
E bensfeld
Sie zählt zu den bedrohten Tierarten und lässt sich in Bayern nur selten beobachten: die Wiesenweihe. Das Überleben des habichtartigen, sehr wendigen Greifvogels ist nur durch intensive Schutzmaßnahmen möglich. Dass diese auch am Obermain Wirkung zeigen, offenbart sich nun auf besonders erfreuliche Weise: Im Landkreis Lichtenfels konnte in diesem Sommer die allererste Wiesenweihen-Brut überhaupt nachgewiesen werden – ein Erfolg, der dem Schulterschluss zwischen Naturschützern, Landwirten und Behörden zu verdanken ist.
Eine erfreuliche Entdeckung im Raum Ebensfeld
Es ist der 26. Mai 2022, als Michael Bäumler auf seiner regelmäßigen Begehungstour der Ackerlandschaft im Raum Ebensfeld westlich des Mains eine interessante Beobachtung macht: Der Naturschützer sichtet eine Wiesenweihe, die sich als Zugvogel zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr in Deutschland aufhalten dürfte – es sei denn, sie erwartet Nachwuchs. Sogleich informiert er seine Mitstreiterin, die Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Marion Damm, und wenig später lässt sich der seltene Vogel auf einer Greifvogelstange beobachten – ein Hinweis darauf, dass er wohl ein Nest bewacht.
Daraufhin hieß es für die beiden LBV-Aktivisten beobachten, abwarten und abermals beobachten. „Wir haben die Landschaft fast täglich mit Ferngläsern abgesucht und konnten schließlich sehen, wie Nistmaterial in ein Getreidefeld eingetragen wurde. Das war ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Wiesenweihe hier nistet und wir möglichst rasch Maßnahmen ergreifen müssen, um das Nest zu schützen“, erinnert sich Michael Bäumler.
Nestsuche war nur per Drohne möglich

Während Wiesenweihen bis vor einigen Jahrzehnten noch in breiten Flusstälern und Flachmooren gebrütet haben, müssen sie heute vor allem auf Getreidefelder ausweichen, da Feuchtgebiete in Bayern selten geworden sind. Und so kam es auch dazu, dass das Ebensfelder Greifvogelpärchen sein Nest im Getreideacker von Jochen Finkel baute.
Um den genauen Standort aber überhaupt ermitteln zu können, war für die Naturschützer mehr als Beobachten per Fernglas nötig. „Vom Boden aus lässt sich so ein Nest nur sehr schwer finden“, erklärt Marion Damm. „Glücklicherweise hatten wir Unterstützung durch Gerhard Naumann aus Marktzeuln, der mit seiner privaten Drohne das Gebiet abgesucht hat und das Nest so lokalisieren konnte, wofür wir sehr dankbar sind.“
Eine wichtige Kooperation mit Landwirt Jochen Finkel

Im nächsten Schritt galt es, Jochen Finkel als Bewirtschafter der Fläche mit ins Boot zu holen und von der Notwendigkeit der Schutzmaßnahmen zu überzeugen. Ein Anruf genügte, und der junge Landwirt stimmte zu, dass der LBV eine Fläche von 50 mal 50 Metern um das Nest abstecken und umzäunen durfte. Finanziert und zur Verfügung gestellt wurde das Material von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Lichtenfels. „Der Zaun schützt die Nestlinge zum einen vor Fressfeinden wie dem Fuchs. Zum anderen sorgt er dafür, dass die Jungvögel während der Erntezeit nicht in die Schneidwerke des Mähdreschers geraten, da sie ja noch nicht wegfliegen können“, erläutert Marion Damm.
A propos Erntezeit: Als es Mitte Juli schließlich ans Dreschen des Getreidefelds ging, staunte manch einer nicht schlecht über den abgesteckten Bereich, der ausgespart wurde. „Es haben tatsächlich viele Leute bei mir angerufen und gefragt, warum denn ein Teil meines Getreides eingezäunt sei und nicht gedroschen werde“, erinnert sich Jochen Finkel, dessen Antwort jedes Mal lautete: „Alles für den Naturschutz.“ Mehr wollten die Beteiligten zunächst nicht verraten, um die Brut vor neugierigen Blicken oder gar Besuchern zu schützen.

Besonders in Erinnerung geblieben ist Michael Bäumler vom LBV die Tatsache, dass sich die Elterntiere während der Drescharbeiten stets in der Nähe aufhielten: „Es war erstaunlich zu sehen, wie sich die Wiesenweihe im Flug dem Nest genähert und Futter hinuntergeworfen hat, als der Mähdrescher weit genug entfernt war.“ Nach weiteren, täglichen Beobachtungsrunden folgte schließlich die gute Nachricht: Die fünf geschlüpften Vögel – und damit übrigens die mögliche Höchstzahl innerhalb einer Brut – hatten es alle geschafft und quicklebendig ihr Nest verlassen.
Nach dem Ausflug der jungen Wiesenweihen konnte Jochen Finkel schließlich die noch übrige Fläche dreschen. Erfreulicherweise wirkte sich die rund zweiwöchige Verspätung nicht negativ auf die Qualität des Weizens aus. „Dieses Jahr hatten wir Glück und auch der verspätet geerntete Weizen kann als Brotweizen verwendet werden“, berichtet der Landwirt, der sich mit den Naturschützern über den Erfolg der Maßnahmen freut.
Auch den Landwirten ist der Artenschutz wichtig

„Es ist schön, dass wir zum Erhalt einer seltenen Vogelart beitragen konnten. Auch wenn es leider oft anders dargestellt wird, aber uns konventionellen Landwirten ist Artenreichtum sehr wichtig, und wir versuchen stets, im Einklang mit der Umwelt und dem Artenschutz zu arbeiten“, bekräftigt der Ebensfelder. Marion Damm und Michael Bäumler wiederum halten es für nicht unwahrscheinlich, dass an derselben Stelle auch nächstes Jahr wieder eine Brut stattfindet. Der Ebensfelder Landwirt jedenfalls würde auch dann wieder zur Verfügung stehen und die betroffene Fläche schützen.
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