
Markus Häggberg schreibt für OTverbindet ein Corona-Tagebuch. Heute erinnert er sich an eine Tante, die gar nicht seine echte Tante war.
„Liebes Corona-Tagebuch, ich hatte mal eine Tante, die nicht meine Tante war. Ich musste sie aber Tante nennen, weil ich sonst Ärger mit einem Onkel bekommen hätte, der auch nicht mein Onkel war. Komplizierte Sache das, ist lange her.
Meine Tante jedenfalls, die war sehr religiös. Vielleicht war sie aber auch einfach nur bigott, so klar kann man das als Kind nicht auseinanderhalten. Sie sprach jedenfalls immer davon, dass wir jetzt langsam in der Endzeit leben, und ich hatte den Eindruck, dass sie die Endzeit zwar irgendwie begrüßte, aber erst nach ihrem Ableben.
Jedenfalls stünde die Endzeit bevor, und die Zeichen würden sich mehren. Das sagte sie noch in den 1980-ern, aber ich hielt das für übertrieben und verdrängte es, weil wir ja schon 1990 Fußball-Weltmeister wurden.
Lange hielt ich meiner Tante Sorge für Schwarzmalerei, jetzt aber kam die Sorge auch zu mir. Ich ging gestern so meiner Wege, und plötzlich blieb ich stehen, irgendwo zwischen Bahnhof und Post. Etwas stieg in mir auf und begann mich zu beschäftigten. Es war eine Ahnung von Tragweite, noch nicht konkret, aber es lag mir quasi auf der Zunge.
Dann war sie da, die entscheidende Frage: Hatte ich wirklich noch genügend Gouda im Kühlschrank? Also steuerte ich umgehend einen Supermarkt an, und dort traf ich auf einen lieben Bekannten, der es glatt fertigbringt, gerade mal 28 Jahre alt zu sein. Ich hätte ihn auch erst nicht erkannt, weil seine Frisur der meinen nicht unähnlich geworden ist.
Und dort, wo andere Männer einen Bart haben, hat er jetzt zwei, drei Tätowierungen. Und der Rücken erst. Nicht etwa, dass ich die dortigen kennen würde, er hat mir halt davon erzählt. Von seinen Tätowierungen, vom Motorradclub und seinen Motorradtouren. Er war sogar mal auf der Route 66 in Amerika, aber die sei nur Nepp und kürzer als gedacht.
Ja, es war schön dort, war 'ne gute Zeit, 'ne tolle Erfahrung, aber jetzt mache er sich Sorgen. Um die Gesellschaft, wegen Corona und um seine späteren Rentenbezüge.
Mein Gott, mein Gott, wie hat sich die Welt doch verändert. Als ich so alt war wie er, da dachten tätowierte Rocker nicht mal im Suff an ihre 40 Jahre entfernten Rentenbezüge.
Liebes Corona-Tagebuch, ich glaube, ich habe meiner „Tante“ unrecht getan, ich glaube, die Zeichen mehren sich wirklich. Und ja, die Endzeit ist angebrochen.“
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