
Es war ein Abend für einen der ganz großen Literaten des 20. Jahrhunderts. Schier unendlich ist der Fundus, aus dem die Vortragenden Tanja Schaller, Wolfgang Krebs und Martin Köhlerschmidt schöpfen konnten. Gespannt wartete das Publikum darauf, was sie zu hören bekommen sollten. Nur noch einige wenige Plätze waren frei, als man es sich bei Glühwein, Lebkuchen und Plätzchen gemütlich machte. Und man wurde nicht enttäuscht.
Abwechslungsreich, mit den Stimmen die Facetten der Texte auslotend, immer wieder aufgelockert durch Martin Köhlerschmidt, dessen virtuoses Gitarrenspiel faszinierte, und Tanja Schaller an der Querflöte oder mit dem Akkordeon. Und die Musik war, wie auch die Texte, etwas Besonderes. Wurden doch Stücke gespielt, die man vielleicht nicht unbedingt an einem solchen Abend erwartet hätte. „Nothing else matters“ von Metallica als reines Gitarrensolo oder „Take Five“ von Dave Brubek aus dem Jahr 1959 in Variationen mit Querflöte oder Akkordeon waren Beispiele für das hohe spielerische Niveau.
Von Spannung und Heiterkeitsausbrüchen
Doch ebenso wie die Musik waren die Texte mehr als nur hörenswert. Von heiter bis besinnlich reichte die Bandbreite, die von Tanja Schaller und Wolfgang Krebs mit angenehmen Stimmen vorgetragen wurde. Das Publikum lauschte gebannt, fieberte mit bei der Geschichte des Mannes, der es sich mit dem Nikolaus im Wohnzimmer gemütlich machte. Die Geschichte des „Eiligen Nikolaus“, wie der Protagonist ihn als Kind immer genannt hatte, entpuppt sich am Schluss als Räuberpistole, bei welcher der Erzähler von zwei diebischen Männern ausgeraubt wird, ohne dass er es überhaupt begreift.
Heiterkeitsausbrüche waren bei „Feier mit Hindernissen“ programmiert. Eine Geschichte über eine Weihnachtsfeier im Kreise von Akrobaten und anderen Zirkuskünstlern, die am Ende völlig aus dem Ruder läuft.
Das erste Weihnachten ohne die Eltern
Besinnlich, ja eher schon melancholisch ist die Erzählung „46 Heiligabende“. Ein Mann, der 45 Jahre lang, angefangen von der Zeit, als er noch gestillt wurde, Heiligabend mit seinen Eltern verbrachte und in diesem Jahr zum ersten Mal nicht bei ihnen ist. Er erzählt von den vergangenen Weihnachten, von den Dingen, die schiefgegangen waren, und stellt sich vor, was sein Vater und seine Mutter an diesem Abend machen. Im Publikum wurde dabei das ein oder andere Tränchen verdrückt.
Mit „Parade am Weihnachtstisch“ karikiert Kästner den Drang, zu Weihnachten Geschenke in Massen zu verteilen, die aber meistens nicht gewürdigt werden.
Wenn der Weihnachtsmann mit den Herrschenden abrechnen soll
So las man sich durch die Werke dieses großen Schriftstellers, dessen Bücher im Dritten Reich verboten waren. Warum, das erschließt sich zum Beispiel in dem Gedicht „Brief an den Weihnachtsmann“ von 1930: Er rechnet mit den Herrschaften an der Spitze ab und bittet den Weihnachtsmann, sich ihrer doch mal mit der Rute anzunehmen (und nach München zu fahren, um Hitler den Germanenhintern zu versohlen). Ein Text, den man vielleicht auch in die heutige Zeit transportieren kann.
Zu einem „Running Gag“ entwickelte sich ein wohl so nicht geplantes Ereignis. Als Martin Köhlerschmidt an einer Stelle, an der er mittels Klopfens auf der Gitarre ein Klopfen an der Tür darstellen sollte, seinen Einsatz verpasste, führte dies zu kurzfristiger Verwirrung auf der Bühne und Heiterkeit im Publikum. Auch einen zweiten Einsatz verpasste er. Doch als er zum dritten Mal klopfen sollte, stand er auf und klopfte demonstrativ auf die Gitarre, was das Publikum zu Lachstürmen und spontanem Szenenapplaus hinriss.
Ein Abend, der noch lange nachhallen wird
Es war ein Abend, der im Inneren wohl noch lange nachhallen wird. Geschichten und Gedichte, die einen berühren, die einen zum Lachen bringen, aber auch zum Nachdenken anregen. Viel zu schnell war es zu Ende, das Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem Applaus für diese berührende und aus der Hektik der Zeit entführende Darbietung.
Die Vortragenden verabschiedeten sich mit einem Gedicht, dessen Tragweite man erst begreifen muss. „Keiner weiß, wie reich du bist. Und du weißt es manchmal selber nicht.“ Und so verwundert es nicht, dass die Besucherinnen und Besucher baten: „Bitte, nächstes Jahr wieder.“
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