EBENSFELD

Leih-Omas: Viel mehr, als nur gemeinsame Zeit

Leih-Omas: Viel mehr, als nur gemeinsame Zeit
Die Katholische Kindertagesstätte St. Michael Ebensfeld mit Sonja Zillig bringt Familien, die eine zusätzliche, private Betreuung ihrer Kinder benötigen, und diejenigen, die diese Zeit schenken, zusammen. Foto: Corinna Tübel

Die katholische Kindertagesstätte Sankt Michael Ebensfeld agiert als Vermittler zwischen Familien, die zusätzliche Unterstützung in der Betreuung ihrer Kinder brauchen, und denjenigen, die sich als Babysitter, Leih-Großeltern oder Notfall-Joker engagieren wollen. Stark veränderte Familienstrukturen lassen deren Bedarf steigen. Eine Mutter erzählt von den Anfängen dieser ganz besonderen Beziehung ihrer Kinder zur Leih-Oma.

Für die einen bedeutet es Entlastung, für die anderen Abwechslung und für die Kleinsten oft jede Menge Spaß: Während die Nachfrage nach Baby-Sittern, Leih-Großeltern oder Notfall-Jokern, die Betreuungszeiten vor oder zusätzlich zur Krippe oder Kindertagesstätte abdecken, in Großstädten oft sehr groß ist, scheint das auf dem Land kein großes Thema zu sein. Oder doch? „Ja“, weiß die Leiterin der katholische Kindertagesstätte St. Michael Ebensfeld Ulli Zenk. Diese agiert als Familienstützpunkt der Erzdiözese Bamberg seit vielen Jahren als Vermittler zwischen denjenigen, die diese Form der Unterstützung benötigen, und denjenigen, die das „wertvolle Gut“ Zeit besitzen.

In regelmäßigen Aushängen machen sie auf diesen Bedarf, der in den letzten Jahren stark gestiegen ist, aufmerksam. Der Landkreis Lichtenfels nennt etwa gleichstellungs- und beschäftigungspolitische Aspekte als einige der Hintergründe für die Erweiterung des Kindertagesbetreuungsangebots. Hervorzuheben sei besonders der Ausbau an Angeboten für Kinder im Alter von unter drei Jahren und im Grundschulalter. Doch brauchen Familien noch mehr?

Familien mehr und mehr auf sich alleine gestellt

Leih-Omas: Viel mehr, als nur gemeinsame Zeit
Sie lesen, spielen und begleiten: Leih-Omas werden nicht nur in der Großstadt gebraucht. Foto: Pixabay

Oft bilden die veränderten Familienstrukturen einen Hintergrund: „Zwar wohnen wir hier sehr ländlich und manche Familien wohnen noch mit den eigenen oder den Schwiegereltern unter einem Dach, die spontan die Kinder betreuen können,“ weiß Ulli Zenk. „Aber das nimmt immer mehr ab, oder die Großeltern arbeiten heute selbst noch bis ins hohe Alter.“ Gerade in den Neubaugebieten leben heute Menschen, die der Arbeit wegen oder aus anderen Gründen an den Obermain gezogen sind und keinen Familienanschluss in der Region haben. „Gleichzeitig ernähren heute oft beide Eltern die Familie.“ Auch, wenn die Betreuungszeiten der Kindertagesstätten in den letzten Jahren verlängert wurden, so komme es doch vor, dass Termine oder andere Aufgaben eine zusätzliche Betreuung erfordern. Ulli Zenk denkt da etwa an Elternabende oder Termine mit den Geschwisterkindern. Vor allem für alleinerziehende Elternteile könne das zur Herausforderung werden. An dieser Stelle leisten die Ehrenamtlichen, von der Studentin bis zur Großmutter, wertvolle Dienste.

Wenn das Vertrauen wächst…

So empfindet das auch Maria*. Sie ist mit ihrem Mann von ihrem vorherigen Wohnort, der viele hundert Kilometer entfernt liegt, nach Ebensfeld gezogen. Ihren Alltag prägt der tägliche Job, der Haushalt und so vieles mehr. Durch einen Aushang ist Maria auf „ihre“ Leih-Oma aufmerksam geworden. „Ich habe sofort gedacht: Das ist es! Hoffentlich stimmt die Chemie…“ Ganz behutsam hat sich aus dem Kennenlernen, der Anwesenheit der Mutter beim gemeinsamen Spiel und den ersten Entfernungsversuchen ein Vertrauensverhältnis entwickelt - und noch viel mehr: Bald wurden aus der Betreuung zwei „feste“ Stunden in der Woche, aus der Wohnung der Familie ging es bald in das Haus der Ehrenamtlichen, der Leih-Oma stand bald der zugehörige Leih-Opa zur Seite. Heute teilt er mit Marias Sohn ein gemeinsames Hobby. Auch die Leih-Oma genieße das Spiel mit den beiden Kindern, das Vorlesen oder das Entdecken der Natur.

„Es tut meinen Kindern unglaublich gut, auch noch andere Bezugspersonen für sich alleine in ihrem Leben zu haben als uns Eltern. Sie sehen ja auch, wie oft andere Kinder mit ihren Großeltern zusammen sind.“ Auch Maria schätzt den Austausch mit der Leih-Oma, ab und zu bringen sie sich gegenseitig kleine Geschenke mit. Mittlerweile helfen feste Betreuungszeiten bei der Strukturierung der Woche.“ Spontan schauen wir, wie der übliche Termin gerade passt.“ Seit rund eineinhalb Jahren besteht diese ganz besondere Beziehung nun.

Beide Seiten profitieren davon

Oft bleiben diese Bindungen zwischen den Kindern und den Ehrenamtlichen viele Jahre erhalten, denn auch für die Leih-Großeltern bietet das Modell Vorteile: Der Kontakt und das Spiel mit den Kindern bringt Abwechslung mit sich, er aktiviert, fördert die Begegnung zwischen den Generationen und bietet, je nach gewünschter Intensität, Familienanschluss. Nicht immer hat diese besondere Rolle einen klar definierten Titel: Leih-Großeltern, Baby-Sitter oder Notfall-Joker? In jedem Fall wohl „Schätze“, lacht Ulli Zenk.

*Name aus Datenschutzgründen geändert.

Wer sich engagieren möchte, kann sich an die Katholische Kindertagesstätte St. Michael Ebensfeld wenden: Tel.09573/222 55 73, E-Mail: st-michael.ebensfeld@kita.erzbistum-bamberg.de.

Interessierte können außerdem eine Notiz mit den eigenen Kontaktdaten im Briefkasten der Kindertagesstätte hinterlassen. Das Team nimmt dann gerne Kontakt auf und stellt den Kontakt zu den interessierten Familien her. Ob Studentin, Großmutter oder Paar: Wichtig sind Offenheit und die Bereitschaft, sich auf die Bedürfnisse der Kinder einzulassen. Art, Dauer und Aktivitäten innerhalb der Betreuung können individuell mit den Familien besprochen werden. Übrigens: Zum „Schatz“ werden könne auch Jugendliche ab 13 Jahren.

 

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