STADELHOFEN

Ensteht ein riesiges Logistikzentrum nahe Stadelhofen?

Dr. Hanno Thiele (re.) und Christoph Thienel stehen auf dem Acker, auf dem die riesige Gewerbeimmobilie entstehen soll. Im Hintergrund ist Stadelhofen zu sehen. Foto: Stephan Stöckel

Ihr Blick schweift vom Ortsrand Stadelhofens hinüber auf das malerische Kleinziegenfelder Tal. Die FFP2-Masken verdecken ihre ernsten Mienen. Ihre Äußerungen hingegen sind ungeschminkt. „Die Natur zwischen dem Kleinziegenfelder Tal und dem Paradiestal, das südwestlich von Stadelhofen liegt, wird kaputtgemacht, sollte hier ein Logistikzentrum gebaut werden“, empört sich Dr. Hanno Thiele aus Bamberg.

Sein Freund Christoph Thienel aus Stadelhofen wiederum stellt sich eine rhetorische Frage: „Kennen Sie jemanden, der in einer Tourismus- und Erholungsregion, in deren Mitte man ein über 90000 Quadratmeter großes Betonmostrum gepflanzt hat, Urlaub machen will?“

Mit dem Auto fahren sie zu einem Acker, auf dem der große Warenumschlagsplatz entstehen soll. Dr. Thiele zeigt auf Bäume entlang der Staatsstraße und schüttelt fassungslos mit dem Kopf: „Sie alle sollen gefällt werden.“

Szenenwechsel. Von den kalten Jurahöhen geht es an den wärmenden Kamin. Dr. Thiele hatte sich 2013 in Stadelhofen, das zur Verwaltungsgemeinschaft Steinfeld gehört, einen Traum erfüllt. Hier verwandelte der Mediziner, der als Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Tauchmedizin am ambulanten Behandlungszentrum in Kutzenberg arbeitet, ein altes Bauernhaus in ein Schmuckstück.

Bei Reha von Plänen erfahren

Unverhofft kommt oft. Auf einer Reha in Bamberg hatte der 62-jährige Mediziner Anfang des Jahres einen Lkw-Fahrer kennengelernt. Dieser hatte ihm berichtet, dass im Lidl-Logistikzentrum in Eggolsheim (Landkreis Forchheim) schon länger über den Bau eines weiteren Logistikzentrums des Discounters in Stadelhofen an der Grenze zum Landkreis Lichtenfels gesprochen werde.

Aufgeschreckt von der Nachricht erkundigten sich Dr. Hanno Thiele und Christoph Thienel bei Bürgermeister Volker Will, ob sie etwas von dem Vorhaben des Discounters wüssten. „Nichts konkretes“, lautete die lapidare Antwort. Doch die zwei recherchierten weiter. Das Duo fand heraus, dass die Firma Sturm Logistik Immobilien mit Sitz in Heidenheim, die seit 20 Jahren für Lidl Logistikzentren plant, bereits Kontakt zu Grundstückseigentümern aufgenommen hatte. „Der Bürgermeister höchstpersönlich war es gewesen, der im Spätsommer vergangenen Jahres den Kontakt zu ihnen hergestellte hatte“, behauptet Dr. Thiele.

Schon 113 Unterschriften gesammelt

Schnell macht die Kunde von dem geplanten Logistikzentrum die Runde in dem 200-Seelen-Dorf. Die Angst, mit der Ruhe könnte es bald vorbeisein, wenn Hunderte von Mehrtonnern tagein tagaus zum Logistikzentrum fahren, treibt die Einwohner um. Fleißig werden 113 Unterschriften gesammelt.

Diese wurden am 15. Februar vor der Gemeinderatssitzung an den Bürgermeister übergeben. Inzwischen sind 40 weitere hinzugekommen.

Ein riesiges Logistikzentrum, das größer wäre als Stadelhofen und nur getrennt durch eine Straße unweit des Wohngebietes „Im Löhren“ errichtet werden soll, ist für viele im Ort ein Unding. Die Einwohner befürchten nicht nur eine Lärmbelästigung durch den an- und abfließenden Verkehr, sondern auch durch parkende Lastwagen, die über Nacht ihre Motoren und Kühlaggregate laufen lassen.

Das Argument, das ein solches Logistikzentrum Arbeitsplätze schaffe und Gewerbesteuereinnahmen in die Gemeindekasse spüle, lassen die beiden nicht gelten. „Wie den Stellenangeboten des Discounters im Internet zu entnehmen ist, werden in den Logistikzentren überwiegend Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor geschaffen. Gewerbesteuer fällt in den ersten zehn Jahren keine an, da in dieser Zeit die Immobilie abgeschrieben werden darf“, erläutert Dr. Thiele. Des Weiteren verweist er darauf, dass die Lohnsteuer an den Wohnort der Beschäftigten gehe, die zumeist nicht aus dem Ort stammten, an dem sich das Warenumschlagszentrum befinde.

Gegner wollen Bürgerentscheid initiieren

Sie planen einen Bürgerentscheid zu initiieren, sobald belastbare Pläne und Daten zu dem Vorhaben vorhanden seien. Zudem befürchten die Projektgegner vor vollende Tatsachen gestellt zu werden. Bürgermeister Volker Will will das Thema erst auf die Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung setzen, wenn feststehe, ob der Investor die benötigten Grundstücke bekomme und an seiner Planungsabsicht festhalte. Nach Meinung von Dr. Hanno Thiele und Christoph Thienel müssten die Bürger vorher mit einbezogen werden.

In ihren Gesichtern spiegelt sich trotz aller Befürchtungen eine Zuversicht. Diese speist sich aus einem Schreiben der Firma Sturm, das Dr. Thiele aus einem Aktenordner hervorkramt. Darin schreibt Geschäftsführer Matthias Sturm wörtlich und bezugnehmend auf ein Gespräch mit Dr. Thiele: „Ich hatte Ihnen gestern am Telefon gesagt, dass für den Fall, dass der Gemeinderat oder die Genehmigungsbehörde einem solchen Ansinnen negativ gegenüberstehen würden und wir den Eindruck gewinnen, dass eine Umsetzung wegen großem Widerstand unmöglich wäre, wir uns frühzeitig vom Standort Stadelhofen zurückziehen würden.“

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