EBENSFELD

Bürgerversammlung in Ebensfeld zum Hochwasserschutz

Auch der Ebensfelder Ortsteil Unteneuses blieb in der Vergangenheit nicht verschont von der Hochwasserproblematik. Diese Aufnahme entstand im Mai 2019, als der Haselbach über die Ufer trat. Foto: News5/Merzbach

Dass man bei der Einschätzung der Gefahren durch Starkregen größere Flüsse wie hierzulande den Main auf dem Schirm haben muss, versteht sich von selbst. Doch es war auch nicht ohne, als in der Vergangenheit der Haselbach bei Unterneuses und der Kellbach in Ebensfeld, Kleukheim und Prächting über die Ufer traten. Hier setzt das vom Markt Ebensfeld initiierte Konzept eines Sturzflut-Risikomanagements für Gewässer dritter Ordnung im Gemeindegebiet an, um bei künftigen Starkregenereignissen die Auswirkungen zu reduzieren. Weil dabei die Bevölkerung mit ins Boot geholt werden soll, fand zum Auftakt des geschätzt ein Jahr beanspruchenden Prozesses zur Umsetzung des Konzepts eine Bürgerversammlung in der Ebensfelder Pater-Lunkenbein-Halle statt.

Bürgermeister Bernhard Storath dankte rund 30 interessierten Bürgern für ihr Kommen. Sein Willkommensgruß galt auch Martin Löffler und Alberto Santas von Gaul Ingenieure und Matthias Kraft von Baurconsult. Die beiden Planungsunternehmen hatten seitens der Marktgemeinde den Auftrag zur Erstellung des Sturzflut-Risikomanagement-Konzepts erteilt bekommen.

Zu trennen von Festsetzung Überschwemmungsgebiet Kellbach

Das Konzept ist aber strikt zu trennen von der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie zum Zwecke der Schaffung einer ökologisch sinnvollen Durchgängigkeit der Fließgewässer sowie von der kürzlich im Gemeinderat beleuchteten behördlichen Festsetzung des Überschwemmungsgebiet am Kellbach mit den Auswirkungen für im Gebiet ansässige Heizölanlagenbesitzer. Betreffend letztgenannter Thematik merkte Bürgermeister Bernhard Storath, dass die Gemeinde dabei ist, ein Ingenieurbüro zu finden mit dem Ziel, das Ganze zu bündeln, damit es für die einzelnen Betroffenen nicht zu teuer werde.

„Selbst die modernste

Technik erfasst

nicht jeden Bordstein“

Martin Löffler, Diplomgeograf

Die Umsetzung des Sturzflutmanagements für Gewässer dritter Ordnung im Markt Ebensfeld werde rund ein Jahr dauern, kam der Rathauschef dann auf das Thema des Abends zu sprechen. „Dann werden wir sehen, wo wir Handlungsbedarf haben“, meinte er. Damit übergab er das Wort an Diplomgeograf M. Sc. Martin Löffler, der stellvertretend für die beiden Planungsunternehmen das Konzept und dessen Ablauf darlegte. Zum Auftakt veranschaulichte Löffler anhand aussagekräftiger Bilder und Grafiken die möglichen Auswirkungen von Starkregenereignissen. Den Zuhörern wurde vor Augen geführt, dass bei der Beurteilung der Gefahren durch Starkregenereignisse viele Determinanten eine Rolle spielen können, von der Topografie bis zu Standort und Entfernung umliegender Wiesen, Wälder und Gräben. Den ersten Schritt bildet eine fundierte Einschätzung, wo im Gemeindegebiet an Gewässern dritter Ordnung welche Gefährdungslage durch Starkregen vorliegt, kurz die Bestandsanalyse.

Wie Löffler ausführte, kommen hier neben Zuhilfenahme historischer Karten Luftbilder, Flächennutzungspläne und nicht zuletzt hochauflösende Geländekarten des Bayerischen Landesvermessungsamtes zur Anwendung. Löffler zeigte auch Computersimulationen, die eine Einschätzung zur Gefährdungslage von Gebäuden in relevanten Gemeindegebieten geben.

Ein Restrisiko wird es immer geben

„Aber selbst die modernste Technik kann nicht jede Mauer und jeden Bordstein erfassen“, gab Löffler zu bedenken. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass Gewässer dritter Ordnung - anders als bei größeren Flüssen wie dem Main - in der Regel nicht über Messstationen verfügen. „Und deshalb ist die Mitwirkung von Ihnen, den hier lebenden Bürgern, so wichtig“, unterstrich Löffler.

Er kam damit auf den Fragebogen zur Bürgerbeteiligung als zu sprechen, der bei der Bürgerversammlung zum Mitnehmen auslag. Zum Einstieg in den Prozess zur Umsetzung des Sturzflut-Risikomanagements können betroffene Bürger hier beispielsweise ihre Erfahrungen mit Hochwasser mitteilen.

Wie Bürgermeister Storath in Richtung derjenigen ergänzte, die an der Bürgerversammlung nicht teilnehmen konnten, wird der Fragebogen auch im gemeindlichen Mitteilungsblatt abgedruckt werden.

Diplomgeograf Martin Löffler von Gaul Ingenieure thematisierte die Gefahren durch Hochwasser und Starkregen und skizzier... Foto: Mario Deller

Im Fragebogen, welcher bis Jahresende bei der Gemeinde abgegeben werden möge, können die Bürger ihr Einverständnis erklären zur Vereinbarung eines rund halbstündigen und für sie kostenfreien Vorort-Termins eines Planers in ihrem Anwesen im Februar oder März 2023.

Hochwasser-Erfahrungen der Bürger wertvoll

Dabei können die Bürger auch ergänzende Infos mitteilen oder die Erlaubnis für Fotoaufnahmen zur Aufnahme in die Bestandsanalyse geben. Quasi im Gegenzug erhalten die teilnehmenden Bürger auf Wunsch gerne auch Tipps, wie sie ihr Anwesen vor Hochwassergefahren schützen können.

Die von Löffler genannten nächsten Schritte nach den Vorort-Terminen sind dann Vermessungsaufnahmen, auf der Basis der bis dahin erhaltenen Daten die Konkretisierung der Gefahren- und Risikobeurteilung.

Kein ganz einfaches Verfahren

In Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt folgen die Entwicklung und schließlich die Umsetzung als sinnvoll erachteter Maßnahmen. Der Abschluss des Konzepts ist für Ende 2023 oder Anfang 2024 anberaumt. „Der Ablauf bis zum Abschluss mag sperrig erscheinen, doch die Schritte sind notwendig, damit für die daraus abgeleiteten Maßnahmen auch Fördergelder generiert werden können“, merkte der Planer an.

Wenn nach einem Starkregen das Wasser in den Keller läuft, kann infolgedessen auch der Strom ausfallen. Ein von Löffler gezeigter Kurzfilm in der WDR-Mediathek unter dem Titel „Hochwasser - die Gefahrenquellen im Keller“ simuliert diese manchen in Panik versetzende Situation.

Betroffene sollten jedenfalls die Kraft der Wassermassen nicht unterschätzen. „Ab welcher Wassertiefe lässt sich eine Kellertür nur noch mit großer Anstrengung öffnen?“, warf Löffler eine in diesem Zusammenhang interessante Frage in den Raum. Die Antwort mag viele überraschen, denn dies ist bereits bei einer Wasserhöhe von 30 Zentimetern der Fall. Laut des von Löffler erwähnten Wasserhaushaltsgesetz (WHG) ist sind von Hochwasser beziehungsweise Starkregenereignissen potenziell Betroffene zu Vorsorgemaßnahmen verpflichtet. Unter dem wichtigen Aspekt „Eigenvorsorge“ ging er auf einige Möglichkeiten ein von Wasserschutzschläuchen über mobile Dämmbalken an Fenstern bis hin zur wasserdichten Kellertür.

„Das Wasserhaushaltsgesetz erlaubt es nicht,

eine zwei Meter

hohe Mauer ums

Grundstück zu ziehen“

Martin Löffler bei der Diskussion zum Thema Eigenvorsorge

Ganz abgesehen von der moralischen Bewertung der Anwendung des „Sankt-Florian-Prinzips“ erlaubt der entsprechende Paragraph im WHG allerdings nicht, die Hochwassergefahr in unzulässiger Tragweite auf Nachbarn abzuwälzen. „Man darf jetzt keine zwei Meter hohe Mauer um das Grundstück ziehen“, so Löffler.

Bei der im Anschluss an die Konzeptvorstellung stattfindenden Fragerunde meldeten sich auch zwei Bürger aus Eggenbach zu Wort, die auf ihren Anwesen bereits Hochwasserschäden erlitten. Hieraus wurde einmal mehr deutlich, dass je nach Flussverlauf und Fließrichtung die Bewältigung der Hochwasserproblematik in Teilen gemeindeübergreifend angepackt werden sollte.

Die Aussichten sind keinesfalls rosig

Die Nutzung regenerativer Energien verhindert zwar nicht den Starkregen von morgen oder übermorgen, aber kann auch in Sachen Hochwasserschutz dringend ans Herz gelegt werden: Löffler nennt eine wissenschaftliche Prognose, derzufolge jedes Grad Klimaerwärmung die Anzahl der Starkregenereignisse um sieben Prozent erhöht.

Für Fragen zum Sturzflut-Risikomanagements steht seitens des Marktes Ebensfeld Tobias Walter als Ansprechpartner zur Verfügung, Tel. (09573) 9608-14 oder per Mail an tobias.walter@ebensfeld.de.

 

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