BURGKUNSTADT

Asylbewerber: Gärtenroth fühlt sich überfordert

Stein des Anstoßes: Das ehemalige Hotel Rot in Gärtenroth dient als dezentrale Unterkunft für Asylbewerber. Sorge bereitet den Bürgern, dass hier bis zu 39 junge Männer untergebracht werden könnten. Foto: Dieter Radziej

Für Aufregung sorgt die geplante Unterbringung von Asylbewerbern im ehemaligen Hotel Rot in Gärtenroth. Bisher waren dort aus der Ukraine geflüchtete Familien untergebracht, die im Dorf gut integriert waren, doch ab Februar sollen die Zimmer stattdessen Asylbewerbern aus anderen Ländern einquartiert werden. Viele Gärtenrother befürchten, dass das Dorf mit 206 Einwohnern überlastet werde könnte, wenn dort vorwiegend junge Männer wohnen würden, die keine Möglichkeiten zum Einkaufen oder zur Freizeitgestaltung hätten. Ihre Sorge äußern 177 Einwohner in einem Brandbrief an Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz, Landrat Christian Meißner und Bürgermeisterin Christine Frieß. Die Behörden bitten um Verständnis für die Notwendigkeit der dezentralen Unterbringung und verweisen auf Pläne, ein Containerdorf für Flüchtlinge einzurichten.

Sieben Asylbewerber wohnen bereits seit Dezember im Hotel

Bereits sieben Asylbewerber aus Somalia und vier aus Afghanstan (darunter auch Frauen) wurden bereits im Hotel Rot einquartiert, wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilte. Die ersten bereits Anfang Dezember.

Das ehemalige Hotel Rot in Gärtenroth dient als dezentrale Unterkunft für Asylbewerber. Bisher waren hier ukrainische F... Foto: Dieter Radziej

Was die Bürger ärgert, ist dass sie keine Informationen zu dem Wechsel in der Flüchtlingsunterkunft erhalten haben und Auskünfte etwa beim Landratsamt verweigert worden seien. „Wollt Ihr nochmal gewählt werden?“, hatte Ortssprecher Bernd Weich bereits im Stadtrat seinen Unmut geäußert. „Wenn die Integration gelingen soll, ist es wichtig, dass alle mit offenen Karten spielen“, schreiben die Bürger. Sie wünschen Auskunft, wie die künftige Belegung des Hotels aussehen soll und einen Ansprechpartner, falls es Probleme geben sollte. Denn das Hotel soll an einen Investor aus Nürnberg verkauft worden sein.

„Mit 206 Einwohnern ist Gärtenroth ein kleines Pfarrdorf, welches über eine extrem schlechte Infrastruktur verfügt“, geben die Bürger zu bedenken. Busse führen nur beschränkt und Fahrradwege fehlten ebenso wie Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung, Arbeitsplätze, Sprachkurse, passende Treffpunkte und Freizeitangebote.

Sorge wegen fehlender Angebote und Betreuung für junge Männer

Die Bürger betonen, dass sie die Unterbringung von Flüchtlingen nicht grundsätzlich ablehnen. Gärtenroth habe sich bisher als eine Gemeinschaft präsentiert, die Geflüchtete offenherzig aufnehme, wie die Integration der ukrainischen Familien in die Dorfgemeinschaft zeige. Sie seien auch nach wie vor bereit, sich hierfür zu engagieren. „Dies muss aber in einem realistischen Rahmen stattfinden, der die Bereitschaft aufrechterhält, nicht überfordert und vor allem nicht das Sicherheitsgefühl erschüttert“, betonen sie in ihrem Brief.

Sorge bereite ihnen die „explosive Mischung“ der „extrem schlechten Infrastruktur, fehlender Freizeitangebote und der damit einhergehenden Langeweile für circa 30 junge männliche Asylsuchende“ in einem kleinen Dorf. Gemessen an der Einwohnerzahl läge der Anteil der Geflüchteten bei 15 Prozent rechnen sie vor. Das überfordere die Dorfgemeinschaft. Die Stimmung drohe zu kippen.

Daher appellieren sie an die Behörden, die jungen männlichen Flüchtlinge näher an größeren Orten mit besserer Infrastruktur unterzubringen und das Hotel Rot weiterhin nur für Familien zu nutzen oder deren Anteil auf „ein zumutbares Maß von fünf bis sechs Prozent der Einwohner“ zu begrenzen. „Zeigen Sie Herz“, appellieren sie an die Behördenvertreter.

Das Landratsamt belegt 26 Plätze, wie viele noch kommen ist offen

Mit wie vielen Asylbewerbern die Unterkunft in Gärtenroth belegt werde, stehe noch nicht fest, auch nicht, wann dies erfolgen wird, teilt Helmut Kurz vom Landratsamt auf Anfrage mit. Das Landratsamt belege dort zurzeit 26 Plätze, insgesamt könnten in 13 Doppelzimmern bis zu 39 Personen untergebracht werden. Im Februar erwarte der Landkreis eine Zuteilung von 36 Asylbewerbern, die die Bundesregierung anhand des Königssteiner Schlüssels auf die Bundesländer verteile und von dort auf die Regierungsbezirke und die Landkreise. Das Landratsamt sei zur Unterbringung in dezentralen Unterkünften verpflichtet und habe auf den Anteil der Zuweisungen keinerlei Handhabe.

Wegen Grundsicherung müssen Ukrainer selbst Wohnungen suchen

Da die ukrainischen Flüchtlinge Grundsicherung erhalten, müssten sie sich selbst um Wohnungen kümmern und daher die Asylbewerberunterkunft räumen. Dabei habe das Landratsamt ihnen Hilfe angeboten.

„Ich bin nicht glücklich über die Situation und die Umstände“, sagt Landrat Christian Meißner dazu. Das Landratsamt sei sich der Situation in Gärtenroth bewusst und habe daher trotz der Not an dezentralen Unterbringungsplätzen gegen eine Erweiterung der bisherigen Kapazitäten dort verzichtet. Entlastung solle der Bau eines Containerdorfs bringen: „Wir befinden uns aktuell mitten in den Planungen und Verhandlungen dafür, da mich die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage umtreiben.“ Angaben zum Standort und zur Eröffnung des Containerdorfs, wollte er vor Abschluss der Planungen nicht machen.

Meißner: Belastungsgrenze der Flüchtlingsaufnahme ist erreicht

„Die Belastungsgrenze der kommunalen Flüchtlingsaufnahme ist definitiv erreicht“, betont Meißner. Das Anker-Zentrum in Bamberg sei mit über 2500 Personen (Höchstbelegung: 1500) überbelegt und der Landkreis beherberge 728 Asylbewerber und 776 ukrainische Geflüchtete (davon knapp 450 dezentral untergebracht). Da hierfür die Bundesregierung verantwortlich sei, hätten sich die Landräte über den Landkreistag an Bundeskanzler Scholz mit der Bitte um einen Gesprächstermin gewandt. Gleichzeitig dankt er der Dorfgemeinschaft dafür, dass es bisher so gut mit der Aufnahme der Geflüchteten geklappt habe: „Ich bin sicher, dass dies auch zukünftig der Fall sein wird.“ Von den rund 30 dezentralen Unterkünften im Landkreis sei kein Fall bekannt, in dem es zu „Problemen“ gekommen wäre – auch nicht bei Unterkünften, die nur von jungen Männern bewohnt werden, ergänzt Helmut Kurz. Bei Fragen könnten sich die Bürger an das Landratsamt (Sachgebiet Soziales und Senioren) wenden. Es gebe durchaus Busverbinden, am Wochenende als Rufbus (Bestellung mindstens 60 Minuten vorher unter (09571) 189080).

„Ich verstehe die Gärtenrother gut, es ist ein kleines Dorf, da macht man sich schon Gedanken“, sagt Bürgermeisterin Christine Frieß. Bedauerlicherweise hätten weder die Stadtverwaltung noch das Landratsamt Einflussmöglichkeiten auf die Zuweisung. Von der geplanten Einquartierung in Gärtenroth habe die Stadt auch erst auf Nachfrage erfahren.

Auf die stark gestiegenen Flüchtlingszahlen und den Bedarf an Unterbringungen verweist auch Sabine Kerner von der Regierung von Oberfranken. Um die Aufnahmefähigkeit des ANKER-Zentrums in Bamberg zu gewährleisten, müssten regelmäßig Asylbewerber dezentral untergebracht werden und das sei die Aufgabe der Landkreise. Sie dankt der Mehrheit der Bürger, die die Aufnahme der Geflüchteten mittragen: „Ohne das beispiellose oberfränkische Miteinander wäre diese schwierige Aufgabe nicht zu bewältigen.“

Das ehemalige Hotel Rot in Gärtenroth dient als dezentrale Unterkunft für Asylbewerber. Bisher waren hier ukrainische F... Foto: Dieter Radziej

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