ALTENKUNSTADT

Umschlagplatz für 100 Millionen Artikel in Altenkunstadt

Umschlagplatz für 100 Millionen Artikel in Altenkunstadt
Die Großbaustelle für das neue Shuttle-Lager der Firma Baur Hermes Fulfilment haben die Geschäftsführer Kamil Christoph Kasprowicz (CEO) und Peter Volk (COO) fest im Blick. Foto: Gerhard Herrmann

Neulich ist Kamil Christoph Kasprowicz abends auf den Kordigast gewandert, um sich die Großbaustelle für das vollautomatische Shuttle-Lager des Logistikzentrums in Altenkunstadt aus der Vogelperspektive anzusehen. Kamil Kasprowicz (CEO) und Peter Volk (COO) sind die Geschäftsführer der von der Baur-Gruppe und Hermes Fulfilment neu gegründeten Tochterfirma Baur Hermes Fulfilment (BHF), die das Logistikzentrum seit 1. Juni betreibt. Nachdem die Neugründung anfangs für Aufregung bei der Belegschaft gesorgt hatte, erfolgte der Betriebsübergang geräuschlos.

Die Gründung der gemeinsamen Firma war die Voraussetzung dafür, dass die Otto Group 150 Millionen Euro in das vollautomatische Shuttle-Lager investiert, das 2024 seinen Betrieb aufnehmen soll. Hier werden die Waren des Online-Modehändlers About You an Kunden in ganz Europa verschickt. Bisher hatte das die Baur-Logistik, die ein weiteres Lager in Sonnefeld betreibt, gestemmt.

Hallen für das Shuttle-Lager sollen zum Jahresende stehen

Die Bauarbeiten laufen nicht ganz so geräuschlos wie der Betriebsübergang der rund 2000 Mitarbeiter der Baur-Logistik und des Hermes-Logistik-Centrums in die BHF, aber sie schreiten zügig voran. Nach dem Abbruch der Werkstattgebäude hinter dem Logistikzentrum entsteht auf der Fläche der ehemaligen Mitarbeiterparkplätze das Lager, in dem künftig bis zu zehn Millionen Artikel für den Online-Modehändler About You vorrätig gehalten werden sollen. Die Fundamente wurden zum großen Teil bereits betoniert. Die drei Hallen sollen bis November im Rohbau stehen, danach der Innenausbau folgen.

Während in der nördlichen und südlichen Halle die Waren gelagert werden, erfolgt in der mittleren die Kommissionierung, indem die bestellten Artikel in Wannen gelegt und von dort über ein Förderband in die Packerei transportiert werden. Neu ist, dass die Artikel nicht mehr von den Mitarbeitern aus den Regalen geholt, sondern vollautomatisch zur mittleren Halle gebracht werden, erklärt Peter Volk. Das spart nicht nur Wege, sondern vor allem Zeit. Denn das Ziel ist eine Zustellung innerhalb von 24 Stunden vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Raum), wie Kasprowicz erläutert.

Für mehr Tempo sorge auch die Zusammenführung der bisher auf mehrere Lager in der Region verteilten Warenbestände in Altenkunstadt. Das spare Zeit und reduziere die Verkehrsbelastung in Altenkunstadt. Bei einem geplanten Warenumschlag von 90 bis 100 Millionen Artikeln in diesem Jahr zähle jede Minute. An Spitzentagen im Mai und Juni wurden sogar mehr als 500.000 Teile verpackt und verschickt.

„Wir investieren in Schnelligkeit und Service, um die Kunden zu begeistern.“
Kamil Christoph Kasprowicz, Geschäftsführer BHF

„Wir investieren in Schnelligkeit und Service“, betont Kasprowicz. Denn der Großkunde About You wachse trotz der Inflation weiterhin schnell. Um gegenüber den Branchenriesen wie Zalando oder Amazon konkurrenzfähig zu bleiben, gelte es die Kunden zu begeistern. „Viele haben während der Corona-Pandemie das Online-Shopping für sich entdeckt und waren begeistert, jetzt gilt es, alles daran zu setzen, sie nicht zu enttäuschen“, sagt Kamil Kasprowicz. Neben Altenkunstadt setze About You auf zwei weitere Logistikzentren in der Slowakei und Polen, die von einem anderen Unternehmen betrieben werden, um den osteuropäischen Raum abzudecken.

Das bedeute auch einen gewissen Wettbewerb für den Standort Altenkunstadt. Da komme BHF die Logistik-Erfahrung von Hermes Fulfilment und der konzernweite Austausch zugute. So seien beispielsweise jüngst Kollegen in den USA gewesen, um sich über Neuerungen bei Software-Lösungen zu informieren. Jetzt besprechen Kaspowicz und Volk mit ihrem Team, wie sie in Altenkunstadt eingesetzt werden könnte.

Bereits installiert ist das Logo der neuen Firma BHF an der Fassade des bisherigen Baur-Logistik-Zentrums. Für die rund 2000 Mitarbeiter habe sich außer dem Namen des Arbeitgebers wenig geändert, betont Peter Volk. Die Arbeit sei die gleiche, die Führungskräfte ebenso. „Bis auf eine Handvoll Widersprüche sind alle noch mit an Bord“, erklärt er. Befürchtungen, durch die Automatisierung würden Arbeitsplätze verloren gehen, seien unbegründet. Sie betreffe nur das Lager, nicht den bestehenden Betriebsbereich, in dem die Verpackung und Beladung der Lastwagen wie bisher erfolgen werde.

BHF sucht Personal, Automatisierung trifft eher Zeitarbeiter

Langfristig werde sich die Zahl der benötigten Mitarbeiter zwar um einige hundert reduzieren, doch das betreffe die rund 500 zusätzlich zur Stammbelegschaft beschäftigten Zeitarbeiter. „Wir benötigen eher zusätzliche Mitarbeiter und ziehen alle Register, da wir nicht genug Leute in der Region finden“, betont Volk.

Umschlagplatz für 100 Millionen Artikel in Altenkunstadt
Großbaustelle: Ein vollautomatisches Shuttle-Lager für Baur Hermes Fulfilment wird zurzeit hinter dem Güterverteilzentru... Foto: Gerhard Herrmann

Die Erhöhung des Mindestlohns sei kein Problem für BHF, da bereits jetzt höhere Tarife gezahlt werden, erklärt Peter Volk. Eine größere Herausforderung seien die Energiekosten und die Möglichkeit, dass im Winter das Gas abgedreht werde. „Wir verzichten bereits auf die Fassadenbeleuchtung und überprüfen jeden Bereich, aber wir können keine 15 Prozent einsparen“, sagt Kasprowicz. Wegen der steigenden Kosten werde BHF sich mit About You sicher einig, dank Gleitklauseln in den Verträgen und einer guten Zusammenarbeit. Das habe sich bereits in der Pandemie bewährt. Allerdings müsse jetzt Vorsorge getroffen werden für die Gesundheit der Mitarbeiter und damit die Ware nicht Schaden nehme. So werde für Mitarbeiter im Lager Wärmeschutzkleidung geordert und gemeinsam mit der Mutter Hermes Fulfilment die Umstellung der Heizung auf Öl oder der Einsatz mobiler Öl-Heizkanonen geprüft.

Die BHF-Geschäftsführung

Der 37-jährige Diplom-Ökonom Kamil Christoph Kasprowicz wurde in Polen geboren und ist in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen. „Als ehemaliger Leistungsschwimmer habe ich gelernt, dass man nur im Team gute Leistungen erreichen kann“, betont er. Früh interessierte er sich für Logistik und war für die Lufthansa, die Deutsche Post, für die Unternehmensberatung Roland Berger und im Ausland tätig. Als Abteilungsleiter Consulting wechselte er 2017 zur Otto Group, wo er zuletzt als Group Vice President Supply Chanin Management für Logestikplanung und Strategie zuständig war.

Der verheiratete Vater eines Sohns wird vorerst an den Wochenenden nach Hamburg pendeln, weil seine Frau dort in einer Rechtswaltskanzlei tätig ist. Als seinen Beitrag zum Klimaschutz nennt er die Nutzung von Elektroautos in der Stadt und eine bewusste Ernährung.

Der 57-jährige Diplom-Kaufmann Peter Volk arbeitet seit 31 Jahren im Logistikzentrum Altenkunstadt. Als COO bei BHF ist er zuständig für den laufenden Betrieb, die Prozess- und Betriebsoptimierung. Nach dem Studium war er als Projektleiter und Controller für die Logistik der Baur-Gruppe tätig, dann als Abteilungsleiter für Projekte und Controlling. Seit 2016 war er als Bereichsleiter Logistik verantwortlich für die Baur-Logistik in Altenkunstadt mit dem Logistik-Zentrum und dem Lager in Sonnefeld. Der verheiratete Vater von drei erwachsenen Söhnen wohnt in Weidnitz. Er macht gerne Urlaub „in Gegenden, in denen wenig Leute unterwegs sind.“ Bevorzugt Wandern und Trekking oder auch mal im Jeep durch die Mongolei. Als Beitrag zum Klimaschutz nutzt er Regenwasser als Brauchwasser und achtet auf eine nachhaltige Ernährung, etwa in Form von Wild.

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