UNTERNEUSES

Clemens und Lucian Muth: Wenn Kunst und Ort harmonieren

Vater Clemens und Sohn Lucian Muth arbeiten gemeinsam an der Skulpturengruppe am Fischerkreuz. Foto: Tim Birkner

Clemens und Lucian Muth gestalten derzeit drei unterschiedliche Werke im Landkreis Lichtenfels – eine Skulpturengruppe oberhalb von Oberlangheim, eine Brunnenanlage in Stublang sowie das Altarbild im Andachtsraum des neuen Klinikums.

Überall leiten Clemens Muth Fragen über den Ort und die Nutzung, überall begleitet ihn sein Sohn. Lucian ist in der elterlichen Werkstatt aufgewachsen, doch erst bei einem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Dombauhütte in Passau hat er für den Beruf, der für seinen Vater Berufung ist, Feuer gefangen. Inzwischen hat er seinen Meistertitel und begegnet seinem Vater auf Augenhöhe.

Vater und Sohn entwickeln im Atelier Ideen, gehen zusammen auf die Anhöhe zwischen Uetzing und Oberlangheim, lassen den Ort auf ihre Ideen wirken und diskutieren – miteinander und mit Passanten, die sich für ihre Arbeit interessieren. „Ich musste erst lernen, etwas anzunehmen. Hier oben hat sich die Idee von Lucian bezüglich eines entscheidenden Gestaltungsdetails dann aber durchgesetzt. Und ich stehe voll dahinter“, sagt der Vater.

„Mutter Gottes und die 14 Nothelfer“ ist ihr Thema, die Kirchenstiftung Oberlangheim ihr Auftraggeber und ein zugiger, sonniger Ort ihr Arbeitsplatz. „Wir wollten das markante Fischerkreuz einbeziehen“, erzählt Clemens Muth. Die neuen Skulpturen liegen diagonal über die Kreuzung. Die Mutter Gottes mit Jesus auf dem Arm blickt durch zwei Stelen hindurch auf das Fischerkreuz. Auf den Innenseiten der Stelen funkelt und bricht sich die Morgen- wie die Abendsonne, auf den Außenseiten wachen die 14 Nothelfer.

Flusssand in Blöcke gegossen

Das Material ist Flusssand aus dem Maintal, mit Bindemittel zu großen Blöcken gegossen. Objekt und Ort gehören für die Muths untrennbar zusammen, ganz egal ob in Oberlangheim, Stublang oder im Klinikum. Oder irgendwo anders in Deutschland. „Staunen und Fragen stellen sind für uns Grundvoraussetzungen, ganz egal, ob wir restaurieren oder Neues gestalten.“ Was ist bislang geschehen? Warum ist es geschehen? Wie passt das Objekt in die Umgebung?

„Staunen und Fragen stellen sind für uns Grundvoraussetzungen, ganz egal, ob wir restaurieren oder Neues gestalten.“
Clemens und Lucian Muth, Bildhauer

Wenn die Muths Altes restaurieren, leiten sie die Fragen und Antworten zu den originalen Spuren. Sie versuchen dem Künstler, dem Objekt und der Geschichte gerecht zu werden. „Das heißt sehr wissenschaftlich zu arbeiten und die eigene Phantasie zu dämpfen“, beschreibt Clemens Muth das Vorgehen. In der Bildhauerei können sich die bildenden Künstler dann austoben, selbst gestalten, ihre Ideen entwickeln und der Nachwelt hinterlassen.

Als Kinder die Messer gewetzt

Demut ist wichtig in diesem Beruf. „Ich arbeite an Objekten, an denen Menschen im 15. Jahrhundert auch schon gearbeitet haben. Und das, was ich damit mache, bleibt weitere hundert Jahre oder länger“, erzählt Lucian Muth. Zu Beginn der Denkmalpflege hat man die Dinge wieder „schön“ gemacht, so sauber, als hätte man sie mit dem Hochdruckreiniger bearbeitet. „Heute gehen wir behutsamer vor, belassen die Spuren der Zeit und des Alters“, sagt Clemens Muth.

Da gab es beispielsweise einen Bildstock in Unterfranken, der weichen musste, weil eine neue Straße geplant wurde. Er landete in der Werkstatt in Unterneuses bei Ebensfeld. „Die Altarplatte hatte eine Mulde, die wir uns nicht erklären konnten“, erinnert sich Clemens Muth. Beide standen vor der Frage, ob die Oberfläche wieder hübsch und eben gemacht werden oder die Mulde bleiben sollte. Die Muths entschieden sich für Letzteres. Als sie den Bildstock in dem Ort wieder aufbauten, lüftete ein alter Mann das Geheimnis.

Als Kind wurde er von seinen Eltern zu diesem Bildstock geschickt, um dort die Messer zu schärfen. „Jedes Objekt hat seinen Ort – und die Menschen, die damit leben, gehören zur Geschichte dazu“, sagt Vater Muth.

In ihrer Wekstatt begegnen sich die beiden Welten. Das Neue, wie Modelle für die Skulpturengruppe in Oberlangheim, und das Alte, wie eine Marienfigur, die für ein Museum restauriert werden soll. Und es begegnen sich Menschen. Vater und Sohn ebenso wie Auszubildende und Workshop-Teilnehmer.

An den Wänden finden sich Spuren: Hier wurde ein Stuckmarmor wie er beispielsweise in Vierzehnheiligen zu sehen ist, ausprobiert, dort eine historische Farbe. Mittendrin ein Kalksteinblock. Er gehört zum Brunnen in Stublang. Clemens Muth zeigt ein Modell aus Moosgummi, wie er für Blumengestecke verwendet wird. Auch hier soll sich der Ort wiederfinden. „In Stublang wurde terrassenförmig Landwirtschaft betrieben, es gab viele Mühlen und es fließen zwei Bäche zusammen – das soll sich in dem Brunnen widerspiegeln“, schildert Clemens Muth die Überlegungen.

Licht und Wasser als Zutaten

Licht und Wasser das sind die Zutaten, die ein Kunstwerk aus Stein, das so unvergänglich und ewig erscheint, ständig anders wirken lassen, ihm Leben einhauchen – und von jedem Betrachter anders wahrgenommen werden. „Jesus Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt“ ist das Thema für das Altarbild im Andachtsraum des neuen Klinikums. Wer ist da? Und warum? Wo kommt das hin? Auch hier leiten die Muths Fragen. „Menschen aus allen Religionen sollten sich hier aufgehoben fühlen“, sagt Clemens Muth. Emotionen wie Freude, Trauer und Verzweiflung sollten ihren Raum bekommen. Künftig werden farbig lasierte Ahornstelen von hinten beleuchtet. Und wer möchte, kann auf den Stelen ein Kreuz aus Blattgold erkennen.

Im Atelier leben die drei neuen Werke noch unter einem Dach. Das Modell des Altars auf der Fensterbank, davor der Standfuß aus Kalkstein für den Brunnen in Stublang und aus Ton modellierte Symbole für die 14 Nothelfer. Ihnen schaut ein Marienkopf in Originalgröße zu. Die Augen der Muttergottes blicken durch das Fenster über den Hof auf einen Schuppen, in dem in einem Schwerlastregal Steinplatten lagern. Was sie aber hört und erlebt, ist die ständige Beschäftigung mit ihr. Die Bildhauer Clemens und Lucian Muth machen sich Gedanken über Marias Leben auf der Bergkuppe zwischen Oberlangheim und Uetzing gleich gegenüber des Fischerkreuzes. Und dieses Leben wird weit über ihr eigenes hinausreichen.

Lucian Mut misst, wo der nächste Schnitt sitzen muss. Foto: Tim Birkner
Die Mutter Gottes schaut auf ihren Bauplan. Foto: Tim Birkner

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