
„Wir stehen auf einem Friedhof und in einem Garten.“ Mit diesen Worten machte die Thurnauer Dekanin Martina Beck deutlich, dass Friedhöfe gleichzeitig auch Lebensräume sind. Anlass war die Eröffnung des ökologischen Lehrfriedhofs in Wonsees. Zehn neue Stationen zwischen den Grabsteinen machen aufmerksam auf die Artenvielfalt, die man auf Friedhöfen findet. Dabei geht es beispielsweise um sonnige Mauern, in deren Ritzen Hummeln, Wespen und Wildbienen ihre Eier ablegen. Gebäude wie die Kirche sind Ersatzbiotope für Felslandschaften und beherbergen verschiedene Vogel- und Feldermausarten. Eine weitere Tafel informiert zu Moosen, die „grün, weich und vielfältig“ die Basis für die Nahrungskette in der Natur bilden.
Wonseeser Pfarrer Daniel Städtler lud die Friedhofsbesucher zum Spazierengehen und Genießen ein. „Gott erfreut sich an der Schöpfung“, sagte er. Denn auch er sei im Garten Eden spazieren gegangen. Städtler wies darauf hin, dass man häufig den Blick verliere für die Schönheit vor der eigenen Haustür.
Um so mehr freue er sich über den neuen Lehrfriedhof, denn er weise auf die typischen Naturschönheiten des Frankenjuras hin, auf Wiesen, alte Bäume oder Kalkmagerrasen. Der ökologische Lehrfriedhof ist ein Gemeinschaftsprojekt der Kirchengemeinde Wonsees und „Schöpfung bewahren konkret“, einem kirchlichen Verein zur Förderung umweltfreundlicher Projekte, der angesiedelt ist beim Landeskirchenamt der Evangelischen-Lutherischen Kirche in Bayern.
Oase für Pflanzen, Tiere und Menschen
Vereinsvorsitzender, Pfarrer Jürgen Harder, sprach bei der Eröffnung von der „Rückkehr der Muse in unser Leben“. Mit dem Projekt zu Friedhöfen als „Oasen für Pflanzen, Tiere und Menschen“ habe man im Jahr 2018 begonnen und es seither immer weiter ausgedehnt. Im Landkreis Kulmbach ist es bereits der dritte ökologische Lehrfriedhof, neben Rugendorf und Schwarzach.
Besonders bedankte er sich bei der Biologin Barbara Füchtbauer, die die Umsetzung des Projekts betreut hatte und die Besucher bei der Eröffnung über den Friedhof führte. Bei der Besichtigung dabei waren auch zahlreiche ehrenamtliche Helfer aus der Kirchengemeinde, die sich am Projekt beteiligt hatten. Materialien und Pflanzen kaufte die Kirchengemeinde vom Bestattungsunternehmen Stief aus Tannfeld zu.
Ein altes Volkslied zitiert
Stellvertretende Kulmbacher Landrätin, Christina Flauder, rief den Gästen das alte Volkslied „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“ in Erinnerung, vor allem die zweite Strophe, bei der es um die Artenvielfalt geht:
„Weißt du wie viel Mücklein spielen
In der heißen Sonnenglut
Wie viel Fischlein auch sich kühlen
In der hellen Wasserflut
Gott der Herr rief sie beim Namen
Dass sie all ins Leben kamen…“
Das Lied stammt aus dem Jahr 1837. „Da war die Welt noch nicht so beieinander“, betonte Flauder. Jeder sei aufgefordert etwas zu tun. Sie hoffe, dass der ein oder andere Friedhofsbesucher die Ideen des ökologischen Lehrfriedhofs auch zu Hause im Garten umsetzt. Jede der Infotafeln enthält nämlich auch konkrete Handlungsempfehlungen, etwa wie man einen Kalkmagerrasen anlegt, wie man Wiesen richtig mäht oder wie man alte Gebäude vogel- und fledermausfreundlich saniert. „Das Thema Artenvielfalt nimmt in der Gesellschaft einen immer größeren Stellenwert ein“, sagte Wonseeser Bürgermeister Andreas Pöhner in seiner Ansprache. Auch in der Gemeinde Wonsees sei man sich der Bedeutung naturnaher Lebensräume bewusst. Ausgewählte Flächen neben der Bauhofhalle und beim neuen Gemeindezentrum seien insektenfreundlich begrünt worden.
„Das Thema Artenvielfalt nimmt in der Gesellschaft einen immer größeren
Stellenwert ein.“
Auch Unternehmen leisten ihren Beitrag. So hatte der Feulersdorfer Gemüsebaubetrieb Scherzer und Boss zahlreiche Flächen auf dem Firmengelände von einem Naturgartenplaner ökologisch gestalten lassen. Rund um die Dörfer Kleinhül und Großenhül hat die Gemeinde Wonsees in Zusammenarbeit mit dem Kulmbacher Landratsamt und dem Naturpark Fränkische Schweiz–Frankenjura gleich zwei neue Naturlehrpfade anlegen lassen.
Die „Hül- und Lindenrunde Wonsees“ weist auf die landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten der Jurahochfläche hin. Der ökologische Lehrfriedhof, der das Wissen um die Lebensräume auf dem Friedhof vermittelt, sei eine gute Ergänzung, so Bürgermeister Pöhner.
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