
Man kennt das ja: Irgendwo in der Ecke steht ein Buddha, 'ne Klangschale gibt' s auch und Räucherstäbchen tauchen ebenfalls auf. Alles normal, nichts zu beanstanden und absolut üblich. So sehen Yoga-Studios eben aus. Absolut üblich ist bei der Lichtenfelserin Cordula Funk aber nichts.
Nicht nur, dass sie und ihr „Your Way Yoga“ gar kein Studio hat, sondern dass sie Yoga gerne auch in der Natur praktizierte. Auch ist ihre Vorstellung von Yoga mitunter eine andere, so wie ihr Klientel eben auch ein anderes ist. Der 45-jährigen studierten Ökotrophologin geht es nicht „um schlanke Menschen, die sich zu verbiegen verstehen“, sondern um Frauen, die ansonsten nicht so schnell mit Yoga in Zusammenhang gebracht werden – Frauen von füllig bis dick.
Von ihrer Wohnung in Unterwallenstadt aus gibt Funk derzeit coronabedingt über ihre Webcam Stunden. Dass mal Bedarf an ihrer Sicht auf Yoga bestehen könnte, ließ sie sich bei ihrem eigenen Einstieg zu der fernöstlichen Lehre nicht träumen.
Vor 15 Jahren mit Yoga in Berührung gekommen

„Die allererste Berührung mit Yoga war vor 15 Jahren, da kam das so auf und dann habe ich sehr lange gebraucht, bis ich mich hingetraut habe“, erzählt die Frau von einer Hemmschwelle, die ihr damals selbst zu schaffen machte. Funk ist selbst beleibt und war es auch schon vor 15 Jahren.
„Ich wollte durch meine Körperfülle nicht stören oder auffallen und mich im Hintergrund halten – ich habe mir deswegen Einzelstunden genommen“, erinnert sie sich und nimmt auch das Wort Scham in den Mund. Doch an diesem Tag des Hineinschnupperns sollte sich etwas ereignen, etwas, das zu einem zweiten Weg führte. „Als ich meine erste Asama (eine Yogaübung) gemacht habe, da wusste ich, dass ich das mal unterrichten will.“
Die Übung, die sie begeisterte und etwas in ihr klärte, war „Der Krieger“. Wie sie davon erzählt, macht sie diese Figur in ihrer Küche vor, allerdings entgegen der eigentlichen Übung auf einem Stuhl sitzend und nicht frei stehend, eben weil manche ihrer Schülerinnen diese Übung aufgrund von Einschränkungen nur so leisten können. Ein Bein geht dabei nach vorne, ein Arm ist in Kinnhöhe ausgestreckt, der andere Arm darf an die Hüfte fassen. Diese Figur hat für Funk eine Botschaft: „Aufrecht, stolz, Ziel im Blick!“

Es gibt diese Momente, in denen Cordula Funk unvermittelt auf einen Begriff stößt, diesen durch ihr Oberstübchen jagt und sich Notizen dazu macht. Weil es lohnend sein könnte, über ihn zu meditieren. Über den Begriff Bescheidenheit hat sie auch schon meditiert und auch er habe Schattenseiten, so sagt sie. In manchen Situationen träfe nämlich auch zu, dass es „ganz schön überheblich ist, bescheiden zu sein“. Dann nämlich, wenn man einen guten Weg fahrlässig sausen lässt.
Das System in seiner Tiefe erfassen
Ihr eigener Weg hatte mit einer Tanja Ender zu tun, bei der sie einst Einzelstunden nahm. Das habe sie erkennen lassen, dass „Yoga das Ja zu dem ist, was ich gerade bin“. Ab da wollte sie tiefer einsteigen, „um das System in seiner Tiefe zu erfassen“.
Nach Indien, so sagt sie lachend, habe sie deswegen aber nicht fahren brauchen. Nach innen und zu sich selbst schon. Die Unterwallenstadterin sieht es so, dass Yoga Menschen sensibel für körperliche Empfindungen macht. „Und diese Empfindungen zeigen dir dann deine Baustellen an.“ Von Baustellen, also unaufgearbeiteten persönlichen Themen und Verletzungen, versteht sie auch etwas, hat sie doch eine Ausbildung als Coach (Lebenshilfe) absolviert.
Verpflichtung, die eigene Energie hochzuhalten
Yoga darf bei Funk für sich stehen, es darf aber auch als Sensor für Unaufgearbeitetes dienen, weil während der Übungen „ja was hochkommt“. Bei einer Frau kam beispielsweise hoch, dass sie ihre eigene Fröhlichkeit nicht so recht annehmen konnte, weil es doch so viele Menschen auf der Welt gibt, denen es schlecht geht. Die erarbeitete Antwort darauf lautete: „Es ist meine Verpflichtung, meine Energie hochzuhalten.“
Vom traditionellen und herkömmlichen Yoga hat sich die Mittvierzigerin auch in ihren Übungen für füllige Frauen etwas abgekehrt, aber den Kern des Ganzen behalten. „Ich mache keine hochkomplexen Übungen in meinen Stunden“, sagt sie, gleichwohl zu erkennen gebend, dass sie derlei Übungen sehr wohl kenne. „Aber mir ging es nie darum, dem Yoga zu dienen, sondern Yoga darf den Menschen dienen.“
Funks Angebot dient zunächst einmal den Frauen und zwar ziemlich ausschließlich. Das gehe nicht gegen Männer, das habe lediglich damit zu tun, dass sie sich als Frau in die Baustellen anderer Frauen besser hineinversetzen könne. Punktum.
Yoga hilft Körper, Geist und Seele
Dabei kommt die Frau auf das zu sprechen, was Yoga aus ihrer Sicht bewirken kann. Auf körperlicher Ebene dehnt und kräftigt es, auf geistiger Ebene lerne man sich selbst zu beobachten und auf seelischer Ebene helfe es einem, sich seinen Gefühlen zu stellen. Auch Willensbildung beziehungsweise Willensstärkung sei mittels dieser Übungen und der damit verbundenen richtigen Atmung möglich.
Doch Wille und eine gewisse positive Chuzpe bestand bei Funk schon von Anfang an. Seit 2018 bietet sie Kurse an und meldete sich dazu bei der Volkshochschule. Die wollte Nachweise sehen und die bekam sie mit der großen Yogalehrer-Ausbildung auch. 28 Monate nahm die einst in Anspruch, aber sie sollte Funk nicht vor einem Satz bewahren: „Es gibt doch schon so viele Yogalehrer!“ Die Antwort der Lichtenfelserin: „Ja, aber mich haben Sie noch nicht!“
Was folgte, waren mehrere Stationen. Beim ersten angebotenen Kurs hatte sie schon zwölf Teilnehmerinnen, und er fand in einer Grundschule statt. Doch bald darauf hieß es, eine neue Bleibe zu suchen, und es ging nach unterhalb eines Fitness-Studios. Wie Funk davon erzählt, muss sie schmunzeln, denn die neue Lokalität hatte etwas Irritierendes an sich. Beim Meditieren hört man eben nicht gerne, wie permanent Gewichte und Eisen auf Eisen klackern.
Yoga-Übungen aus dem Wohnzimmer
Also wieder Umzug und irgendwann landete sie in der Lichtenfelser Kunstmühle. Und dann kam Corona und so ging sie online. Jetzt dreht sie sogar Videos und jetzt bietet sie von ihrem Wohnzimmer aus Yoga-Übungen zum Mitmachen an. Dort steht ein Buddha und dort steht auch eine Klangschale. Der Fernseher aber ist durch blaues Tuch abgedeckt.
Doch bevor sie online geht, hat sich Funk auf die Teilnehmer schon vorbereitet. „Ich weiß, wer in meinem Kurs ist, ich kenne die persönlichen Themen und auch die körperlichen Themen.“ Das rührt daher, dass Teilnehmer vor Kursbeginn einen Anamnesebogen zu Beschwerden und Einschränkungen auszufüllen haben. So kann Funk die angebotenen Übungen auf Knieprobleme, Atemwegserkrankungen, Operationen und sonstige Handicaps ausrichten. Auch Haltungskorrekturen sind per Zoom möglich. Aber selbst bei bester Vorbereitung bleibt Funk eine ganz persönliche Baustelle erhalten. Die Frau hat nämlich vor jedem Online-Kurs vor allem eines: Lampenfieber.
Verbindung mit dem Universum
Für sich selbst hat die zielstrebige mollige Frau Rituale entwickelt. Allmorgendlich, so sagt sie, stelle sie sich auf die Treppe vor ihrer Wohnung, bilde figürlich ein V und verbinde sich mit dem Universum. In Empfängerhaltung schließe sie sich an den Strom und entscheide sich dafür, wie ihr Tag aussehen soll. Dass ein Yogi so etwas tut, ist nicht verwunderlich und erwartbar, aber klappt es auch? „Es ist das Signal für mich, wie der Tag werden soll und so wird der Tag dann auch“, beteuert Funk über den Weg, der von der Unesco 2016 als „Immaterielles Weltkulturerbe“ anerkannt wurde.
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