MARKTGRAITZ/REDWITZ

Marktgraitz/Redwitz: Hochwasserschutz erhitzt die Gemüter

Marktgraitz/Redwitz: Hochwasserschutz erhitzt die Gemüter
Wird es bei uns demnächst auch Jahrhunderthochwasser geben? Hochwasser und Überschwemmungen gibt es in der Region immer wieder, wie hier im Frühjahr im Maintal zu erkennen ist. Foto: Roland Dietz

Der Entwurf des Landratsamtes Lichtenfels über die Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes an Rodach und Steinach ist ein heikles Thema. Sehen doch viele Bürgerinnen und Bürger aus Redwitz und Marktgraitz mit dieser Verordnung die Nutzung ihrer Grundstücke in Gefahr. Die aktuellen Überschwemmungs- und Flut-Ereignisse in Westdeutschland und Südbayern gaben der gemeinsamen Sitzung der Gemeinderäte von Marktgraitz und Redwitz in der „Graatzer Turnhalle“ noch mehr Aktualität. Wegen der Coronapandemie war die für Januar geplante Stellungnahme beider Bürgerinnen- und Bürgervertretungen verschoben worden.

Katrin Wagner vom Landratsamt Lichtenfels und Max Pöhlmann vom Wasserwirtschaftsamt Kronach informierten über die Neufestsetzung eines Überschwemmungsgebietes an Rodach und Steinach und standen für Fragen zu Verfügung. Doch bereits die erste Seite von Pöhlmanns Präsentation sorgte für ein gewisses Unbehagen. „Risiko-Dialog“ und „Hochwasser-Risikomanagement“ waren da zu lesen.

Steinach-Rodachaue stellt ein Hochwassergebiet dar

Pöhlmann erklärte, dass die Steinach-Rodachaue ein Hochwassergebiet darstelle. Die erste Festsetzung des Überschwemmungsgebietes an Rodach und Steinach im Bereich von Redwitz, Trainau, Mannsgereuth, Unterlagenstadt, Marktgraitz, Zettlitz und Marktzeuln stammt noch aus dem Jahr 1981. „Nachdem die Landratsämter verpflichtet sind, in Hochwasser-Risikogebieten die Überschwemmungsgebiete per Verordnung festzusetzen, wurde das Festsetzungsverfahren aus den Jahren 2005/2006, das nicht abgeschlossenen wurde, mit aktualisierten Daten wieder aufgegriffen“, erklärte Pöhlmann.

Maßgebend für die Festsetzung seien die Flächen, die bei einem 100-jährigen Hochwasser überschwemmt, durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Auf der Grundlage aktueller Daten sei das bestehende Überschwemmungsgebiet an der Rodach von Flusskilometer 1,200 bis 8,400 und der Steinach von Flusskilometer 0,000 bis 5,600 neu festgesetzt worden.

Hochwasserkatastrophe auch in der Region möglich

Pöhlmann erinnert an die Jahrhunderthochwasser in Bayern 1999, 2013, 2016 und jetzt 2021. Es sei nur grob abzuschätzen, in welcher Hochwassergefahr die Region sich befinde. Die Frage, ob eine Hochwasserkatastrophe wie in Westdeutschland auch hier geschehen könnte, bejahte der Fachmann und machte gleich auf Ziele des Hochwasser-Risikomanagements aufmerksam.

Wichtig seien die Vermeidung und Reduktion neuer Risiken sowie eine planvolle und nachhaltige Strategie im Umgang mit Hochwasser, basierend auf gesetzliche Grundlagen. Ermittelt werde ein Überschwemmungsgebiet durch Befliegung und Auswertung, Vermessung des Flussbetts, Pegelmessungen und Eigenschaften des Einzugsgebietes. Dies führe zu digitalen Geländemodellen im Rahmen eines möglichen 100-jährigen Abflusses und zu einer Modellierung des Überschwemmungsgebietes.

„Baugebiete in Überschwemmungsgebieten wird es nicht mehr geben.“
Katrin Wagner, Landratsamt Lichtenfels

Im Bereich Rodach-Steinach wurde nun eine Hochwasser-Risikomanagement-Richtlinie vorgenommen, durch die sich ein veränderter Umgriff des Überschwemmungsgebietes ergeben habe. Die Berechnung sah Max Pöhlmann als Empfehlung für das Landratsamt, welches die Überschwemmungsgebietes letztendlich ausweise.

Katrin Wagner vom Landratsamt Lichtenfels äußerte dazu, dass auch mögliche bauliche Anlagen in Überschwemmungsgebieten nur mit größeren Auflagen verbunden sein werden. „Baugebiete in Überschwemmungsgebieten wird es nicht mehr geben“, sagte sie. Das Landratsamt sei verpflichtet, nach den Vorschlägen des Wasserwirtschaftsamtes die Überschwemmungsgebieten festzusetzen.

Frühere Erschließungen seien nichts mehr wert

Hier kam von den Zuhörern der Einwand, dass dies nicht immer so gewesen sei. Mit einer neuen Festsetzung verliere ein Grundstück an Wert, hieß es weiter. Bereits früher erteilte Erschließungen seien so nichts mehr wert und müssten zurückgebaut werden, wurde weiter kritisiert.

Marktgraitz/Redwitz: Hochwasserschutz erhitzt die Gemüter
Das geplante Überschwemmungsgebiet an Rodach und Steinach vor Marktgraitz. Foto: Roland Dietz

Mit dem Entwurf des Landratsamtes zeigte sich der Marktgraitzer Gemeinderat Uwe Bornschlegel überhaupt nicht einverstanden. Die Fließrichtung der Rodach habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert, weshalb eine Hochwassergefährdung zugenommen habe. Wenn aber die Gemeinde den Radweg höher setzen möchte, werde dies vom Landratsamt nicht genehmigt. „Wäre der Radweg nicht so hoch, wie er trotzdem ist, würde bei Hochwasser die Rosenau absaufen“, meinte er ärgerlich. Wenn Nachteile entstanden seien, müssten diese doch wieder ausgeräumt werden.

Gemeinden sollten am Hochwasser-Dialog teilnehmen

Katrin Wagner vom Landratsamt erklärte, dass die Möglichkeiten dahin sehr begrenzt seien. Sie empfahl den Gemeinden, an einem Hochwasser-Dialog teilzunehmen. In diesen Diskussionsveranstaltungen würden Verbesserungen von Grundwasser, Infrastruktur, Landwirtschaft und Naturschutz sowie wirtschaftliche Aspekte, die Folgen für die Bürgerinnen und Bürger und mögliche Präventionsflächen angesprochen.

Der Marktgraitzer Gemeinderat Anton Hügerich bemängelte, dass jahrzehntelang nichts passiert sei und nun die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt würden. Der Marktgraitzer Bürgermeister Jochen Partheymüller kritisierte, dass Oberfranken und Südbayern in Sachen Hochwasserschutz ungleich behandelt würden. „Wird der mögliche wirtschaftliche Schaden in Oberbayern höher angerechnet als in Oberfranken?“, wollte er wissen und warnte vor möglichen Kosten, wenn die Kommunen bei Verbesserungen selbst tätig werden. Die Marktgemeinde werde auf jeden Fall eine Stellungnahme zur Situation abgeben.

Unterlagen liegen bis 11. August in Gemeinden aus

Sein Redwitzer Amtskollege, Bürgermeister Jürgen Gäbelein, war der Meinung, dass man trotz allem das Beste aus der Situation machen müsse. Wie man sich äußert, werde in der nächsten Gemeinderatsitzung besprochen. Daneben solle der Entwurf des Landratsamtes über die Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes an Rodach und Steinach in den Gemeinden ausgelegt werden – als zusätzliches Informationsangebot für die Bürger.

Die öffentliche Auslegung läuft bis 11. August. Während dieser Frist kann jedermann die Unterlagen einsehen und Einwendungen gegen das Vorhaben erheben.

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