
Stefanie und Dietmar Schubert sind mit ihrer achtjährigen Tochter Maja von Bamberg nach Altenkunstadt gezogen, weil sie sich den Traum von einem Haus auf dem Land erfüllen wollten. Umso größer war der Schock, als sie im Februar im Obermain-Tagblatt lasen, dass die Telekom plant, zusätzlich zu der Mobilfunkantenne auf dem Hochhaus am Galgenberg noch drei Sender für UMTS und LTE zu installieren. Das Hochhaus ist von ihrem Heim im Kreuzberg gerade mal 150 Meter entfernt. Da der Gemeinderat nichts gegen das Ansinnen des Mobilfunkanbieters unternimmt, hat Dietmar Schuberth gehandelt und die Bürgerinitiative Mobilfunkstandort Altenkunstadt (BI) gegründet, der in knapp fünf Wochen bereits 30 Mitglieder beigetreten sind.
Noch größer ist die Resonanz auf die Unterschriftensammlung der Bürgerinitiative: Weit über 1000 Einwohner haben unterschrieben und sich damit zu den Forderungen der Bürgerinitiative nach einer Verbannung von Mobilfunkantennen aus Wohngebieten bekannt. Die Sammlung soll fortgesetzt werden, um einer Eingabe der BI an die Verwaltung und den Gemeinderat Nachdruck zu verleihen. „Unser Ziel sind mindestens 2000 Unterschriften“, betont Dietmar Schuberth.
„Wir haben nichts gegen Mobilfunk, aber wir sorgen uns um die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und aller Mitbürger“, erklärt Dietmar Schubert. Daher fordert die Bürgerinitiative vom Gemeinderat eine Veränderungssperre, um den Bau der geplanten Funkantennen zu verhindern und den Abbau des bestehenden Senders, den der Bauausschuss nie genehmigt habe und der deshalb ein „Schwarzbau“ sei.
Im Mobilfunkpakt II habe die Staatsregierung den Gemeinden ein Mitspracherecht bei der Errichtung von Mobilfunkantennen gegeben und festgelegt, dass Standorte künftig nicht mehr in der Nähe von Kindergärten und Schulen liegen sollten. Die Gemeinderäte könnten dieses Recht dazu nutzen, einen alternativen Antennenstandort außerhalb der Wohnbebauung vorzuschlagen. Dazu müsste ein Gutachten erstellt werden, das etwa 10 000 Euro koste – zwei Euro für jeden Bürger, rechnet Schuberth vor. Die Ausweisung dieses Gebiets im Flächennutzungsplan schlage mit einer weiteren fünfstelligen Summe zu Buche, die aber immer noch niedriger seien als die Behandlungskosten eines Krebspatienten.
Wichtig ist den Mobilfunkgegnern außerdem die Erstellung eines Vorsorgekonzepts durch Fachleute, das einen dauerhaften Schutz vor hochfrequenter Strahlung für Wohnbebauung, Kindergärten und Schulen sichere. „Wir wollen vor allem eine offene Diskussion mit Gemeinde und Gemeinderat, damit die Information über mögliche Gefahren besser wird“, so Schuberth. Dies biete den neugewählten Gemeinderäten eine Gelegenheit zu zeigen, dass sie die Sorgen ihrer Wähler ernst nehmen. Denkbar wäre die Einrichtung eines beratenden Gremiums für den Gemeinderat mit Mitgliedern der BI und anerkannten Fachleuten vom Kommunikationstechniker bis zum Mediziner.
Häufung von Todesfällen?
In ihrer Sorge bestätigt fühlen sich die Mitglieder der Bürgerinitiative durch eine „Häufung von Todesfällen rund um das Hochhaus, darunter auch ein junger Mann im Hochhaus 2012, und in der Neuwiese“ (dort sind auf den BMF-Gebäuden sechs D2-Antennen installiert). Tierärzte stellten außerdem ein Ansteigen von Leukämiefällen bei Hunden fest, seit die Antennen errichtet wurden. Einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen der Installation eines Mobilfunkmasts und der Häufung von Krebserkrankungen sei in Eggersdorf bei Bayreuth von einer Bürgerinitiative bei Hausbefragen mit hoher Plausibilität nachgewiesen worden. Daher plant die BI in den nächsten Wochen eine Art Feldanalyse zu dem Thema.
Dass dies begründet sei, zeige die Einstufung von Mobilfunkstrahlen durch die Weltgesundheitsorganisation WHO 2011 als „möglicherweise krebserregend“. Auch zahlreiche Wissenschaftler und Gremien vom Europarat und dem Umweltinstitut München bis zur Ärztekammer forderten die Einführung eines „Vorsorgeprinzips“ und die Senkung des Grenzwerts für Hochfrequenzanlagen, der in Deutschland weit höher ist als in allen anderen europäischen Ländern.
Gerade die niedrigeren Grenzwerte in anderen Ländern zeigten, dass die Bürger in Deutschland unnötigen Risiken ausgesetzt würden, erklärt Gerhard Stark aus Baiersdorf, Mitglied der BI. Er versteht nicht, warum Funkantennen in Wohngebieten errichtet werden, obwohl deren Sendeleistung von außerhalb durch eine breitere Streuung (Gießkannenprinzip) erwiesener Maßen besser sei. Die Belastung durch die acht Altenkunstadter Antennen (Hochhaus, BMF, Maineck) werde durch weitere 21 Masten mit insgesamt 60 bis 70 Funkantennen in Weismain und Burgkunstadt noch verstärkt. Besonders gefährlich sei die Strahlung durch die Dauerbelastung rund um die Uhr, ergänzt BI-Mitglied Horst Münchenbach.
df
Eine Veränderungssperre und die Ausweisung eines Vorranggebiets für Mobilfunkantennen könne der Gemeinderat grundsätzlich beschließen, falls dies politisch gewollt werden, teilte geschäftsleitender Beamter Alexander Pfaff von der Gemeinde dazu mit. Über die von der Telekom geplanten neuen Antennen sei noch kein Beschluss gefasst worden. Er habe vorgeschlagen, mit der Telekom über das Vorhaben zu sprechen und gerade im Hinblick auf den wachsenden Protest der Bürger sehe er gute Aussichten, dass der Betreiber zu Zugeständnissen bereit sein könnte.
Grundsätzlich sei nicht der Gemeinderat, sondern der Bauausschuss für die Genehmigung von Mobilfunkantennen zuständig, da die Gemeinde die Errichtung nur baurechtlich beurteilen dürfe, aber keine Bewertung der Grenzwerte oder der Strahlenbelastung vornehmen könne, so lange die Vorgaben eingehalten seien.
Für die bestehende Antenne auf dem Hochhaus am Galgenberg sei ein baugenehmigungsfreies Verfahren erforderlich, für das lediglich eine Befreiung der Gemeinde von den Bestimmungen des Bebauungsplans (reines Wohngebiet) benötigt werde. Diese Befreiung habe der Bauausschuss 2005 zwar nicht erteilt, doch das Landratsamt, das damals noch für die Bauaufsicht zuständig war, habe der Gemeinde mitgeteilt, dass sie zur Erteilung des Einvernehmens verpflichtet sei, weil das Baurecht kein Mittel sei, um in die Grenzwertdiskussion einzugreifen. Darauf habe der Bauausschuss allerdings nicht reagiert und das Landratsamt habe nicht weiter nachgehakt. Dass die Befreiung nicht erteilt wurde, bedeute zwar formaljuristisch vielleicht, dass es sich um einen „Schwarzbau“ handele, doch der Betreiber könnte diese jederzeit vor Gericht erfolgreich einklagen. Die Bürgerinitiative Mobilfunkstandort Altenkunstadt trifft sich regelmäßig freitags um 19 Uhr im Gasthaus „Zum Preußla“. Neue Mitstreiter sind jederzeit willkommen; ebenso Unterstützungsunterschriften. Ansprechpartner sind Dietmar Schubert unter Tel. (09572) 721 94 06 und Gerhard Stark unter Tel. 99 63.
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