LICHTENFELS

Die Nachbarschaft der Konfessionen war lange keine gute

Die Nachbarschaft der Konfessionen war lange keine gute
Zeichnung einer Wallfahrt nach Vierzehnheiligen (1844). Foto: Gerald Raab/Staatsbibliothek Bamberg

Im Rahmen eines Online-Vortrages des Geschichtsvereins CHW, zu dem sich rund 150 Besucher zuschalteten, referierte Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold über 500 Jahre konfessionelle Nachbarschaft am Obermain. Es ist eine Region, die seit dem 16. Jahrhundert durch ein dichtes Nebeneinander von Katholiken und Lutheranern geprägt war.

Gleich zu Anfang verwies Prof. Dippold auf Luthers Kirchenlied „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ aus dem Jahr 1543 und hob die programmatische Bedeutung des Ausdrucks „Wort“ beziehungsweise „Wort Gottes“ als Schlüsselbegriff der Reformationszeit hervor. Spürbar wurde die proreformatorische, antikatholische Stimmung bald auch am Obermain durch verschiedene Aktionen. Ausgesprochen wurde in vielen Orten der Wunsch nach einer Predigt gemäß der neuen Lehre, eine Verkündigung der Heiligen Schrift und nicht der Traditionen.

Nach dem Markgräflerkrieg gewinnt Protestantismus an großer Bedeutung

Anders allerdings als in Coburg, wo die Obrigkeit schon 1524 offen Sympathie für die Neuerungen zeigte, standen die der neuen Lehre zugewandten Menschen am oberen Main einer katholischen Herrschaft gegenüber, dem Fürstbischof von Bamberg. Dieser ging gegen die Anhänger Luthers nur dann vor, wenn sich etwa ein Geistlicher offen zur neuen Lehre bekannte.

Große Bedeutung erlangte der Protestantismus aber erst nach dem Markgräflerkrieg, stellte Professor Dippold heraus. Ab 1552 forderte der Markgraf Albrecht Alcibiades die Geistlichen in den eroberten Gebieten auf, sich zum evangelischen Glauben zu bekennen. In manchen Orten amtierte der evangelische Pfarrer nur wenige Monate, um dann seinerseits vertrieben zu werden.

Evangelische Geistliche in Isling, Marktzeuln, Kirchlein, Döringstadt

Doch in etlichen Dörfern wurden seit jener Zeit über Jahrzehnte hinweg evangelische Geistliche von Bamberg toleriert, wie in Isling, Altenkunstadt, Kirchlein, Modschiedel, Marktzeuln, Marktgraitz, Altenbanz und Döringstadt. Auch die Ritterschaft wagte in den 1550-er-Jahren einen offenen Bruch mit dem Bischof in Glaubenssachen, und so bekamen Obristfeld und Strössendorf 1561 einen evangelischen Pfarrer.

Der Protestantismus dominierte das Land am Obermain in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ungeachtet des katholischen Landesherrn. So wirkten auf langheimischen Pfarreien evangelische Geistliche, hatten die Klöster Banz und Langheim, der Bamberger Bischof und der Banzer Abt zahlreiche evangelische Beamte im Dienst. Die überwiegende Mehrzahl der Untertanen am Obermain war evangelisch, selbst dort, wo durchgängig katholische Pfarrer wirkten wie in den Städten.

Es herrschte eine vergiftete Atmosphäre

Viele evangelische Christen am Obermain sahen sich seit den 1590-er-Jahren vor die Wahl gestellt , ihren angestammten evangelischen Glauben zu verlassen oder fortzuziehen. Die katholische Obrigkeit war nun fest entschlossen, eine einheitliche Untertanenschaft mit der Konfession des Landesherrn zu schaffen. Viele Menschen nahmen den katholischen Glauben an, um bleiben zu dürfen.

So herrschte durchaus eine vergiftete Atmosphäre und die Konfessionen unterschieden sich mehr denn je, so Dippold hervor. Das Konzil von Trient 1545 hatte die konfessionellen Gegensätze noch verdeutlicht, indem es das Profil der katholischen Kirche schärfte. Heiligenkult, insbesondere eine intensive Marienverehrung, wurde propagiert, dazu Wallfahrten, das Zölibat der Priester, die Verweigerung des Laienkelchs, das Kreuzzeichen, das Fasten, die Fronleichnamsprozession, kurz, das Trennende wurde betont. Die evangelischen Kirchen lehnten dergleichen ab.

Die Nachbarschaft der Konfessionen war lange keine gute
Bild einer Wallfahrt bei Gößweinstein (1845) Foto: Archiv Dippold

Die evangelischen Pfarrer in Schney, Strössendorf und Oberbrunn verjagt

„Mit der Einigkeit war es vorbei. Nunmehr verlief eine klare Grenze zwischen katholischen, bambergischen und den evangelischen, ritterschaftlichen oder coburgischen Orten“, unterstrich der Bezirksheimatpfleger. Ab 1629 trug der geistliche Landesherr, trugen die Fürstbischöfe von Würzburg und Bamberg mit kaiserlicher Genehmigung die Gegenreformation in die adeligen Orte hinein. Sie verjagten die evangelischen Pfarrer von Schney, Strössendorf, Oberbrunn, Herreth sowie Lahm und stellten nun auch die reichsritterlichen Hintersassen vor die Wahl Fortziehen oder Katholisch-Werden.

Von Frühjahr 1632 an war auch Franken mit der Obermainregion Schauplatz des Dreißigjährigen Krieges. Alle Einwohner litten darunter. Bei den Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück wurde der Konfessionsstreit als eine wesentliche Kriegsursache ausgemacht und so schrieb der Westfälische Frieden die konfessionellen Grenzen auf dem Stand vom 1. Januar 1624 fest. Infolge dieser Regelung entstanden nun die evangelischen Pfarreien wieder. Lediglich Mainroth und Oberbrunn gingen auf Dauer verloren. Der Status quo war eingefroren, die Fronten erstarrt.

Die Nachbarschaft der Konfessionen war lange keine gute
Auf einem Bild der Kronacher Straße von 1898 ist links das 1894 errichtete evangelische Pfarrhaus mit Betsaal und rechts... Foto: Archiv Dippold

Trotz allem gab es immer noch Bindendes. So lud der Langheimer Abt Mauritius Knauer 1652 Lehrer und Schüler des Coburger Gymnasiums zu einer philosophischen Disputation mit seinen Novizen ein. Auch in der Kunst kannte man keine Berührungsängste. Katholische Auftraggeber bedienten sich evangelischer Künstler. So stammt das Altarblatt des Rosenkranzaltars in der Klosterkirche zu Banz von dem evangelischen Maler Christoph Wilhelm Meuser aus Schney.

„Das Verhältnis der Glaubensgemeinschaften wandelte sich erst im Zeitalter der Aufklärung, spürbar nach der Mitte des 18. Jahrhunderts“, erläuterte Professor Dippold. Ein geistiges Zentrum bildete dabei das Benediktinerkloster Banz, dessen hochgelehrte Mönche es sich vorgenommen hatten, Harmonie und schwesterliche Eintracht zwischen Bibel und Vernunft zu stiften. Gäste jeder Konfession waren im Kloster willkommen.

Die Nachbarschaft der Konfessionen war lange keine gute
Professor Dr. Günter Dippold. Foto: Alfred Thieret

1817 hatte eine neue Zeit begonnen. Der bayerische Kurfürst hatte Anfang 1803 die drei christlichen Konfessionen – Katholiken, Lutheraner und Reformierte – für gleichberechtigt erklärt. Die Pfarreien wurden nach und nach bereinigt. Evangelische Christen, die einer katholischen Pfarrei angehörten, wurden bei sich bietender Gelegenheit, meist bei einem Pfarrerwechsel, einer benachbarten evangelischen Gemeinde zugewiesen und umgekehrt.

„500 Jahre konfessionelle Nachbarschaft, das war lange und in vieler Hinsicht keine allzu gute Nachbarschaft“, resümierte Dippold. Gerade die Gegensätze der Vergangenheit sollten heute Verpflichtung sein. Sie mahnen, dass Gemeinschaft der Kirchen und mehr noch der Gläubigen in unserer traditionell gemischt-konfessionellen Region eine wichtige, sich täglich neu stellende Aufgabe ist. Die Aufklärung zeigt, dass dauerhafte Gemeinschaft nicht aus einer nivellierenden Gleichmacherei erwachsen kann. Ihre Basis muss etwas anderes sein: eine versöhnte, eine einander verstehende und einander annehmende Verschiedenheit, eine geschwisterliche Einheit in Verschiedenheit.

 

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