
Eine Sternstunde nur für Geschichtsfreunde waren die Ausgrabungen am Standort des keltischen Zangentors auf dem Staffelberg. Die Pläne zu einer Rekonstruktion des Westtors zum keltischen Oppidum, die große Erwartungen geweckt hatten, sind jetzt vom Tisch, wie aus dem Kreisentwicklungsausschuss berichtet. Stattdessen soll die gewaltige Dimension der Toranlage mit Eichenpfosten markiert werden, wie Andreas Grosch vom Landratsamt mitteilte.
Sie sollen in den freigelegten Löchern der keltischen Originalpfosten errichtet werden. Denkbar ist auch die Rekonstruktion eines kleinen Mauerabschnitts, um die Bauweise mit Bruchsteinen zwischen Holzpfosten zu verdeutlichen. Weitere Informationen zum Tor und zum Leben der Kelten auf dem Staffelberg zwischen 130 und 50 vor Christus soll es in einem Ausstellungsraum vor Ort geben.
Den Ausschlag für die Entscheidung gegen eine Rekonstruktion gaben die Kosten, denn trotz der Aussicht auf eine EU-Förderung als Leader-Projekt hätte der Landkreis eine mindestens siebenstellige Summe finanzieren müssen. Angesichts der Belastungen durch die Pandemie und mehrere vordringliche Schulsanierungen für Landrat Christian Meißner eine Abwägungssache: „Wir müssen jetzt Vernunft walten lassen.“
Trotz vieler Funde bleibt die genaue Form des Tors eine Schätzung
Genau genommen wurde das Projekt ein Opfer des eigenen Erfolgs, denn als die Grabungen im April 2018 begannen, gingen die Archäologen unter Leitung von Dr. Markus Schußmann nicht davon aus, dass sie eine derart große Anlage freilegen würden. Entsprechend niedriger fiel die Kostenschätzung für eine Rekonstruktion aus. Hinzu komme, dass zwar viele Details zur Bauweise der Toranlage bei der Grabung entschlüsselt worden seien, einiges wie die Anzahl der Stockwerke (geschätzte Höhe 12,5 Meter) oder die Dachneigung jedoch nur geschätzt werden könne, erklärte Grosch. Denn von der Pfostenschlitzwand blieben nur die Verankerungslöcher der Pfosten und die Bruchsteine, aus denen sich aufgeschichtet worden war, doch der obere Teil stürzte wohl ein, als das Holz vermoderte.

Dass die Entscheidung erst mehr als vier Jahre nach Grabungsbeginn gefallen ist, liege an der aufwändigen Auswertung der Ergebnisse sowie der Abstimmung des Landratsamt mit der Stadt Bad Staffelstein, den Naturschutzbehörden und Statikern, so Grosch.
Ein authentisches Bild von den Ausmaßen des ehemaligen Tors, das zu beiden Seiten von hohen Mauern, von denen aus Angreifer quasi in die Zange genommen werden konnten, flankiert und in der Mitte von einem Torhaus überdacht war, solle die Visualisierung durch Eichenpfosten am historischen Standort bieten. So kann sich der Wanderer, wenn er durch die lange Reihe der Posten geht, die Anlage vor seinem geistigen Auge ausmalen. Da das Bodendenkmal ausgegraben ist, habe das Landesamt für Denkmalpflege die Nutzung der Pfostenlöcher genehmigt, betonte Grosch. Nicht ausgegrabene Bereiche würden geschützt.
Ergänzt werden soll die Visualisierung durch einen Ausstellungsraum, über dessen Größe und Standort das Landratsamt zurzeit mit der Stadt Bad Staffelstein berät. Auch die Frage des Unterhalts gelte es zu klären. Neben Informationen zur keltischen Stadt und ihrer Bedeutung sowie dem Zangentor sollen dort die Grabungsergebnisse didaktisch aufbereitet werden. Gezeigt werden sollen auch Repliken der Funde, wie etwa ein im Boden erhaltener Fußabdruck eines vor rund 2000 Jahren auf der Baustelle tätigen keltischen Arbeiters. Die Fundstücke selbst müssen wegen ihrer Empfindlichkeit (viele sind aus Metall) in einer speziellen Umgebung, wo Luftfeuchtigkeit und Temperatur zu ihrem Erhalt optimal reguliert werden können, gelagert werden.

Die Bauarbeiten sollen noch diesen Herbst und im Frühjahr erfolgen, kündigte Grosch an. Somit könnte der Wanderweg im nächsten Sommer wieder passierbar sein. Die Kosten könnten derzeit noch nicht beziffert werden.
Mit jedem Meter Entfernung vom Boden beginnt die Vermutung
Bezirksheimatpfleger Professor Günter Dippold hält den Beschluss auf Verzicht einer Rekonstruktion für sinnvoll. Wichtig sei es vor allem, dass die Umrisse des Tors sichtbar gemacht werde. Die Archäologen hätten zwar staunenswert viel über das Bauwerk herausgefunden, aber zugleich müsse man sagen, dass es gehörige Unschärfen gebe: „Mit jedem Meter, den man sich vom Boden entfernt, sinkt die Sicherheit und steigt die Vermutung.“ Über Dachneigungen – um nur ein Beispiel zu nennen – könne man keine zweifelsfreien Aussagen treffen, zumal es, anders als bei römischen Befestigungen, keine Referenzobjekte gibt.
„Eine Kenntlichmachung der bekannten baulichen Spuren im Gelände und eine Rekonstruktion mit den Mitteln der Augmented Reality, die sich beständig verbessern, scheinen mir der richtige Weg: Ein digitales Modell kann man immer noch nachbessern, wenn es doch neue Erkenntnisse gibt. Gebaut ist gebaut“, betonte Dippold
Außerdem wirke der Staffelberg für sich und müsse nicht aufgewertet werden: „Die vielen, vielen Menschen aus Nah und Fern, die ihn besuchen, sind doch wahrlich genug.“ Erst vor einigen Jahren seien mit gehörigem Aufwand die Keltenwege rund um Bad Staffelstein ausgeschildert worden, um den Zustrom der Menschen etwas besser zu verteilen. „Der Berg braucht keine zusätzlichen Attraktionen, er selbst ist schon die Attraktion“, so der Bezirksheimatpfleger.
Die Funde und Befunde sollten allerdings unbedingt möglichst nahe am Berg, möglichst in Blickweite, präsentiert werden, regte Günter Dippold an. Dazu seien aber nicht nur Räume, Vitrinen und Bildschirme erforderlich, sondern in erster Linie Menschen: „Eine lebendige Ausstellung wird nur dann entstehen, wenn es eine fachkundige Person gibt, die sie betreut und die den Gästen nahebringt, wie Archäologen heute arbeiten, was sie hier alles herausgefunden haben und wo Grenzen der Erkenntnis sind.“ Für den Standort des Tors gelte das Gleiche: „Eine Fachkraft, die die Forschung und ihre Erkenntnisse vermittelt, ist unverzichtbar. Noch so viele Tafeln, Monitore oder Apps können eine engagierte Führung niemals ersetzen.“
Grabungsleiter: Die Rekonstruktion wäre realistisch geworden
Enttäuscht, dass die geplante Rekonstuktion nicht verwirklich wird, äußerte sich Grabungsleiter Dr. Markus Schußmann. Die Visualisierung sei zwar ein sinnvoller Kompromiss, wenn das Geld fehle, doch könne sie nur die Fläche verdeutlichen, auf der sich das Tor einst erstreckte, nicht aber dessen gewaltige Ausmaße. „Ein Laie bekommt nur durch ein Bauwerk einen realistischen Eindruck“, betonte er.
Nicht gelten lässt Schußmann das Argument, dass die Rekonstruktion des Tors zum Teil auf einer Schätzung beruhen würde. „Aufgrund der Vielzahl der Funde sind wir hier viel weiter als bei jeder anderen keltischen Toranlage“, betonte er. Die Länge und die Ausdehnung der Mauern weise auf ein Torhaus mit einem Giebeldach in der Mitte hin. Die doppelreihigen Mauern und die quadratischen Eichenpfosten erlaubten bautechnische Rückschlüsse auf die Höhe. Das sei auch baustatisch abgesichert.
Für die Archäologie sei die Grabung auf jeden Fall ein Gewinn aufgrund der vielfältigen Funde und Erkenntnisse, an deren Publikation er arbeite. Da die Rekonstruktion modernen Sicherheitsbestimmungen entsprechen müsste und nicht nach historischen Arbeitsmethoden erfolgt wäre, halte sich der Verlust für die Wissenschaft in Grenzen, doch für die pädagogische Vermittlung wäre sie ein Gewinn gewesen. Skeptisch sieht Schußmann die Möglichkeit weiterer Grabungen auf dem Staffelberg, da das Landesamt für Denkmalpflege die Genehmigung dazu nur in Verbindung mit der als Leuchtturmprojekt angesehenen Rekonstruktion gegeben habe.
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