
Markus Häggberg schreibt für OTverbindet ein Corona-Tagebuch. Heute geht es um die Zukunftsaussichten eines Elfjährigen, Fotokunst und Kreativität nach Likörgenuss.
„Liebes Corona-Tagebuch, kürzlich geriet ich mal wieder an einen klugen Kopf. Was soll ich sagen, der Mann ist Psychiater, ich hatte Hunger – so findet man sich. Ich radelte mal zu ihm hoch, weil ich die Vermutung hegte, er könnte so gegen 19 Uhr herum damit beschäftigt sein, etwas zu kochen. Außerdem weiß ich auch, dass sein Kühlschrank gegen Wochenende hin garantiert gefüllt ist.
Ich klingelte also, tat so, als ob ich gewiss nicht mitessen wollte und ließ mich einladen. Es gab Fingerfood aus Amerika und viel Ketchup. Es war wirklich köstlich, ein bisschen wenig vielleicht, aber das lag nur daran, dass der Psychiater ja unbedingt mitessen wollte. Insgesamt waren wir zu dritt, er, sein Sohnemann und ich.
Nach dem Essen betätigte sich sein Sohn aus spielerischem Impuls heraus künstlerisch und verfremdete die mittels Handy von sich und seinem Vater geknipsten Fotos ins Impressionistische, Expressionistische, Comichafte oder sonst wie Geartete. Der Junge scheint gnadenlos begabt und hat ein Händchen für Bildaufbau, Farbzusammenstellung und das Herausarbeiten einer der Fotografie innewohnenden komischen Note. Jedenfalls kann man sich darauf verlassen, dass, wenn er am Handy rumfummelt, auch etwas dabei rauskommt.
Weil der Junge so begabt scheint, stellten sein Vater und ich Überlegungen zu seinem künftigen Werdegang an. Im Grunde, da waren wir uns einig, wäre eine Professur jetzt schon möglich. Oder wenigstens eine Dozententätigkeit an einer der führenden Kunsthochschulen. Wir dachten da an New York oder Paris.
„Länderfinanzausgleich“ und „Urbane Stagnation“
Grundvoraussetzung hierfür schien uns eine Kunstausstellung für den Elfjährigen zu sein. Jetzt ist es aber so, dass Ausstellungsstücke ja eines Namens bedürfen und so schickten wir den Buben zu Bett, holten den Likör aus dem Regal und machten uns daran, ernsthaft zu arbeiten und seinen Handy-Bildern einen Namen zu verpassen. Mit dem ersten Likör stießen wir auf unsere guten Absichten an, beim zweiten Likör versicherten wir uns dieser gegenseitig, und nach dem dritten Likör hatten wir immerhin schon den Eindruck, eine gewisse Leichtigkeit zu spüren.
Der vierte Likör brachte den Durchbruch, und wir spielten zu dem Bild mit den blöden Augen und der dämlich aus dem Mund hängenden Zunge den Begriff „Länderfinanzausgleich“ durch. Der fünfte Likör gebar dann die Idee, diesem Begriff mehr Tiefe zuteil werden zu lassen, und so änderten wir sein Erscheinungsbild zu „LänderfinaNSausgleich“ um. Irgendwer wird dem bestimmt Sinn beimessen, weil der Eintrittspreis in die Ausstellung hoch genug war.
Für das Bild mit dem Hampelmann vor einer Häuserwand fanden wir zum sechsten Likör„Urbane Stagnation“ sehr passend. Die Liköre sieben, acht und neun verliefen ergebnislos. Gerne hätten wir den Rest der Bilder noch am selbigen Abend fertig benamt, aber ein Kopfweh kam uns dazwischen, und so verschoben wir es auf die kommende Woche. Wir denken, es ist vertretbar, denn der Bub ist noch jung und hat ja sein gaaaanzes Leben noch vor sich.
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