LICHTENFELS

Bei Emma ist die Welt verkehrt herum

Auf dem Weg in ein anderes Leben hatte Emma viel durchzustehen. Schauspielerin Rebekka Herl brillierte in dieser Rolle. Foto: Markus Häggberg

Schon der Auftakt hatte etwas Bezauberndes. Die Musik war fröhlich, und plötzlich flogen Gummistiefel auf die Bühne beziehungsweise ins Zimmer. Da war sie also, die Welt der Schweinezüchterin Emma. Die Welt einer jungen, unabhängigen Frau, die zwar verschuldet, aber irgendwie auch frei ist. Sie kann schlachten, sie kann sich begnügen, und wenn ihr nach Körperlichkeit ist, so fährt sie breitbeinig Motorrad, und die Unwucht einer Schwungscheibe im Getriebe sorgt dafür, dass sie ins Jauchzen gerät. Selbst ist die Frau!

Mit „Emmas Glück“ brachte der Fränkische Theatersommer kürzlich eine bemerkenswerte Ein-Frau-Aufführung auf die Bühne im Stadtschloss. Herausragend auch durch Schauspielerin Rebekka Herl.

Es war nicht ganz ausverkauft, aber ganz schön gut besucht. Und wer weiß, vielleicht mochte ja auch der Regen an diesem Abend die Befürchtung nähren, dass das für den Stadtschlossgarten anberaumte Stück gänzlich abgesagt wurde. Doch eine kluge Entscheidung im Vorfeld sorgte dafür, dass die Bühne im Stadtschloss aufgebaut war, und auf dieser Bühne sollte sich unter der Regie von Jan Burdinski etwas zutragen, was eine ganze Welt voller Auf und Ab war.

Eines Tages erhält ihr Leben eine Wendung

Denn dort, wo Emma wohnt, ist sie Außenseiterin, haben Frauen Kleidergrößen zwischen 48 und 62, sind der Muff und die Spießigkeit zu Hause. Doch eines Tages erhält Emmas Leben eine Wendung, denn ein Max tritt in ihr Leben. Ein Städter, der auf der Flucht nach Mexiko mit viel Geld einen Unfall vor ihrem deutschen Hof baut. Emma verliebt sich, und ihr Leben gerät aus den bekannten Fugen.

Wenn Emma die Mistgabel schwinkt, wird es gefährlich. Foto: Markus Häggberg

Rebekka Herls Leistung in diesem schrägen Bauernhof-Roadmovie-Theaterstück kann man gar nicht oft genug loben. Jede Geste war von Text unterlegt, es passierte immer etwas. Aber das Stück wirkte nie überfrachtet, das Wechselspiel zwischen Selbstreflexion, Hoffnung und Pläneschmieden nie aufdringlich. Es müssen Hunderte Sätze gewesen sein, die Herl über die Lippen kamen, und die nur so über die Lippen kommen, wenn man eine Rolle lebt.

Unaufdringlicher und nicht abgenutzter Humor

Was das Stück selbst, das nach einem Roman von Claudia Schreiber entstand, auszeichnete, war eine gewisse Natürlichkeit. Und so wurde Herl Repräsentantin eines unaufdringlichen und nicht abgenutzten Humors. Beispielsweise dann, wenn sie so Sätze sprach wie „Heute ist Schlachttag – das Leben muss ja weitergehen!“

Oder dass sie schon als Baby beim Schlachten dabei war. Das mündete dann in Sätzen wie diesem: „Andere Mädchen lernen zu häkeln, ich ekele mich vor dem Häkeln.“

Bei Emma ist die Welt ein bisschen verkehrt herum, und das wird sie auch bleiben. Denn der Max, der so schöne braune Augen hat, sieht ihr beim Schlachten zu und fragt immer nach der Bauchspeicheldrüse. Irgendwann schwante dem Publikum, dass er wohl Bauchspeicheldrüsenkrebs haben könnte.

Und Rebekka Herl hatte als Emma auf der Bühne alles zu bieten: leises Verlieben, offenes Schwärmen, derbe Zoten, das Mannweibsein, das Frausein, das Hoffen und Abschiednehmen. Denn Max hat Bauchspeicheldrüsenkrebs und bittet sie – die Schlachterin – um Sterbehilfe.

Das Publikum blieb mit seinem Empfinden allein

Letztlich wächst Emma aus ihrem Leben heraus und hängt die Vergangenheit an den Nagel. Sie wird an Max' Stelle nach Mexiko fahren „und ich bin sicher, da fährt noch jemand mit“, sagt sie sich bedeutsam über den Bauch streichelnd. Dann trat Emma beziehungsweise Rebekka Herl ab und ließ das Publikum mit dem Empfinden zu dem Stück allein.

Ganz große Schauspielkunst lieferte die Darstellerin, die unter anderem am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, der Badis... Foto: Markus Häggberg

Es war ein wertvolles Stück, das bei aller Schlichtheit so leicht gar nicht zu erfassen ist. Herl, die als freischaffende Schauspielerin unter anderem am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, der Badischen Landesbühne in Bruchsal oder an den Mainzer Kammerspielen Engagements hatte, zeigte viele Gesichter. Aber vor allem eines: Schauspielkunst.

 

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