BURGKUNSTADT

Senioren erleben Märchen in Burgkunstadt

Zum Abschluss sangen Margit Schreppel und die Bewohnerinnen und Bewohner des Kathi-Baur-Pflegezentrums St. Heinrich ein uraltes Lied vom „Holderstrauch“. Foto: Corinnan Tübel

„Ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn.“ Was Heinrich Heine vor langer Zeit dichtete, das trifft auch auf die Bewohnerinnen und Bewohner des Kathi-Baur-Pflegezentrum St. Heinrich in Burgkunstadt zu. Vielen stehen schon vor Beginn der Veranstaltung „Märchen erleben“ mit der Märchenerzählerin Margit Schreppel die Erwartung und wohl auch die Erinnerungen ins Gesicht geschrieben. Auf die Nachfrage hin, wer denn ein Lieblingsmärchen habe, gibt es viele Nennungen. Darunter auch, passend zur Jahreszeit, die Geschichte zur „Frau Holle“, die die Islingerin für diesen Tag vorbereitet hatte – aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.

Frau-Holle-Gymnastik und eine Märchenglocke

„Märchen sind uralt und Märchenerzähler gibt es schon, solange es Menschen gibt“, führt Margit Schreppel ein und verspricht eine Märchenerlebnis „für alle Sinne“. Dieses beginnt mit einer Frau-Holle-Gymnastik zu einem Gedicht, die die Bewohnerinnen und Bewohner – ihren Fähigkeiten entsprechend – gerne mitmachen.

Den Saft von den Früchten des Holunders, der Pflanze der „Frau Holle“, hat Margit Schreppel ebenfalls mitgebracht. Foto: Corinnan Tübel

Beim Schneeflocken-Rieseln-lassen verrät Margit Schreppel zudem den Bezug zur frühen Göttin Holla, die unter anderem als helfende Muttergöttin und Göttin des Lebens und des Todes wirkte. Mit diesem Wissen und dem zauberhaften Klang der Märchenglocke lauschten die Frauen und Männer aufmerksam der persönlichen Darbietung der ausgebildeten Märchenerzählerin.

Märchen aktivieren und lösen Emotionen aus

Mit klarer und deutlicher Stimme, persönlicher Ansprache aber die altbekannten Redewendungen der Vorlage führt die Erzählerin in eine Welt zurück, deren Regeln in der Kindheit doch so einfach schienen: Wer nach den Gesetzen der Natur lebt und hilfsbereit ist, wird in seinem Leben belohnt. „So ist es im Leben“, raunt es durch den Saal im Pflegezentrum. Wie sehr Märchen doch kognitiv stimulieren und aktivieren, zeigt die Bemerkung einer Seniorin, die sie gemeinsam weiterspinnen: „Man könnte diese Weisheit auch gut auf heute beziehen, auf die Klimakrise zum Beispiel.“

Die Märchenglocke führt in das Märchen ein und beendet es, erklärt Margit Schreppel. Foto: Corinnan Tübel

Weitere Bezüge zur eigenen Lebenswelt tun sich auf, als Margit Schreppel den Holunder, auch Fliederbeere oder Hollerstrauch genannt, als Pflanze der „Frau Holle“ in Erinnerung ruft. Die Senioren tragen viele Redensarten hierzu zusammen und genießen gemeinsam schließlich leckeren Holundersaft von Margit Schreppel. Und hat am Ende auch zunächst niemand das Lied mit den Zeilen „… der Holderstrauch, der blüht so schön im Mai“ mitsingen können, so erinnern sich nach den ersten Zeilen viele an den Text.

„Das beobachte ich oft“, erzählt Margit Schreppel. „Die meisten von uns sind mit Märchen groß geworden, sie sind tief im Volk und in uns verwurzelt.“ Mit ihren Veranstaltungen bringt die Märchenerzählerin diese Erinnerungen, aber auch weitere wieder zum Vorschein. Märchen aktivieren und geben Raum, sich weiter damit zu beschäftigen. Sie können Emotionen auslösen, ob fröhliche oder traurige. „Das darf aber auch sein, das gehört zu uns dazu.“

So sind es nicht nur die Pflegekräfte, die am Ende die Ansprache der Bewohnerinnen und Bewohner suchen, sondern auch Margit Schreppel sucht die Gespräche. Nicht immer können sich alle in ihrem Publikum verständlich äußern, doch auch Menschen, die an Demenz erkrankt sind, scheint sie ansprechen zu können: „Die Pflegekräfte und ich beobachten zum Beispiel, dass viele Menschen, die sonst eher unruhig sind, bei den Märchen ganz ruhig werden.

„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“
Margit Schreppel zitiert den Autor Jorge Bucay

Märchen können auch die Türen zum Langzeitgedächtnis öffnen und die psychosoziale Gesundheit fördern.“ In diesem Sinn enthält das Zitat von Jorge Bucay, das die Märchenerzählerin mitteilt, wohl eine große Wahrheit: „Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“

Etliche Veranstaltungen dieser Art in Senioreneinrichtungen haben bereits stattgefunden. Weitere sollen folgen. Der Leiter des Kathi-Baur-Pflegezentrums St. Heinrich ist begeistert, war es doch die erste Veranstaltung dieser Art im breit gefächerten Programm der Einrichtung. Auch die Ansprechpartnerin der Aktiven Bürger für Burgkunstadt, Eva-Maria Horn, bedankt sich für diesen Nachmittag, der den Senioren sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird – jeder und jedem auf seine Art und Weise.

Märchen erleben

Die Veranstaltungsreihe „Märchen erleben“ ermöglicht eine Kooperation zwischen den Aktiven Bürgern Lichtenfels und der Koinor-Horst-Müller-Stiftung.

Während das Freiwilligenzentrum die Organisation und Netzwerkarbeit mit den Partnerinstitutionen innehat, stellt die private Stiftung aus Michelau durch eine großzügige Spende die finanziellen Mittel für das Projekt bereit.

Alle Akteure verbindet das gemeinsame Ziel, die Lebensqualität am Obermain für alle Menschen zu stärken.

Vorerst liegt der Schwerpunkt auf Senioreneinrichtungen und Kindergärten, später sollen nach Möglichkeit noch Schulen und Behinderteneinrichtungen folgen.

 

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