
Die wochenlange Dürre in vielen Regionen Deutschlands und eben auch in der Heimat am Obermain hat in der Landwirtschaft Schäden von mehr als einer Milliarde Euro verursacht. Dieses Thema nimmt immer größeren Raum in der Berichterstattung ein. Aber wie war das vor einigen Jahrhunderten? Da hatten solch extremen Wetterlagen viel schlimmere Auswirkungen. Im 2. Teil von „Hungersnöte in alten Zeiten“ wird versucht, eine Übersicht zu den Hungersnöten im 18. und 19. Jahrhundert aufzuzeigen und die verheerenden Konsequenzen für die hiesige Region darzustellen.
18. Jahrhundert beginnt mit Notzeit
Über die große Hungerzeit im Dreißigjährigen Krieg hat das OT im 1. Teil berichtet. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis sich die Region am Obermain davon erholte. Leider begann das 18. Jahrhundert bald mit einer Notzeit, drei weitere Notjahre folgten.
1708 und 1709 war ein schrecklich kalter Winter. Es wird in Chroniken berichtet: „Man hörte von mehreren Orten her, daß Menschen und Tiere auf den Straßen todt gefunden worden sind. Bei abermals zu Ende des Aprils eintretender Kälte erfroren die Weinstöcke und Nußbäume, welche erst im Junius wieder ausschlugen. Daher gab es auch dieses Jahr kein Obst. Groß war auch der Schaden an der Winterfrucht, was vielerorts bei uns Hunger nach sich zog.“
Strenger Winter: von Martini bis Mai
1739 auf 1740 herrschte ein ebenso außerordentlicher strenger Winter, der nahezu die ganze Wintersaat vernichtete. Der Winter begann an Martini und dauerte ununterbrochen bis in die Mitte des Monats Mai. Viele Menschen erfroren und zahlreiche starben vor Hunger. Die Verzweiflung war groß. Eine alte Frau, die mit ihrem Enkel nichts mehr erbetteln konnte, bot diesen zum Kaufe an. Ein Ehepaar hatte bereits alle seine Habe verkauft. So brachten sie ihre Haare zu Markt. Da solche aber niemand kaufte, mussten sie nunmehr kahlköpfig und in Lumpen Almosen vor den Türen suchen.
Die Armen kochten Gras und Nesseln
Die wohl schlimmste „erschröcklich große Hungersnot“ des 18. Jahrhunderts wurde in den Chroniken für die Jahre 1770 bis 1772 festgehalten. Schon im Herbst 1769 wurde die Wintersaat durch ständiges Regenwetter geschädigt. Darauf folgte ein verregneter Sommer. Die Hungerjahre prägten sich den Miterlebenden als die Zeit ein, „da wir wie das Vieh das Gras auf dem Felde vor Hunger zu reißen genötigt waren“. Selbst Unkrautsamen wurden zu Brot vermahlen. Viele Leute wurden schrecklich verrückt, die meisten bekamen bösartige Flecken und ein großer Teil wurde hinweggerafft.
„1798/99 war der
strengste Winter, dessen in den Jahrbüchern seit vier Jahrhunderten erwähnt wird. An vielen Orten fielen die Vögel todt zur Erde,
und auf den Landstraßen
erfroren Menschen.“
In Bamberg brachte das Jahr 1772 die höchste Sterbeziffer seit Menschengedenken, die erst bei viermal so großer Bevölkerung im 20. Jahrhundert wieder erreicht wurde. So viele arme Leute starben, dass die Gemeinden die Begräbniskosten nicht mehr aufbringen konnten.
Am Ende des 18. Jahrhunderts sorgte nochmals ein harter Winter für großes Leid. „1798/99 war der strengste Winter, dessen in den Jahrbüchern seit vier Jahrhunderten erwähnt wird. An vielen Orten fielen die Vögel todt zur Erde, und auf den Landstraßen erfroren Menschen.“
Vulkanausbruch in Indonesien
Knapp 20 Jahre später folgten zwei weitere Hungerjahre, welche diesmal durch einen gewaltigen Vulkanausbruch in weiter Ferne verursacht wurden. Sein Ausbruch im April 1815 auf der Indonesischen Insel Sumbawa hatte Einfluss auf das Wetter der ganzen nördlichen Hemisphäre. In vielen europäischen Ländern sank die durchschnittliche Temperatur um zwei bis drei Grad. Am 3. Mai 1816 begann hierzulande eine Regenperiode, die bis in den Oktober anhielt. Die tiefer gelegenen Fluren am Obermain standen oft wochenlang unter Wasser. Das Getreide ertrank, und die Kartoffeln verfaulten. Im Bambergischen ersoffen viele Tiere, und Mitte Juni fanden 15 Menschen in ihren einstürzenden Häusern den Tod.
Die geringe Menge an Körnerfrucht, aber auch ihre schlechte Beschaffenheit, bildeten den Anstoß zur Teuerung und Hungersnot. Das weiche Getreide, das im Backtrog zu Brei zerfiel und kaum zu Teig verarbeitet werden konnte, stieg von Woche zu Woche im Preis. Durch den Hunger wurde jeder Bissen auch vom schlechtesten Brot hoch und teuer geschätzt. Jeden noch so kleinen Erdapfel, der sonst dem Vieh zuteil wurde, aßen die Leute.
Auswanderungswelle
Eine weitere Folge der Hungerjahre von 1816 und 1817 war eine Auswanderungswelle. Hauptziel war neben den Vereinigten Staaten die Schwarzmeerregion. Viele Nachfahren der Auswanderer kamen in den vergangenen Jahrzehnten als Russlanddeutsche in unsere Heimat zurück. Aber auch das Siebenbürger Land war ein Auswanderungsziel.
Trotz eines spürbaren landwirtschaftlichen Aufschwungs nach diesen beiden Hungerjahren, daran hatte auch der verstärkte Kartoffelanbau am Obermain seinen Anteil, blieb die Zeit von 1830 bis 1900 eine Zeit der Nöte und des Hungers.
Am Obermain verließen viele ihr Dorf oder ihre Kleinstadt. Vor allem jüdische Mitbürger zog es über den „großen Teich“ in die USA. Allein in Maineck verließen 44 Einwohner in den Jahren von 1837 bis 1872 diesen kleinen Ort.
Soziale Missstände
Den Grund dazu lieferten einerseits eine Reihe extrem trockener Sommer, andererseits sorgten soziale Missstände für den Fortbestand der Armut. Betroffen waren neben den Kleinbauern die unterbezahlten Berufsgruppen wie Weber, Flößer und in der hiesigen Gegend vor allem die Korbmacher. So kam mit dem Winter 1846/47 eine arge Hungerzeit in die Region. Auch im darauf folgenden Sommer missriet die Ernte.
Und die Bürgerunruhen des folgenden Winters bildeten mancherorts den sozialen Hintergrund der revolutionären Bewegung des Frühjahrs 1848. So kam es in den Märztagen im Städtedreieck Kulmbach-Kronach-Lichtenfels zu Zusammenrottungen von Bauern, Flößern, Korbmachern und anderen armen Leuten. Man wandte sich gegen die adeligen Grundherren. Es wurden die Schlösser und Amtshöfe in Redwitz, Ebneth, Unterlangenstadt, Schmölz, Danndorf, Schmeilsdorf, Wildenroth und Weißenbrunn zum Teil gestürmt und besetzt.
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