BAMBERG

Gläschen Eierlikor und Kurzarmhemd

Natürlich im Kurzarmhemd: Harry Luck – Krimi-Autor, Erzbistums-Pressesprecher, Filter-Kaffee- und Eierlikör-Fan – stellt... Foto: Hendrik Steffens

Bausparen ist uncool, Eierlikör trinken Damen gesetzten Alters und Warmduschen ist so etwas wie das Gegenteil von Männlich-Sein. Die Gesellschaft diktiert ungeschriebene Gesetze, denen jeder folgt, der hip sein will. Letzteres ist Harry Luck nicht so wichtig. Er will sich lieber wohlfühlen – und auch mal gemütlich einen Eierlikör trinken. In seinem neuen Buch „Wie spießig ist das denn?“ frönt er nach Herzenslust dem Uncoolsein.

In einem Café in der Bamberger Altstadt will Luck über sein Sachbuch erzählen. Auf die Frage der Bedienung, was sie bringen darf, fragt er nach Filterkaffee. Sie habe ganz normalen Kaffee aus der Espresso-Maschine, sagt die Bedienung und dämpft ungewollt den Durst des Autors. Dem Zeremoniell der Zubereitung eines Filterkaffees, dem „Duft von Kaffeearoma und dem hingebungsvollen Blubbern der Maschine“, widmet Luck ein eigenes Kapitel in seinem Spießer-Buch. Unter seinem blau-weiß gestreiften Kurzarmhemd zuckt er mit den Schultern und bestellt eine Tasse von der Alternative.

„Wenn mir etwas typisch spießiges aufgefallen ist, habe ich es erstmal gegoogelt.“
Harry Luck Buchautor

„Das Buch ist teilweise biografisch“, gibt Luck zu und unterstreicht damit das Offensichtliche. Der Journalist und Autor sammelt Derrick-DVDs, fährt ein Fahrrad mit Rücktrittbremse und Nabenschaltung und trinkt gern mal ein alkoholfreies Bier oder eine Apfelschorle. Spießig sein ist für Luck nichts Negatives, sondern ein Ausdruck von Selbstbewusstsein. „Man muss keinem Trend hinterher laufen“ und nicht krampfhaft cool sein. Luck ist kein verbohrter Meckerer, eher selbstironisch. Sein Buch ist auch kein Verhaltenskodex mit Benimmregeln für den geneigten Spießer, sondern ein lustiger, detailverliebt recherchierter Text aus 100 in sich geschlossenen Kolumnen.

Die Lektüre verleitet zum Abgleich mit der eigenen Person: Bin ich ein Spießer? Wie viele der hundert Punkte treffen auf mich zu? Nebenbei lernt der Leser auch eine Menge: Etwa, dass die Idee des kollektiven Sparens vor mehr als 2000 Jahren in China entstanden ist und dass eine durchschnittliche Flasche Eierlikör elf Eidotter enthält. „Wenn mir etwas typisch Spießiges aufgefallen ist, habe ich es erstmal gegoogelt“, sagt der Autor zur Recherchetechnik. Nach dem Schneeballsystem habe eine Information zur nächsten und die zu vielen weiteren geführt. Ein halbes Jahr lang nahm der Spießer-Schatz auf weißen Seiten zu, bis das Buch fertig war.

Luck war immer schon Schreiber. Sieben Kriminalromane, die meist in der alten Münchner Heimat spielten, hat er veröffentlicht. Nebenbei wohlgemerkt, denn hauptberuflich war Luck Journalist bei Zeitungen, im Hörfunk, bei Nachrichtenagenturen, FOCUS Online und ist aktuell Leiter der Pressestelle des Bamberger Erzbistums. Bücherschreiben ist für ihn ein Hobby, „bei dem ich die strengen Vorgaben, die der Journalismus mit sich bringt, einfach mal ablegen kann“.

In seinem Schaffen als Buchautor beweist Luck zwar das Sprachgefühl und die genauen Beobachtungen eines guten Journalisten, aber er erlaubt sich, auszuschmücken: „Ich habe gar keinen Laubbläser, obwohl ich den im neuen Buch beschreibe. Der passte einfach gut.“ Vom Spießertum lenkt das Gespräch zur Midlife-Crisis. Als 41-Jähriger habe er die auch, räumt der Autor ein. Aber nicht im negativen Sinne. Krise, das kommt vom griechischen Wort für Entscheidung. Luck hat sich entschieden zwischen München und Bamberg und zwischen Karrieredruck im minuten-getakteten Internet-Journalismus und einem erfüllenden Beruf in der Pressestelle des Erzbistums. Nicht entschieden hat er sich für ein Genre, dem er sich als Autor widmet. Das nächste Buch wird nämlich weder reinrassiger Kriminalroman noch humoriges Sachbuch, sondern ein Thriller ohne Leiche. Fast sicher ist aber, dass er beim Schreiben das ein oder andere Kurzarmhemd tragen und sich freuen wird, wenn sein Kaffee auf dem Weg vom Regal in die Tasse einen Filter passiert hat.

Info: Die erste Lesung aus „Wie spießig ist das denn?“ ist am 21. September um 20 Uhr im Münchner Schlachthof – Ox.