LICHTENFELS

Eine traurige Geshichte vor dem Amtsgericht Lichtenfels

Vor Gericht: Lichtenfelser bedrohte und beleidigte Passanten

Es passiert nicht oft in einer Schöffensitzung, dass das Gericht eine Ratlosigkeit bezüglich des weiteren Umgangs mit einem Angeklagten erkennen lässt. In der jüngsten Jugendschöffensitzung war dem so. „Sie sind einer der wenigen Jugendlichen, die einen ratlos zurücklassen“, bescheinigte auch Richter Matthias Huber dem 20-jährigen Angeklagten. Der sollte letztlich mit einer Haftstrafe zur Bewährung bedacht werden: ein Jahr und neun Monate.

Das Verfahren gründete sehr wohl auch auf so etwas wie einer Humorigkeit. Denn im Grunde benahm sich der Angeklagte an jenem 28. Oktober des vergangenen Jahres durchaus vorbildlich, doch gerade das erregte Verdacht bei einer Polizeistreife. Weil er Haschisch geraucht hatte, schob der arbeitslose Twen unweit des Michelauer Sportplatzes sein Moped und da fragte sich gegen 21.52 Uhr eine herannahende Polizeistreife, warum ein Mensch lieber schiebt als fährt.

5,12 Gramm Haschisch dabei

Es erfolgte eine Kontrolle und wie sich herausstellen sollte, war der Schieber nicht nur benebelt, er führte auch 5,12 Gramm Haschisch mit sich. Das allein hätte das Gerichtsverfahren nicht so umfangreich gemacht, doch der junge Mann hatte ein Vorleben und stand schon unter offener Bewährung. Ein Jahr und sechs Monate Haft ergingen gegen ihn unter anderm auch darum, weil er in der Erziehungseinrichtung, in welcher er einst untergebracht war, mit Kumpels einen gemeinschaftlichen Diebstahl beging. Drei Tresore wurden dabei mitgenommen.

Überhaupt sprach sein auf ein halbes Dutzend angewachsenes Vorstrafenregister hauptsächlich von Diebstählen, von Diebstahl in besonders schwerem Fall und eben auch von jenem Wohnungseinbruchsdiebstahl. Doch auch bei der Aufklärung des Falles sollte sich der junge Mann unkooperativ zeigen und ein Gutachten benennt bei ihm ganz klar „schädliche Neigungen“. „Eine Prognose, wonach bei Ihnen nichts mehr passieren wird, erfüllen Sie nicht“, bemerkte Richter Huber gegenüber dem Angeklagten, der neben Verteidiger Peter Christ saß und zumeist mit gesenktem Haupt auf den Tisch vor sich blickte.

Ein Bericht der Jugendgerichtshilfe sollte dem Gericht Wesensaspekte des Angeklagten aufzeigen. Einen Kontakt zum Vater gibt es nicht, das Verhältnis zur Mutter wurde als schwierig beschrieben, so sei er von ihr auch nicht wirklich gewollt gewesen und es habe auch schon in den ersten Lebensjahren eine von Amts wegen erkannte Kindeswohlgefährdung vorgelegen. Schon mit vier Jahren wurde er intensivpädagogisch behandelt und mit 15 sollte ADHS festgestellt werden. Außerdem auch eine Nähe zu Alkohol. Medikamentös eingestellt sei der junge Mann auch gewesen, doch habe er seine Medikamente nicht genommen. Schulden bestehen keine.

50 Arbeitsstunden stehen aus

„Betreuungsangebote gibt es ja keine mehr“, stellte Huber an dieser Stelle fest und Staatsanwältin Melanie Edler erkundigte sich danach, wie viele von den ihm einst auferlegten 200 Arbeitsstunden der 20-Jährige schon abgeleistet habe. Die Antwort: 150. Obwohl er Zeit genug hatte, wurden die restlichen 50 Stunden noch nicht bewältigt. Und wieder kam etwas Erschwerendes hinzu, denn offenbar hat er auch an den ihm angeratenen Bewährungsmodulen nicht teilgenommen. „Ich kann mir derzeit nicht so richtig vorstellen, wie man Ihnen helfen soll“, erklärte Huber abermals. Doch die Formulierung zeigte auch, dass es ihm eher um Hilfe als um Strafe getan war, stellte er doch auch klar, dass in einer Haftanstalt der willenlos wirkende Jugendliche erst recht an keinem gut prägenden Ort wäre. Hubers Bedenken wurden von Edler geteilt, doch sie erhob sehr wohl den Vorwurf an den Angeklagten, wonach dieser „überhaupt nicht in die Gänge“ komme. Auf jeden Fall stünde er mental einem Jugendlichen näher als einem Erwachsenen, weshalb Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen sollte.

Edler plädierte dafür, das gegen den jungen Mann ergangene Urteil um drei Monate auf ein Jahr und neun Monate aufzustocken. Zudem konfrontierte sie ihn damit, dass ihm im Falle weiterer Unzugänglichkeit auch im Gefängnis die Möglichkeit gegen wäre, einen Schulabschluss nachzuholen. Und sie hatte eine Frage an den ihr gegenübersitzenden jungen Mann: „Interessiert es Sie überhaupt, was mit Ihnen wird?“ Der bejahte, aber es wirkte unbeholfen. Nach einigen Minuten der Beratung, sollte das Urteil fallen: Ein Jahr und neun Monate zur Bewährung. Jedoch machte das Gericht gegenüber dem Urteilsempfänger auch klar, dass jetzt andere Seiten aufgezogen würden.

So bleibt nicht nur ein Fahrverbot aufrecht bestehen, es wird auch eine dreijährige Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer verpflichtend. So lange wird auch die Bewährungszeit dauern. Zudem fallen 200 gemeinnützige Arbeitsstunden an, die binnen zehn Monaten abzuleisten sind. Und für die Dauer von sechs Monaten wird ein Kurs zur Persönlichkeitsentwicklung notwendig, überdies auch der Kontakt zur Suchtberatung. Doch all das wurde durchaus im Zweifel für den Angeklagten entschieden, denn „die Überzeugung, dass er sein Leben ändern wird, liegt beim Gericht nicht wirklich vor“, so Huber. Deshalb würde der Verurteilte „beim nächsten Fehlverhalten in Ebrach (Justizvollzugsanstalt) unter kontrollierten Bedingungen sein Leben in den Griff kriegen“.

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