LICHTENFELS

Die Stadthalle wird zur Schatzinsel

Der Sänger schmettert, die Handlung nimmt Fahrt auf und die Spannung steigt. Das Publikum spendete am Ende viel Applaus. Foto: Markus Häggberg

Die Stadtbücherei feierte 70. Geburtstag, und die Feier war ein Fest. Für die Augen und die Ohren. Und diese gehörten zumeist den kleinen Lesern, die mit ihren Eltern auf eine gute Stunde und eine Piratengeschichte in die Stadthalle gekommen waren. Erfassung eines liebenswerten Festprogramms.

Der Sonntag ist Piraten offenbar nicht heilig. Erst recht nicht denen aus der wohl berühmtesten Piratengeschichte aller Zeiten: „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson. Sie wurde als Mini-Musical auf die Bühne gebracht, und 130 Besucher erfreuten sich an etwas, das fesselnd und bunt war, und irgendwie Lust aufs Lesen machte.

Zwölf Mann Besatzung der „Maapiraten“ aus Reundorf, ihr Schiff „Hispaniola“, ein stimmbegabter Schauspieler und zwei echte Musical-Darsteller waren vor Ort, um die Geburtstagsfeier steigen zu lassen. Friedrich Rau und seine Tochter Leni schlüpften in die Rollen zwischen Captain Smollet, Ben Gunn und Jim Hawkins. Doch wie kam es überhaupt dazu?

Sina Gärtner ist Fachangestellte für Medien und Infodienste in Lichtenfels. „Ich liebe Musicals und war auch schon in einigen“, sagt die Mitarbeiterin der Stadt. 2019 stieß sie während eines Besuchs in Fulda auf das Musical von der Schatzinsel. Und zu dem Jahr 2018 hatte sie auch eine Erinnerung, und die führte sie zur Musiklesung in der Stadtbücherei, ausgestaltet vom Schauspieler Stephan Bach.

Die „Maapriraten“ sorgen für die Kulisse

„Warum nicht beides kombinieren?“, fragte sich die junge Frau, trug die Idee der Leiterin der Stadtbücherei, Christine Wittenbauer, vor, und erhielt grünes Licht. Also trat sie auch an die „Maapiraten“ heran, und die stellte für dieses Ereignis eine Abordnung grimmiger Piraten, Fässer, Kisten mit Golddublonen, Seesäcke und was man so für Piratenräuberhöhlen braucht.

Die Maapiraten sind mehr als nur Staffage: sie sind beste Kulisse, glaubwürdige Requisite und vermittelten Piratenflair. Foto: Markus Häggberg

Vor allem aber fuhren sie ihr Schiff, das von Faschingsumzügen bekannt ist und an welchem ein Skelett am Ruder steht, in die Stadthalle rein. Es sollte Requisite und Bühne zugleich sein.

„Piraten mögen fast alle, vor allem Kinder“, erklärt Gärtner, und da dürfte sie richtig liegen. Mit großen Augen verfolgten sie das berühmte und schon vielfach verfilmte Abenteuer von Jim Hawkins. Dass gerade diese Geschichte für die 70-Jahr-Feier ausgesucht wurde, hat schon fast Symbolcharakter. Denn in dem, was die Stadtbücherei anbietet, im Lesestoff also, liegt auch ein Schatz. Übers Lesen erschließt man sich das Gemüt und die Welt.

Stephan Bach hat eine tiefe Stimme. Sie kann grollen, sie kann piratenhaft lachen, sie kann Spannung aufbauen. Als Erzähler aus dem Piratenmillieu trat der Schauspieler auf die Bühne. Dort war er bald nicht allein, denn mit Friedrich Rau hatte er einen Musical-Darsteller zur Seite, der genau wie seine kleine Tochter Leni live sang und die Zuhörer in die Welt des Segelsetzens, des Aufbruchs und der Fantasie mitnahm.

Extra aus Fulda nach Lichtenfels gekommen

Raus reisten eigens aus Fulda an, und gerade Leni fand es wunderbar, dass sie „auf der Bühne singen konnte“, obwohl sie diese Rolle des Jim Hawkins noch nie spielte. Und Papa Friedrich erinnerte sich nach der Aufführung daran, wie ungezwungen und unkompliziert die Kontaktaufnahme durch Sina Gärtner verlief. „Sina hat mich kontaktiert, ich habe in den Kalender geguckt und gesehen, dass ich heute Zeit habe“.

Wenn Pirat Stephan Bach liest, können die Wände erzittern. Die Kinder mochten seine sonore Erzählerstimme. Foto: Markus Häggberg

Von Kindern als Publikum hält Friedrich Rau besonders viel, hält er sie doch für besonders ehrliche Kritiker. Zu diesen gehörte mit Josephine Neufeld auch eine neunjährige Lichtenfelserin. Nicht irgendeine, sondern eine zudem noch ungemein fleißige Leserin und Kundin der Stadtbücherei.

Vorfreude auf die neue Stadtbücherei

„Ich gehe dreimal in der Woche hin, ich finde es cool da, da kann ich in den Welten versinken“, sagt sie. Sie spricht ungewöhnlich gepflegtes Deutsch, eine erlesenes gewissermaßen. 20 Bücher im Monat verschlingt sie, und was ihr alles gefallen hat, konnte sie nach der Aufführung aufzählen: „Das Schiff, die Bühne, der Mann (Rau) hat gut gesungen, und der Mann, der gelesen hat (Bach), hat so gelesen, dass man sich mit reinziehen lässt.“ Josephine freut sich auf die baldige neue Stadtbücherei. Sie hat gehört, dass dann dort „noch viel mehr Bücher reinpassen“.

 

Schlagworte