
500 Jahre Michelauer Kirchengeschichte in einem unterhaltsamen Vortrag zusammen zu fassen, wer könnte das besser als der Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold? Am Sonntagabend hielt er den Festvortrag in der Michelauer Johanneskirche. Manches Schmunzeln huschte über die Gesichter seiner Zuhörer ob des Naturells der eignen Vorfahren. Vorherrschend war jedoch die Bewunderung, mit welcher Hartnäckigkeit diese ihren Glauben und den Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus verteidigten.
Nur einzelne fragmentarische Schlaglichter können hier gesetzt werden mit dem Hinweis darauf, dass Professor Dippold sein Referat der Kirchengemeinde freundlicherweise zur Verfügung stellen will, so dass es im Internet auch von denen nachgelesen werden kann, die am Sonntag keine Möglichkeit hatten, ins Gotteshaus zu kommen.
Ursprünglich gehörte Michelau zur Pfarrei Marktgraitz. Dort wurden die Michelauer getauft, dort wurden sie bestattet. Im Mai 1517 gestattete der Würzburger Bischof angesichts des langen Weges den Bau einer Annakapelle in Michelau.
Protestanten durften? eigenen Friedhof angelegen
Die Reformation erschütterte die gesamte Kirche, vor allem im Bauernkrieg 1525. Die Michelauer begeisterten sich für die neue Lehre, sie verlangten einen eigenen Pfarrer. Ohne Erfolg. Wenigstens durften sie bei der Annakapelle einen eigenen Friedhof anlegen. Auch war die Pfarrei Marktgraitz seit 1553 durch evangelische Geistliche besetzt, doch um 1595 begann die Gegenreformation.
Wer nicht umkehrte, sollte das Land verlassen. 1614 fielen 150 Bewaffnete in Michelau ein. Pfarrer wurden vertrieben. Noch nachdrücklicher als ihre Männer widersetzten sich die Michelauerinnen der Gegenreformation. Doch erst die Kriegswirren des Dreißigjährigen Kriegs brachten die Gegenreformation zum Erliegen.
Gefangene mussten wieder frei gelassen werden
Die Obrigkeit ließ nicht locker. 1663 fielen fürstbischöfliche Beamte nachts mit Musketieren in Michelau ein. Zwölf Gefangene mussten jedoch auf Betreiben des Herzogs von Sachsen-Anhalt „villmhr mit der Güte alß Scherpfe“ wieder freigelassen werden.
Fremden war es nahezu unmöglich, in Michelau Fuß zu fassen. Die Ortsbewohner ließen nur ihre Kinder zusammen „heyrathen. So bestehen die mehresten Familien seit einer unbedenklichen Reihe von Jahren aus lauter Eingeborenen“.

Mancher glaubte, diese Abschottung der Gemeinde habe „eine volle Einförmigkeit in den wilden Gesichtszügen und in der ganzen Gestalt bewirkt, und Einheit der Denk- und Handlungsweise so begünstigt, dass man beim ersten Anblick derselben ... mit einem Schauer zurückbebt“.
Die katholische Seite verteidigte weiterhin ihre Rechtsposition. Die Annakapelle diente, von wenigen Sondergenehmigungen abgesehen, ausschließlich katholischen Gottesdiensten. Auch der Schulmeister musste katholisch sein.
Edikt der Religionsfreiheit sorgt für Wende
Alles änderte sich, als der bayerische Kurfürst die Herrschaft übernahm. Maximilian IV. Joseph von Bayern verkündete das Edikt der Religionsfreiheit. Sofort wurde der Wunsch nach einem eigenen Pfarrer und Lehrer laut, doch das Geld für deren Bezahlung reichte hinten und vorn nicht. Nach längeren Hin- und her genehmigte der Kurfürst sowohl den evangelischen Pfarrer als auch Lehrer.

Im April 1804 wurde Dr. Ernst Clarus zum Pfarrer berufen. Der evangelische Lehrer war Johann Georg Luther aus Untermerzbach. Der katholische Pfarrer aus Marktgraitz hatte weiterhin das Recht, Gottesdienst in der Annakapelle zu halten.
Katholischer Gottesdienst sollte mit Bürgerwehr durchgesetzt werden
Um seine Ansprüche durchzusetzen, erschien dieser 1804 mit 600 Mann in Michelau. 1805 rückte er gar mit Bürgerwehr aus Zeuln, Marktgraitz, Lichtenfels und Staffelstein an. Die Michelauer hatten sich mit Heugabeln und Floßhaken im Kirchhof verschanzt, und die Katholiken zogen ab. Das Hofgericht Bamberg sah darin eine Rebellion und beantwortete diese mit Gefängnisstrafen und Geldbußen.
1807 wurde Clarus zum Dekan ernannt. 1808 endete die Nutzung der Kirche als Simultaneum. Die 300 Jahre alte Kirche schrie förmlich nach einem Neubau. Zeitweise (1812) wurde sie aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Wieder reichte das Geld nicht. 1814 genehmigte der Staat das kostenlose Holz und der bayerische König eine landesweite Kollekte. Im Juni 1817 wurde die Annakapelle abgebrochen. Der Neubau war ein Kraftakt, denn 1817 war ein Hungerjahr. Der Korbhandel stockte, „die Menschen gingen ausgemagert und mit gelbblaßer Gesichtsfarbe umher“. Immer wieder verhinderte Geldmangel den Fortgang der Arbeiten. Doch der Bau wurde vollendet.
Große Umbauten in den 1930-er Jahren
Die Kirche war schmaler als heute. Sie war nach Osten ausgerichtet, der Zugang lag an der Westseite. Um 1900 reichte das Fassungsvermögen der Kirche nicht mehr aus. Der Architekt Will erweiterte 1931 die Kirche durch seitliche Anbauten, so dass eine Kreuzform entstand. Gleichzeitig drehte er den Kircheninnenraum um 180 Grad. Am 10. Juli 1932 wurde der Bau eingeweiht. 1933 erhöhte man den Kirchturm um vier Meter, 1954 hielten fünf neue Bronzeglocken Einzug in den Turm.
„Es ist eine ungewöhnliche Geschichte, die ich Ihnen heute erzählen durfte“, schloss Professor Dippold. „Die Geschichte einer Kirchengemeinde, die sich, was sie hat, selbst erworben, erstritten, ertrotzt hat.“
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