
Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute geht es um Handy-Überwachung während einer Zugfahrt.
„Liebes Corona-Tagebuch, als die Bahn streikte, standen wir da mit unserer Weisheit. Und unseren Köfferchen. Auf Gleis 1, einander fremd und in Schlange stehend. Dann, schon um 15.42 Uhr die erhellende Nachricht, wonach der für 15.41 Uhr angekündigte Zug wegen Getriebeschadens garantiert von nirgendwoher einfahren wird.
Da aber auch nicht klar war, ob es von dem Gleis aus mit dem nächsten Zug in die große weite Welt gehen wird, hatten die Wartenden Zeit, sich mal gepflegt in Augenschein zu nehmen und zu taxieren.
Mir eröffnete sich so die Gelegenheit, eine schöne junge Orientalin zu betrachten, die in einem ihre schlanke Figur zur Geltung bringenden Kleid am Gleis stand. War das schon von Besonderheit, so waren es ihre blickdichten medizinischen Strümpfe umso mehr. Dieses Kleid und diese Strümpfe ergaben in Kombination ein doch irgendwie verstörendes Erscheinungsbild.
Vor allem aber war es so, dass die junge Frau telefonierte. Permanent. Sobald sie ein Gespräch beendete und ihr Handy vom Ohr nahm, klingelte es wieder bei ihr. Während eines dieser Bahnsteigtelefonate sah die junge Frau auch mal kurz zu mir, und dass sie dabei lächelte, halte ich mir glatt zugute.
Dann, nach dem soundsovielten Telefonat und soundsovielten Blick, erbarmte sie sich meiner, kam auf mich zu und fragte schüchtern an, ob sie in meiner Nähe reisen dürfe und wie der ihr ausgedruckte Fahrplan zu lesen sei.
Weiter erzählte sie, dass sie noch nie alleine mit der Bahn gefahren sei und dieser Streik alles sehr kompliziert mache. Sie und ihre Familie stamme aus Syrien, so die junge Frau, aber sie habe nun von einer Tante in Bamberg zu einer Tante nach Würzburg zu fahren. Dann klingelte wieder ihr Handy, und schon eine Stunde später konnten wir in einen Zug einsteigen.
Der Zug fuhr noch nicht sofort los, sondern nahm eine kleine Verspätung für sich in Anspruch. Irgendwann zuckelten wir aber doch los, und von Bamberg bis Haßfurt hatte die junge eine Tante am Ohr.
Von Haßfurt bis kurz vor Schweinfurt hatte sie hingegen ihre Mutter am Ohr. Dort erfolgte die Übergabe der jungen Frau, denn dann meldete sich wieder die Tante und blieb ihr bis Karlstadt im Gehör. Dort hatte sie dann eine Minute Ruhe und Zeit, mal gepflegt die Augen zu verdrehen. Dazu ergab sich ein kurzer Plausch. Ich wagte es, sie zu fragen, ob sie durch die Telefonate kontrolliert würde.
,Ja', sagte die junge Frau und erzählte mir davon, dass sie dabei sei, sich zu emanzipieren. Einen Teilerfolg habe sie schon errungen, denn das figurbetonte Kleid, auf welches sie so stolz ist, habe sie gegen den Willen der Familie durchgesetzt. Dafür musste sie einen Kompromiss eingehen, den, ihre Beine zu verdecken. Nachdem sie das erzählt hatte, klingelte wieder ihr Handy.
Liebe junge Frau, ich wünsche dir, dass du irgendwann mal nicht nur nach Würzburg fahren wirst, sondern nach Lissabon, Rom, Madrid, Paris oder Berlin. Und wenn du fährst, dann lass dein Handy ausgeschaltet.“
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