
Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn Bekanntes plötzlich in einem neuen Licht erscheint. Zu dieser Veränderung der Sehweise trug das Konzert des Chors Cantica Nova am Freitagabend in der Michelauer Johanneskirche bei. Es war eine musikalische Kirchenführung, bei der das Innere des Gotteshauses den Gemeindemitgliedern in Wort und Lied nahe gebracht wurde.
Zu würdigen ist dabei das abwechslungsreiche Programm, mit dem die Aufmerksamkeit des Publikums mit einer gezielt gewählten Liedauswahl auf die verschiedenen Attribute der Kirche gelenkt wurde. Die Qualität des Frauenchors wiederum ist hinlänglich bekannt. Die Stimmen überzeugten mit vollendeter Harmonie und Prägnanz im Vortrag. Als geschlossener Klangkörper, im Wechselgesang einzelner Gruppen und auch mehrstimmig wurden die Lieder vorgetragen, die Monika Schilkowski als Leiterin des Chors und Sprecherin des Abends ausgewählt hatte.
Außergewöhnlicher Blick auf das Gotteshaus
Mit „Du bist mein Zufluchtsort“ eröffnete der Chor das außergewöhnliche Konzert zur 200-Jahr-Feier der Johanneskirche. Am Beginn standen passend dazu die Ausführungen über die Königin der Instrumente, die Orgel. Zum Michelauer Instrument gehören 1 460 Pfeifen, erfuhr man. Die Orgel wurde in Ostheim/Rhön gebaut. Dabei wurde das Orgelprospekt von 1839 leicht verändert übernommen.
Angekommen am Altar, lenkte der Chor die Blicke mit „Shine your light“ auf die Osterkerze und mit „Komm zu uns in deinem Wort“ auf das Lesepult. Die Osterkerze steht für die Auferstehung. Alle Kerzen werden an ihr entzündet. Ähnlich symbolträchtig ist auch das Lesepult, von dem aus das Evangelium verkündet wird.
Taufstein aus der Anna-Kapelle?
Der Taufstein stammt möglicherweise sogar noch aus der Anna-Kapelle. Er trägt die Jahreszahl 1582. Er steht für die Aufnahme in die Kirchengemeinde und für Gottes besonderen Schutz, was mit dem Lied „Denn er hat seinen Engeln befohlen“ unterstrichen wurde.
Der an diesem Abend besonders illuminierte Altar bildet den Mittelpunkt der Kirche. Hier wird das Abendmahl gereicht. Blumen, Kerzen und die Paramente (verzierte Stoffdecken) schmücken den Tisch des Herrn. Wichtige Szenen aus der Bibel wie das heilige Abendmahl werden hier dargestellt. Für alle Gläubigen bildet er ein Stück der eigenen Lebensgeschichte bei der Taufe, Konfirmation und Trauung. Mit dem Lied „In Christ alone“ würdigte der Chor diese Bedeutung.
An Partnerschaft mit Tansania erinnert
Mit „Tunaimba“ und dem Tansania-Leuchter auf dem Altartisch wurde an die Partnerschaft mit der Meru Diözese in Afrika erinnert. Das Kreuz Christi steht im Mittelpunkt des Altars über der geöffneten Bibel. Es ist das herausragende Symbol für das Christentum, Symbol der Qualen, die Jesus erleiden musste, aber auch das Zeichen des Sieges über den Tod, woran der Chor mit dem ergreifenden „On the cross of Clavary“ erinnerte.
Kanzel und Altar bilden eine Einheit. In seiner jetzigen Form wurde der Kanzelkorb 1931/32 aufgebaut. Von hier aus wird das Wort Gottes, des Vaters (Lied: „Father“), allen Gläubigen verkündet.

Zahlreiche Bilder und Gemälde schmücken die Michelauer Kirche. Dazu gehört das Deckengemälde aus dem Jahr 1932. Der auferstandene Christus blickt auf seine Gemeinde, gewürdigt mit „You are holy, price of peace“. Christus ist umgeben von den vier Evangelisten. Zu ihnen gehört auch Johannes, der Namenspatron der Michelauer Kirche.
Häufig übersehen werden die kleineren Holzplastiken, zu denen auch die Darstellung Davids mit seiner Harfe, eine Stiftung aus dem Jahr 1975, gehört. Mit „Der Herr segne dich, behüte dich“ stimmte der Chor in den vertrauten Segensspruch ein.
Kleinere Holzplastiken werden oft übersehen
„Die Kirche ist zunächst einmal ein Gebäude. Was wäre unsere Ortsansicht ohne Kirche?“, fragte Monika Schilkowski in die Runde. „Die Kirche ist Zeugnis der christlichen Geschichte unseres Landes, Hinweis auf unsere eigene Lebensgeschichte, ein Ort, an dem Menschen zur Ruhe kommen, der Ort, in dem Gott uns dient.“ Mit diesen Worten schloss die musikalische Kirchenführung die viel Wissenswertes über ein Gotteshaus vermittelt hat, das zwar vielen vertraut, aber in vielen Dingen auch unbekannt war.
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