
„Steig' auf den Stuhl, steh' auf einem Bein und streck' die Zunge 'raus“ – die neueste Errungenschaft der Firma Robot Actor Inc. macht genau das, was ihr befohlen wird, ohne es zu hinterfragen. Allerdings mangelt es dem weiblichen Androiden an jeglichem schauspielerischen Talent. Dafür kann sie die Texte von 3200 Theaterstücken aus dem Stehgreif rezitieren. Auch sonst hat sie einiges an Features zu bieten. Zig Sprachen, darunter Chinesisch. Theaterblut, die ganze Bandbreite an Emotionen von Wutausbrüchen bis Liebesszenen. Ein Mausklick und schon stehen sie bereit. Sieht so die Zukunft des Theaters aus?
Angriff auf die Lachmuskeln
Am vergangenen Donnerstag hatte die Komödie „Die Schöne und das Fossil“ im Brückentheater Premiere. Eine Komödie mit viel Potenzial, witzig, spritzig von großartigen Schauspielern aufgeführt. Ein wahrer Angriff auf die Lachmuskeln. Im Stück von Reiner Dohlus spielt Clarissa Hopfensitz den weiblichen Androiden mit eckigen Bewegungen und einem starren Gesichtsausdruck. Martin Rosenberg mimt Wilhelm Kanzler, ein Fossil des deutschen Theaters, der mit den weiblichen Androiden so seine liebe Not hat. Als Dritter im Bunde gibt Christoff Ackermann den sanierungs- und sparwütigen Intendanten, der in der Neuerwerbung die Zukunft des Theaters sieht.
„Textverständnis hervorragend, Gestik katastrophal“, lautet das vernichtende Urteil von Wilhelm Kanzler nach einem kurzen Test. Sein Intendant ist dagegen von der Neuerwerbung mehr als begeistert. Was wäre denn die Alternative gewesen nach der Erkrankung der Hauptdarstellerin? Absagen? Das Gute an dem weiblichen Androiden sei, dass sie nicht rum zickt, da sie ohnehin nur aus einem Haufen Blech, ein Paar Mikroprozessoren und den entsprechenden Programmen bestehe.
Ihre Hände, nur diese, sind dem menschlichen Körper nachempfunden und beheizt. Der Liebeszenen wegen. Einmal in der Woche wäre ein Upgrade fällig. Gesteuert wird die Actress 4.1. über Smartphone oder Laptop. Es gebe auch ein Benutzerhandbuch, versichert der Intendant. Wilhelm Kanzler aber hätte sich lieber mit realen Schauspielern auseinandergesetzt, hätte um jede Szene gerungen und gestritten und letztlich so das Stück zum Erfolg geführt.
Sein Intendant dagegen weist auf die hohen Kosten des Theaterbetriebs hin, die hoch subventioniert ohnehin nur von einer kleinen Schicht des Bildungsbürgertums genutzt werden. Weil aber die kleine Minderheit immer wieder die selben Klassiker sehen will, zahle der Steuerzahler Unsummen von Geld. „Schiller und Goethe sind Tod, Schluss mit Shakespeare“, ereifert sich der Intendant. Ein Argument, dem Wilhelm Kanzler widerspricht. Was wird das Publikum zur neuen schönen Theaterwelt sagen? Am Ende werde es wie mit dem Käse auf der Pizza sein. Da habe der Verbraucher aus Kostengründen schon längst den Analogkäse akzeptiert. So wird es auch mit dem Theater sein, prophezeit der Intendant, der sich in die Computerfrau regelrecht verliebt hat.
Teilnahmslos und im Sparmodus verfolgt die Actress 4.1. der Firma Robot Actor Inc. die Diskussion, um allerdings beim Stichwort „Androide“ den Männern ins Wort zu fallen mit dem Hinweis, sie sei ein Genoide. Also wird weiter getestet und die Funktionen – davon hat der weibliche Androide eine ganze Menge – der Reihe nach ausprobiert. Selbst Chinesisch ist für die Actress 4.1 kein Problem. Dumm nur, dass sich dabei das Sprachprogramm „aufhängt“ und der Regisseur kein chinesisch kann, um das Problem zu lösen. Ein Techniker der Firma muss her...
Hälfte der Plätze leer
Nur schade, dass das Brückentheater trotz seiner wenigen Plätze nur halb besetzt war. Eine Erklärung wäre, dass sich die wenigsten unter dem Titel der Komödie „Die Schöne und das Fossil“ etwas vorstellen konnten. Es war eine grandiose Premiere. Ein Glück das Schauspielerin Clarissa Hopfensitz am Ende wieder „normal“ war und das ist auch gut so.
Schlagworte