
Markus Häggberg schreibt augenzwinkernd ein Corona-Tagebuch.
„Liebes Corona-Tagebuch, einem lieben Bekannten von mir ist jüngst etwas passiert, das eine ihn traurig machende Ratlosigkeit auslöste. Um hier davon erzählen zu dürfen, musste ich ihm hoch und heilig versprechen, seinen Namen nicht zu erwähnen. Aber so viel kann ich verraten: sein Vorname hat acht Buchstaben. So, und nun zum eigentlichen Fall. Er fährt mit der Eisenbahn nach Nürnberg und will nur mal einen Tag mit sich verbringen. Doch schon in Lichtenfels steigt eine Frau zu, die in Kronach lebt und arbeitet, aber aus dem Schwäbischen stammt. Höflich wie mein Bekannter so ist, bietet er ihr an, ihr den schweren Koffer zu tragen und in Nürnberg ins Schließfach zu stellen. Dort hatte die Frau nämlich zwei Stunden Aufenthalt bis zum Anschluss zur Weiterreise. So saßen sich die beiden also auf ihren Plätzen gegenüber und begannen ein Gespräch über Gott und die Welt. Das mit Gott war schnell abgehandelt, aber von der Welt blieb noch jede Menge übrig. Die politische Weltlage, der Comic im Wandel der Zeiten, die Kirchenmalerei im katholischen Barock, die Bildungspolitik für Kindergärten und dass man Oleander besser nicht anfassen sollte.
„Es war total angenehm mit dieser auch recht hübschen Frau, aber wir haben uns während der ganzen Fahrt noch nicht mal namentlich vorgestellt“, erzählte mir mein Bekannter. Er erzählte noch mehr. Davon, dass er ihr den Koffer ins Schließfach brachte und davon, dass er ihr eine kleine Stadtführung angedeihen ließ. Er zeigte ihr sogar den Innenhof des Heilig Geist Spitals und ging dann mit ihr in der Bar Celona einen Kaffee trinken. Dort lernte er von ihr, dass man kalten Kaffee mit Eiswürfeln statt Vanille-Eis bestellen kann. „Das Zeug schmeckt sogar“, bestätigte mir mein Bekannter. Aber darauf will ich nicht hinaus. Es ging mit den beiden nämlich noch weiter. Sie sprachen an der Pegnitz, und sie genossen die laue frische Luft und ihre Getränke. All das geschah und dann war es aber auch bald an der Zeit, aufzubrechen, denn die zwei Stunden Aufenthalt näherten sich ihrem Ende und der Zug der Dame aus Kronach sollte bald einrollen. Sie gingen gemeinsam zurück zum Bahnhof, ans Schließfach und zum Bahnsteig. Ihre Namen wussten sie immer noch nicht voneinander. Dann kam der Zug, ein letztes Winken und jeder ging seiner Wege. „Wir haben uns noch nicht mal unsere Namen genannt oder Adressen getauscht“, fügte mein Bekannter sehr nachdenklich wirkend seiner Geschichte an. „Und wo ist jetzt das Problem?“, suchte ich zu ergründen. Die Antwort meines Bekannten fiel eindeutig aus. Und traurig war sie auch. Er sagte: „Du, Markus, ich glaub', ich werde alt.“
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