SCHWÜRBITZ/MICHELAU

Der geflochtene Anzug aus Schwürbitz

Der geflochtene Anzug aus Schwürbitz
Ein geflochtener Zylinderhut, passend zum Anzug der Geschichte? Ariane Schmiedmann, die Leiterin des Museums, präsentiert diese Kuriosität. Foto: Heinz Fischer

Zu einem festlichen Anlass trägt der Mann einen Anzug. Der ist meist aus Baumwolle und selten aus Leinen oder Seide gewebt. Ein Schwörbeddse Körbmacher erfand etwas Besonderes: einen geflochtenen Anzug. Er machte sich auf den Weg ins zehn Kilometer entfernte Lichtenfels, um seine neueste Erfindung vorzustellen. In Buch „Sagen und Legenden des Lichtenfelser Landes“ von E. und K. Radunz steht die Geschichte „Der geflochtene Anzug:“

Das Korbmuseum in Michelau zeigt viele Kuriositäten: Einen geflochtenen Spazierstock, ein aus feinem Rohr gefertigtes Korsett und einen geflochtenen Zylinderhut mit einer unwahrscheinlichen Geschichte. Im 19. Jahrhundert – die Korbflechtkunst stand in hoher Blüte – galt es für die Korbmacher, immer neue Modelle zu erfinden. Ein Schwürbitzer wollte die Michelauer Korbmacher ausstechen und plante, Kleidungsstücke aus feinem Korbmaterial anzufertigen.

Die Michelauer ausstechen

So flocht der Schwürbitzer Korbmacher anfangs einen aus Jacke und Hose bestehenden Anzug. Das gelang ihm, die geflochtenen Kleidungsstücke passten, der eifrige und geschickte Korbmacher machte sich von Schwürbitz nach Lichtenfels auf den Weg, einem dortigen Korbhändler sein neues Muster vorzuführen. Der Händler betrachtete voller Interesse das Flechtwerk, konnte sich aber nicht entschließen, eine größere Menge davon zu bestellen. Enttäuscht und gekränkt über die Missachtung seiner Arbeit ging der Korbmacher zum Lichtenfelser Bezirkshauptmann, der das Werk gleichfalls bestaunte und dem tüchtigen Mann einen Taler schenkte.

Daraufhin machte sich der Erfinder des neuen Anzugs auf den Heimweg in Richtung Schwürbitz. Auf dem Weg musste der Korbmacher am eigenen Leibe feststellen, dass er doch nicht das richtige Material für den Anzug gewählt hatte: Seine Haut war an zahlreichen Stellen aufgerieben. Er zog sich den Anzug aus und schlich in Unterkleidern über die Wiese nach Hause. Über das Gespött seiner Kollegen brauchte er sich in den nächsten Wochen keine Bange zu machen.

In Uganda noch benutzt

Heute bewundern die Besucher des Korbmuseums einen geflochtenen Hut im Feinflechtraum. Dazu gibt es Tafeln mit Informationen zum Korbmacher. Ob dieser Hut mit der Geschichte des geflochtenen Anzugs in Verbindung gebracht werden kann, bleibt der Fantasie jedes Einzelnen überlassen. Es gibt Menschen, die einen geflochtenen Anzug nutzen; darüber wurde vor acht Jahren in einem OT-Beitrag zur Ausstellungseröffnung „Flechtkunst aus Uganda“ in Lichtenfels berichtet: „In Uganda geht ein 75-jähriger Mann mit einem selbst geflochtenen Anzug auf den Markt und verkauft dort seine Flechtwaren.“

Das Korbflechten wird seit Menschengedenken auf der ganzen Welt ausgeübt. Die Reste eines 10.000 Jahre vor Christus geflochtenen Korbes wurden im Nahen Osten gefunden. Das Flechten bekam mit dem Siedlungsbau Bedeutung; Pfähle wurden in den Boden gerammt, die Wände ausgeflochten und mit einer Mischung aus Lehm und Stroh bestrichen. Diese Technik wurde noch bis ins 19. Jahrhundert angewandt. Außerdem wurden im Verlaufe der Zeit vermehrt Trag- und Gebrauchskörbe hergestellt.

Der geflochtene Anzug aus Schwürbitz
Ein Besuch im Michelauer Korbmuseum ist immer wieder lohnenswert. Foto: Andreas Motschmann

Oberfränkischer Weidenhobel

1773 erfand Johannes Puppert den Weidenhobel: Die große Zeit der feinen Weidenschienenarbeiten begann. Zur Verfeinerung der gespaltenen Weide entwickelte Puppert diesen Hobel. So ein „oberfränkischer Weidenhobel“ leistet seit neun Jahren in einer Werkstatt in Madagaskar den Frauen einer Genossenschaft gute Dienste zum Spalten ihrer Gräser; mit ihren Flechtarbeiten tragen sie zum Unterhalt ihrer Familien bei. Die Leiterinnen des Projektes besuchten auf Einladung des KAB-Diözesanverbandes die Korbstadt Lichtenfels und das Korbmuseum in Michelau. Im Gepäck hatten sie den Weidenhobel. Er war von Wilfried Popp aus Michelau angefertigt worden.

Das Michelauer Korbmuseum

Nach diesen Geschichten aus dem heimischen Schwürbitz und den fernen Ländern Uganda und Madagaskar werden unsere Leserinnen und Leser vielleicht für das Handwerk des Korbflechtens neugierig und besuchen wieder mal das Michelauer Korbmuseum. 1928/1929 wurde in einem Zimmer der Schule für Unterrichtszwecke eine Ausstellung von Körben, Werkzeugen und Korbhändlerkatalogen eingerichtet. 1934 wurde die Sammlung in drei Räumen des damals neuen Rathauses präsentiert und als „Oberfränkisches Korbmuseum“ eröffnet.

Der jährlich stattfindende Korbmarkt in Lichtenfels, eröffnet durch die Korbstadtkönigin, zeugt davon, wie sehr die Tradition der Korbflechter aufrechterhalten wird. Der Themenwanderweg „Pfad der Flechtkultur“ zwischen Lichtenfels, dem Main und Michelau bietet an zahlreichen Stationen Einblicke in dieses Handwerk. Die Staatliche Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung, die einzige ihrer Art in Deutschland, steht seit 1904 für den Erhalt der handwerklichen Korbflechterei.

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Josef Motschmann

 

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