LICHTENFELS

Corona-Tagebuch: Geheimnis um Romanesco

Corona-Tagebuch: Das große Schnattern
Markus Häggberg Foto: T. Mayer

Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch. Heute geht es um den geheimnisvollen Romanesco.

„Liebes Corona-Tagebuch, als ich dich zu schreiben begann, da nahm ich mir vor, mich dumm zu stellen. Nun habe ich festgestellt, dass ich dumm bin. Ich wollte mir das Naive bewahren, um nur ja immer einen besonderen Blick auf das Geschehen um mich herum zu behalten. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mein Blick oft noch weit unterhalb von Naivität liegt. Folgendes ist passiert: Ich gehe so durch die Straßen und bekomme den Gesprächsfetzen zweier Damen mit, die sich vor einem Frisör unterhalten. ,Romanesco finde ich besser', sagte die eine Frau zur anderen und ich fragte mich, wer oder was Romanesco ist. Ich kam mit mir überein, dass es sich bei Romanesco gewiss nicht um einen rumänischen General handeln dürfte, denn zwei Damen vor einem Frisör haben wahrscheinlich kein Interesse an Militär. Vielleicht aber, so dachte ich mir, ist Romanesco ja eine Oper, so etwas wie die Aida des Balkan. Hm, aber dann müsste ich doch mal von ihr gehört haben, folgerte ich und schloss auch diese Variante aus.

Aus der Welt der Schönen und Reichen?

Jetzt aber fiel mir ein, dass die zwei Damen vor dem Frisör ja vielleicht auch aus dem Frisörsalon kamen. Und was gibt es in Frisörsalons zu lesen? Klatschblätter! Das Leben der Schönen und Reichen. Vielleicht sind die Romanescos für Rumänien ja das, was die Romanows für für Russland waren.

Ja, das könnte es sein. Die beiden Damen kamen mir ohnehin so vor, als würden sie Klatschblätter lesen. Es dauerte nicht lange, da kam mir dieser Gedankengang aber selbst etwas konstruiert vor. Schon deshalb, weil Romanesco in Rumänien wohl eher Romanescu hieße, gibt es dort doch diese Vorliebe für den Umlaut U am Ende eines Namens.

Was verbirgt sich nur hinter diesem Namen?

Aber was, zum Kuckuck, verbirgt sich denn nun hinter Romanesco? Ein Komponist? Ein Maler? Ein Tapezierer? Vielleicht, so dachte ich mir, bin ich ja nicht nur naiv, sondern auch ungebildet. Im Gang des Amtsgerichts – ich hatte dort zu tun – fragte ich einen sehr gebildeten Passanten mit Fliege, ob dieser wisse, was Romanesco ist.

,Ein Name?', antwortete er, sein Fragezeichen besonders betonend. Dieses Fragezeichen brachte mich mit mir ins Reine, denn, so dachte ich mir, wenn dieser Herr so etwas nicht weiß, dann gehört es vermutlich nicht zum wissenswerten Allgemeingut zwischen Physik, Politik und Kunstgeschichte. Dann aber stapfte ein Bekannter die Treppen hoch und erzählte mir, dass er auf seiner Arbeit den „Mettwoch“ eingeführt habe. „Mindestverzehrmenge zwei Brötchen, sonst fahr ich gar nicht erst zum Holen los“, sagte er noch lachend.

Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht

Ein Impuls stieg in mir auf, der nämlich, dass ein Mensch, der so frei mit Umlauten umgeht, wissen könnte, was sich hinter Romanesco mit O am Ende verbirgt. ,Klar, das ist doch so eine Variante des Karfiols. Ich glaube, der Romanesco hat seine Ursprünge in der Nähe von Rom – daher der Name', antwortete er. Ich war beschämt. Dann fügte er noch einen mich Unwissenden gänzlich erniedrigenden Satz an: ,Aber ich bin absolut kein Gemüseesser.'

Liebes Corona-Tagebuch, ich habe mir diesen Romanesco jetzt mal persönlich angeschaut. Er hält sich im Laden gerne in der Nähe des Blumenkohls auf und sieht aus wie Gemüse in Geometrie und 3D. Er ist wunderschön.“

 

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