MICHELAU

Michelau: Automobilzulieferer Smia entlässt 245 Mitarbeiter

Von der Krise hart getroffen: Der Automobilzulieferer Motherson (ehemals Smia, ehemals Scherer & Trier) in Michelau kündigt 245 Mitarbeitern. Foto: Markus Drossel

Mit einem harten Personaleinschnitt reagiert der Automobilzulieferer Smia auf die Krise der Automobilindustrie und die Folgen der Corona-Pandemie. Von betriebsbedingte Kündigungen sind 195 Mitarbeiter zum Monatsende betroffen. Außerdem werden rund 50 Leiharbeiter nicht weiterbeschäftigt. Die Verhandlungen der Geschäftsführungen mit dem Betriebsrat und der Industriegewerkschaft BCE sind abgeschlossen. Beschlossen wurde die Gründung einer Transfergesellschaft zum 1. März, um die Mitarbeiter für eine neue Beschäftigung zu qualifizieren.

Seit November liefen die Verhandlungen um einen Sozialplan, wie berichtet. Ursprünglich war vorgesehen, 207 Stellen abzubauen sowie 98 Leiharbeitern zu kündigen. Durch Anreize sei es gelungen, die Zahl der Kündigungen etwas zu senken, erklärte Geschäftsführer Horst Morgenroth. Zahlreiche Leiharbeiter wurden in den vergangenen Wochen bereits gekündigt.

Der Interessenausgleich und der Sozialplan wurden am Dienstagabend mit der Geschäftsführung vereinbart. Seitdem wurden die betroffenen Mitarbeiter informiert und an diesem Freitag sollen sie bei einer corona-konforme Veranstaltung Genaueres erfahren.

Zwölf Monate Qualifizierung als Chance für einen Neustart

„Es ist bedauerlich, dass wir nach dem Personaleinschnitt von 2019 jetzt weiteren Mitarbeitern kündigen müssen, aber wir haben viel unternommen, um den Stellenabbau sozial verträglich zu gestalten, damit es die Leute nicht zu hart trifft“, sagte Morgenroth auf Anfrage. So seien für die älteren Mitarbeiter großzügigere Abfindungen verhandelt worden. Auch wenn es zurzeit wegen der Pandemie nicht leicht sei, eine neue Beschäftigung zu finden, so hoffe er, dass die bis zu zwölfmonatige Qualifizierung in der Transfergesellschaft allen einen guten Neuanfang ermögliche.

„Für die Betroffenen ist es niederschmetternd. Dennoch ist es in harten Verhandlungen seit November gelungen, einen guten Sozialplan auszuhandeln.“
Peter Leipold, Betriebsratsvorsitzender

Die Umstrukturierung sei wegen der Auftragsrückgänge aus der Automobilindustrie und den Folgen der Corona-Pandemie erforderlich. Ein Umsatzeinbruch von 30 Prozent hatte den Michelauer Automobilzulieferer hart getroffen. Kurzarbeit habe in dieser Situation nicht mehr ausgereicht. Sie werde nur noch bis Ende Februar praktiziert. „Den Einbruch können wir weder in diesem, noch im nächsten Jahr ausgleichen“, sagte Morgenroth. Daher laute die Devise: „Schlagkräftiger werden und neue Aufträge gewinnen.“

Die Pandemie erschwere den Betrieb und treibe die Kosten durch Hygienemaßnahmen und zusätzlichen Planungsaufwand in die Höhe. So leide Smia nicht nur unter Engpässen der Lieferanten, wenn etwa Kunststoffgranulat nicht rechtzeitig geliefert werde, sondern auch unter überraschenden Betriebsschließungen der Kunden: Jüngst stoppte das Ford-Werk in Saarlouis für fünf Wochen die Produktion.

Von einer gedrückten Stimmung bei der Belegschaft, aber auch von Hoffnung berichtete Betriebsratsvorsitzender Peter Leipold. „Für die Betroffenen ist es niederschmetternd, gerade in der schweren Zeit der Corona-Pandemie, und für die verbleibenden Kollegen ernüchternd und traurig.“ Dennoch sei es in harten Verhandlungen seit November gelungen, einen guten Sozialplan auszuhandeln. Um eine hohe Vermittlungsquote der gekündigten Mitarbeiter zu erreichen, habe der Betriebsrat auf eine großzügige Ausstattung der Transfergesellschaft mit einem „Bildungsbudget“ bestanden. So könnten die Kollegen fit für die aktuellen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt gemacht werden.

Abfindungen werden nach Dauer der Mitarbeit gestaffelt

Außerdem sei es gelungen, eine Altersstaffelung bei den Abfindungen auszuhandeln. Für Mitarbeiter, die noch nicht lange bei Smia sind, beginne die Abfindung mit dem Multiplikations-Faktor 0,4 (Monatsgehalt mal 0,4 mal Jahre der Betriebszugehörigkeit). Für die länger Beschäftigten steige dieser Multiplikationsfaktor schrittweise bis auf 0,7.

Die Kündigungen betreffen alle Bereiche außer der Produktion, wo lediglich Leiharbeiter abgebaut werden. So sollen Abteilungen verkleinert, andere zusammengelegt und insgesamt die Abläufe und Schnittstellen verbessert werden, erklärt Leipold.

Michelau: Automobilzulieferer Smia entlässt 245 Mitarbeiter
Am Firmengelände des Automobilzulieferers Motherson (ehemals Smia, ehemals Scherer & Trier) in Michelau. Foto: Markus Drossel

Angesichts der Auftragslage und der Restrukturierungspläne der Geschäftsführung sei er zuversichtlich, dass sich die Belegschaft auf diesem Niveau stabilisieren lasse und es zu keinen weiteren Einschnitten komme, sagte der Betriebsratsvorsitzende. „Ich hätte die Vereinbarung als Betriebsratsvorsitzender nicht unterschrieben, wenn das Konzept nicht zukunftsfähig wäre“, betonte er. Smia habe wie viele andere Automobilzulieferer Schwierigkeiten, aber die Umstrukturierung biete die Chance, mit einer schlagkräftigen Truppe wieder Gewinn zu erwirtschaften. „Wir hoffen, dass die Umsätze in der Automobilbranche wieder steigen, aber das ist im Moment noch nicht absehbar“, sagte er. Entscheidend sei, dass die Elektromobilität Fahrt aufnehme und die Kunden die Autos auch kaufen.

Trotz der guten Verhandlungen über den Interessenausgleich äußerte sich Franz Peter Sichler, Projektsektretär der Industriegewerkschaft BCE (IGBCE) enttäuscht über den zweiten Stellenabbau innerhalb von zwei Jahren. „Als es damals hieß, wir müssen 140 Leute entlassen, damit das Unternehmen eine Zukunft hat, standen wir dahinter, weil wir überzeugt waren, dass es zur Gesundung beiträgt“, sagte er. „Dieser weitere Schritt ist ein Schlag in die Magengrube für die betroffenen Mitarbeiter.“

Schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt in der Pandemie

Zwar biete der Sozialplan bessere Bedingungen als der vor zwei Jahren, aber es sei vor dem Hintergrund der damaligen Entlassungen und der wirtschaftlichen Situation in der Pandemie auch weitaus schwieriger für die Betroffenen, jetzt eine neue Stelle zu finden. Ein Nachteil sei auch, dass es diesmal keine Namensliste mit Alterskohorten für die einzelnen Bereiche gebe, die sicherstelle, das genug junge Fachkräfte, die für die Zukunft des Unternehmens wichtig sind, bleiben können. Diesmal sei nur nach sozialen Kriterien entschieden worden und da treffe es vor allem die Jüngeren. Unterm Strich sei es dank der guten Verhandlungen des Betriebsrats eine „Lösung, die man akzeptieren kann“, weil des der gesamten Automobilzulieferer-Branche zurzeit schlecht geht.

Über Smia

Samvardhana Motherson Innovative Autosystems (SMIA) ist ein Unternehmen der Samvardhana Motherson Gruppe, die mit weltweit über 135 000 Beschäftigten zu den 23 größten Automobilzulieferern zählt. Am Standort Michelau in Oberfranken sind derzeit rund 1500 Mitarbeiter beschäftigt. Damit ist Smia der zweitgrößte Arbeitgeber im Landkreis Lichtenfels und der wichtigste in Michelau.

Smia ist die Nachfolgefirma von Scherer & Trier, das 1967 von Andreas Scherer, Georg Scherer und Lothar Trier gegründet wurde. Im Februar 2015 übernahm für indische Samvardhana Motherson Gruppe das Unternehmen. Smia fertigt und entwickelt hochwertige Kunststoffteile im Extrusions- und Spritzgussverfahren, vor allem für die Autoindustrie. Die Produkte reichen von Teilen der Innenausstattung bis zum Bestandteilen der Karosserie wie Dachleisten, Heckspoiler oder Tankdeckel. Zu den Kunden gehören Mercedes und BMW, VW, Ford und die PSA Group (Citroen, Opel, Peugeot, Vauxhall).

Wegen der Krise in der Automobilindustire waren bereits 2019 140 Mitarbeiter entlassen worden.

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