LICHTENFELS

Chefarzt Dr. Al Hamoud zu Hygiene-Demos und Impfgegnern

Chefarzt Dr. Al Hamoud: Solidarität ist eine Charakterfrage
Dr. med. Saleh Al Hamoud appelliert an alle, die Spielregeln einzuhalten. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Schlafmedizin und medikamentöse Tumortherapie und leitet die Klinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Allergologie, Umweltmedizin und Schlafmedizin am Bezi... Foto: red

Lichtenfels/Kutzenberg Regelmäßig demonstrieren derzeit samstags Bürger, die meinen, dass durch die Beschränkungen im Zuge der Corona-Krise ihre Rechte über Gebühr eingeschränkt werden. Sie stellen die Sinnhaftigkeit von Abstandsregeln und Schutzmasken in Frage und wehren sich gegen einen von ihnen befürchteten Impfzwang. Auch in Lichtenfels finden solche „Hygiene-Demos“ statt.

Anlass genug, mit einem Mediziner über die kritisierten Punkte zu sprechen. Dr. med. Saleh Al Hamoud ist Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Schlafmedizin und medikamentöse Tumortherapie und leitet die Klinik für Erkrankungen der Atmungsorgane, Allergologie,Umweltmedizin und Schlafmedizin am Bezirksklinikum Obermain in Kutzenberg.

Obermain-Tagblatt: Bei den aktuellen Hygiene-Demos protestieren die Teilnehmer gegen die Maßnahmen, die gegen die Corona-Pandemie getroffen wurden. Sie behaupten, das Virus sei gar nicht so gefährlich und werde nur als Vorwand genutzt, um Grundrechte zu beschneiden. Was sagen Sie dazu?

Dr. med. Saleh Al Hamoud: Das Corona-Virus existiert. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann tödliche Folgen haben. Das zeigen die statistischen Zahlen nicht nur in Deutschland, sondern auf dem ganzen Globus. Die Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierungen haben einen deutlichen Rückgang an Neuinfektionen bewirkt. Ohne dieses Maßnahmenpaket wäre es demzufolge auch nicht so schnell zu den Lockerungen gekommen, die wir zur Zeit erleben.

Was halten Sie von der Abstandsregel?

Dr. Al Hamoud: Einen Mindestabstand von 1,5 bis zwei Metern einzuhalten hat sich als eine Maßnahme bewährt. Genauso ist das Einhalten von Hygieneregeln wichtig, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie einzudämmen. Diese Maßnahmen sind wissenschaftlich unumstritten.

Nasen-Mund-Masken sehen viele sogar als schädlich an. So soll zu viel CO2 innerhalb der Maske verbleiben. Oder die Keimbelastung soll in der Maske höher sein als außerhalb. Können Sie solche Befürchtungen nachvollziehen?

Dr. Al Hamoud: So genannte Alltagsmasken sind sinnvoll, um das Risiko zu reduzieren, andere Menschen anzustecken. Natürlich stoßen infizierte Personen beim Husten oder Sprechen Corona-Viren aus, die sich dann bestenfalls in der Maske verheddern und dort zurückgehalten werden. Diese Viren hat der Maskenträger allerdings bereits in sich. Grundsätzlich sollte man seiner Maske die Chance geben zu trocknen. In einem feuchten Milieu können sich Krankheitserreger schnell vermehren. Daher ist es auch sinnvoll, mehr als nur eine Maske zu haben. In der Regel behindern diese Alltagsmasken auch nicht den Gasaustausch.

Menschen mit Erkrankungen der Atemwege wie COPD und Asthma kann das Tragen von so genannten FFP2- und FFP3-Masken allerdings Probleme bereiten. Diese besonders dichten Masken führen zu einem erhöhten Luftwiderstand.

Nicht zuletzt wird bei den Hygiene-Demos auch gegen eine Impfpflicht protestiert. Ein Impfstoff gegen das Coronavirus existiert noch nicht. Wenn er entwickelt und freigegeben ist: Wie sinnvoll ist es, sich gegen das Virus impfen zu lassen?

Dr. Al Hamoud: Wann ein Impfstoff kommen wird, ist unter Experten umstritten. Große Optimisten rechnen mit einem Impfstoff Ende dieses Jahres, andere gehen von 2021 aus. Eine Impfung kann helfen, eine Immunität gegen das Virus zu erzielen. Der Effekt ist mit einer Grippe-Impfung vergleichbar.

Andere meinen, eine Herdenimmunität sei besser durch eine „Durchseuchung“ der Gesellschaft zu erreichen. Was antworten Sie solchen Menschen?

Dr. Al Hamoud: Unkontrollierte „Durchseuchung“ bedeutet immer auch, dass man viele Todesfälle gerade unter den Risikogruppen in Kauf nimmt.

Generell entsteht zurzeit wegen dieser Demonstrationen der Eindruck, dass die Stimmung kippt. Dabei ist das Verständnis in der Gesellschaft laut Umfragen für die Corona-Maßnahmen nach wie vor hoch. Was erleben Sie als Arzt für Reaktionen?

Dr. Al Hamoud: Am Bezirksklinikum Obermain behandle ich Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD und Patienten mit einer Lungenkrebsdiagnose, die zum Teil mit dem Tod ringen. Fast ausnahmslos stehen die Betroffenen hinter den Maßnahmen und Regeln, die dem Gesundheitsschutz dienen und speziell bei Risikopatienten über Leben und Tod entscheiden können.

Was raten Sie den Bürgern: Wie sollte man sich verhalten, um eine zweite Welle zu vermeiden?

Dr. Al Hamoud: Denken Sie auch an Ihre Mitmenschen, indem Sie die Spielregeln einhalten. Diese Bitte will ich der Leserschaft Ihrer Zeitung zurufen. Denn das ist das Gebot der Stunde, der vergangenen Monate, allerdings sicherlich auch noch der kommenden Monate. Wir müssen leider davon ausgehen, dass uns die Pandemie noch länger begleiten wird. Wer auf seine Mitmenschen Rücksicht nimmt und Hygiene- und Abstandsregeln wie auch weitere Auflagen einhält, schützt in letzter Konsequenz auch sich selbst und reduziert das Risiko einer zweiten Welle. Nicht zuletzt ist Solidarität auch eine Charakterfrage.

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