
Die „Tomatenfraa“ Helga Dressel ist nicht nur eine Expertin für die beliebten Früchte, sondern wegen ihrer unterhaltsamen Führungen durch ihren Garten auch ein Publikumsmagnet. Die Umweltstation Weismain hatte jetzt zur Besichtigung in ihren Garten in Grundfeld eingeladen. Doch statt der rund 200 Besucher, wie im Vorjahr, waren diesmal coronabedingt nur 20 Personen – und das auf zwei Tage verteilt – zugelassen.

An einer großen Weltkarte zeigte die „Tomatenfraa“ den lange Weg der einst exotischen Pflanze von Süd- über Mittelamerika nach Europa, zurück nach Nordamerika und über die Kanalinseln nach Italien (um 1544) , Frankreich und nach Deutschland (1886). Einst nur einen Zentimeter groß und im reifen Zustand schlicht gelb, gibt es die gesunde Frucht heute weltweit in circa 5000 Sorten. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts bezeichnet man sie erst als „Tomate“ – zuvor war die Bezeichnung aus der Inka-Sprache: „Xi-tomatl“ gebräuchlich. Das bedeutet: pralles-Ding-mit-Nabel.
Genau so eine zeigte sie ihren Gästen am Sonntag: denn Helga Dressel zieht 150 verschiedene Sorten in ihrem Garten. Schwarze, gelbe, rote, kleine, große, runde oder tropfenförmige – fast alle Sorten, die es gibt, sind bei ihr in Grundfeld zu sehen.
Im März stehen Wohnzimmer und Wintergarten voller Pflänzchen
Rückblende in den März: Nicht mehr zu erkennen sind Wintergarten und Esszimmer von Helga Dressel. Überall stehen Töpfchen mit winzigen Pflänzchen: Zwei ganze Tage lang hat die Hobbygärtnerin ihre selbst gezogenen Tomatensamen in Aussaattöpfe gesteckt. Sie verwendet dabei nur gute Erde: „Nicht die Billigste aus dem Discounter“, rät sie, auch wenn der Preisunterschied spürbar sei. Man hätte sonst dreifach verloren: zuerst das Geld, weil Billigerde trotzdem kostet, dann die vergeudete Zeit, wenn die Pflänzchen das Keimen und Pikieren nicht überstehen und letztendlich die Chance: denn zum Nachsäen ist es dann meist zu spät.

Helga Dressel hat bereits Mitte Februar mit der Aussaat begonnen. Rund 1000 Samenkörnchen hat sie – getrennt nach Sorten – gesät. Nun waren die kleinen Tomaten aufgegangen und zeigten zwei Keimblätter. Die richtige Zeit zum Pikieren ist genau dann, wenn sich ein kleines, drittes Blättchen an der Pflanze zeigt, das Krönchen, das Hauptblatt in der Mitte, erklärte sie. Jede Pflanze bekommt nun ihr eigenes Töpfchen, samt Sticker oder Beschriftung.
Warum Tomaten lieber Küchenabfälle als Dünger mögen
Ausschuss kommt nicht etwa auf den Kompost, sondern wird als Gründüngung verwendet: „Die Tomate steht gerne in ihrem eigenen Mist“, weiß sie. Wenn die Pflanzen größer sind, bekommen sie anderen Dünger: sie lieben Bananenschalen, Petersilienblätter, Brennesseln und Zwiebelschalen (alles unbehandelt und zerkleinert). Erde mit Torf oder Stickstoffgaben sind schädlich. Mist sollte man, wenn überhaupt, nur verwenden, wenn er mindestens zwei Jahre alt ist – und den dann auch nur sehr sparsam.

Und dann ist da noch etwas: drehen und streicheln. Solange die Pflanzen noch im Haus stehen, müssen die Töpfe dreimal am Tag gedreht werden. Für?s Leben draußen werden sie bei jedem Drehen sanft mit einem Pinsel gestreift. Das kann zum Beispiel ein dicker Kosmetikpinsel sein. Erst wenn sie – nach den Eisheiligen und bei mindestens sechs Grad Nachttemperatur – in den Garten dürfen , brauchen sie einen Stab zum Anbinden. Etwa 150 Tomatenpflanzen bleiben den Sommer über bei Helga Dressel. Die anderen finden Platz bei anderen Hobbygärtnern oder auch bei Michael Stromer in der Umweltstation in Weismain.

Tomaten wachsen gerne in Symbiose: auch wer keine essen mag, sollte sie unbedingt im Garten wachsen lassen. Neben Wirsing-Kraut gepflanzt, verscheuchen sie den Kohlweißling: „Ich hab zwar Krautscheißer, aber lang nicht so viele“, klärt sie die staunenden Gäste auf. Stehen sie neben Karotten gibt es weniger Möhrenfliegen und in der Nähe zu Spargel vertreiben sie „Spargelhähnchen“ (eine Käferart). Nur gezielt morgens gießen, rät sie außerdem. Denn „Tomaten sind wie Frauen: „Sie brauchen viel Liebe, Streicheleinheiten und warme Füße.“
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