseln. „Besser nicht den Auflösungsvertrag unterschreiben, denn sonst landet man über die Transfergesellschaft schnell in Zeitarbeit oder Leiharbeit – und gehört dann sprichwörtlich der Katz'.“ Sinnvoller sei es, sich kündigen zu lassen und die Höhe der Abfindung dann über ein Arbeitsgericht zu erstreiten. Die Kosten für solche Verfahren trage die Gewerkschaft für ihre Mitglieder. Voraussetzung sei, dass man bereits drei Monate in der Gewerkschaft ist.
Der US-Konzern General Electric besteht aus einem nicht ganz so leicht zu durchschauendem Geflecht an Sparten. Die additive Fertigung – 3D-Metalldruck – ist Teil der GE Aviation, also des Bereichs Flugzeugbau. Und eben jener Mutterkonzern mit Sitz in Evendale, Ohio, hatte am 4. November in einer Presseverlautbarung Entlassungen aufgrund tiefer Umsatzeinschnitte in der kommerziellen Luftfahrt und bei den Flugzeugherstellern aufgrund der Pandemie angekündigt. 25 Prozent der Mitarbeiter, so die vorgegebene Marschroute, hätten ihren Arbeitsplatz zu räumen.
In Lichtenfels werden es nun vermutlich leicht weniger: Es sind, bleibt es bei den vorliegenden Zahlen, 21,5 Prozent. Dazu heißt es von GE Additive Concept Laser: „Die Auswirkungen von Covid-19 auf unsere Märkte sind je nach Standort unterschiedlich.“
Mittlerweile machen in Fachkreisen Gerüchte die Runde, dass GE das Vertrauen in die additive Fertigung verlieren könnte, da sowohl das schwedische Arcam als auch Concept Laser nicht so gewinnbringend seien wie gedacht. Die Unternehmensleitung des Lichtenfelser 3D-Metalldruck-Pioniers jedoch widerspricht: „Additive Fertigung bleibt ein attraktives Wertversprechen und ein wichtiger Teil der GE-Technologie. GE investiert weiterhin und managt das Unternehmen aktiv im Einklang mit den Investitionstrends auf dem Endmarkt.“
DGB-Kreisvorsitzender Heinz Gärtner schreibt Brief an den Bürgermeister
Dennoch: Die Gewerkschaftsfunktionäre der Region sind alarmiert und fordern in Briefen Bürgermeister und andere (Lokal-)Politiker zum Handeln auf. „Es muss ein Runder Tisch stattfinden damit die Kahl-Schlag Politik des US-Konzerns bei Concept Laser in Lichtenfels abgewendet kann und die Beschäftigten in Lohn und Brot so weiter bleiben können“, fordert beispielsweise DGB-Kreisvorsitzender Heinz Gärtner in einem Schreiben an Lichtenfels' Bürgermeister Andreas Hügerich.
„Um diesen Schaden von unserem Landkreis und der Stadt Lichtenfels abzuwenden, sollten die Repräsentanten tätig werden.“ Also die Politiker. Gärtner schlägt Kurzarbeit und „Arbeit von morgen“ vor, ein Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung. das seit 1. Oktober 2020 in Kraft ist.
Bürgermeister Hügerich wurde übrigens vom Standortleiter von GE Additive, Martin Hofmann, über den Stellenabbau informiert. „An unserer Region und vor allem an unserer Stadt Lichtenfels wird der Stellenabbau sicherlich nicht spurlos vorüber gehen.“ Jeder verlorene Arbeitsplatz sei einer zu viel.
GE Additive Concept Laser
* Concept Laser wurde 2000 von Kerstin und Frank Herzog gegründet. Die Firma gilt als Pionier des pulverbettbasierten Laserschmelzen von Metallen (Lasercusing).
* Concept Laser bedient mit seinen Produkten Firmen in den Bereichen Automotive, Luftfahrt und Medizin.
* Im Dezember 2016 verkaufte das Gründer-Ehepaar 75 Prozent seiner Firma an den internationalen Konzern General Electric beziehungsweise dessen Sparte GE Additive. Der strategische Partner mit 300 000 Mitarbeitern weltweit wurde laut Unternehmensleitung ganz bewusst gewählt, um gegen die Konkurrenz auf dem US-Markt und in Asien nicht alleine bestehen können.
* Im Juli 2019 begann GE Additive Concept Laser mit dem Umzug der Produktion von Schney nach Seubelsdorf. Damals boomte der 3D-Metalldruck noch.
* Im Juli 2019 gaben Jason Oliver, Hauptgeschäftsführer (CEO) von GE Additive, und Frank Herzog im OT-Exklusivgespräch bekannt, dass die Herzogs keine Mitarbeiter von GE mehr sind.
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